Die Zeit des Advent

24.12. Adam und Eva

Advent

Adam
und Eva

Adam und Eva

Am 24. Dezember ist Heiliger Abend, aber zugleich gedenkt die Kirche an diesem Tag des ersten Menschenpaares nach biblischem Bericht. Mit Adam und Eva nahm die Geschichte Gottes mit den Menschen ihren Anfang, eine spannende Geschichte von Liebe und Hass, Verstehen und Missverstehen, von Glück und Leid, Hoffnung und Scheitern.

Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich! (Gen 1,26)

So spricht Gott im ersten Schöpfungsbericht. Der Mensch ist Gottes Ebenbild. Gott hat mit der Erschaffung des Menschen ein Experiment mit ungewissem Ausgang gewagt. Der entscheidende Faktor dabei ist die Freiheit, mit der Gott den Menschen beschenkt hat. Sie macht es dem Menschen möglich, völlig eigenständig zu handeln.
Gottes Plan war es, im Menschen ein Gegenüber zu haben, das sich ihm in Liebe zuwendet und dem Gott so seine Liebe schenken kann. In dieser Liebe hat Gott für den Menschen ein ideales Umfeld geschaffen, hat ihm einen wohnlichen Lebensraum geschenkt und einen Partner fürs Leben.
Doch die Geschichte des ersten Menschenpaares steht stellvertretend für die ganze Menschheitsgeschichte: Der Mensch ist stets unzufrieden. Wenn er alles hat, was er zum Leben braucht, dann fängt er an, mehr zu wollen - und mehr - und immer mehr. Nur einen Baum im riesigen Wald des Paradieses hatte Gott dem Menschen verwehrt, aber gerade das macht diesen einen Baum so interessant und der Mensch gibt nicht eher Ruhe, bis er davon gegessen hat. Doch was bringt dieser Genuss? Der Mensch erkennt nichts anderes als seine Schwachheit und Armseligkeit.
Passt dazu nicht der bekannte Satz:

Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.

Die Geschichte vom Sündenfall im Paradies ist bis heute aktuell. Nach dem Sündenfall von Adam und Eva ist das Paradies verschlossen. Nun muss der Mensch selbst im Schweiße seines Angesichtes den Ackerboden bebauen, um sein Überleben zu sichern.
Doch die Geschichte Gottes mit den Menschen geht weiter. Gott ist dem Menschen nahe - auch außerhalb des Paradieses. Zwar nicht in der Unmittelbarkeit, die der Schöpfungsbericht schildert, der Mensch muss Gott suchen. Viele werden sich ihre eigenen Götter machen, die sie mit Händen greifen können, die ihnen näher sind als ein verborgener Gott. Doch Gottes Gegenwart in der Welt kommt immer wieder zum Durchbruch. Gott sendet seine Boten, um die Menschen in seine liebende Nähe zu rufen.
Schließlich sendet er seinen Sohn, wird selbst Mensch - und gibt sich in die Hände der Menschen, lässt sich von ihrem Hass töten, aber kann auch viele mit seiner Liebe beschenken.

Das Wort Gottes, Jesus Christus unser Herr, ist wegen seiner übergroßen Liebe das geworden, was wir sind, damit er uns zu dem mache, was er selber ist. (Irenäus von Lyon)

Was in der Schöpfung des Menschen begonnen hat, erreicht nun seinen Höhepunkt. Gott zeigt, dass er es ernst meint mit dem Menschen, zeigt dem Menschen was es heißt, Gottes Ebenbild zu sein. Papst Leo der Große ruft den Menschen zu:

Christ, erkenne deine Würde! Du bist der göttlichen Natur teilhaftig geworden, kehre nicht zu der alten Erbärmlichkeit zurück und lebe nicht unter deiner Würde. Denk an das Haupt und den Leib, dem du als Glied angehörst! Unterwirf dich nicht wieder der Knechtschaft Satans; denn der Preis für deine Freiheit ist das Blut Christi. (Leo der Große)

Darum hat die Kirche den Gedenktag von Adam und Eva auf den heutigen Tag gelegt, weil sie uns deutlich machen will, dass in dieser Nacht Gottes Schöpfungswille, der den Menschen als Gottes Ebenbild gewollt hat, auf ganz neue Weise zum Durchbruch kommt und Wirklichkeit wird. Gottes Liebe will nicht den Tod des Menschen, sondern dass er lebt. So erhalten auch Adam und Eva Anteil an der Erlösung durch Jesus Christus - viele Osterikonen der Ostkirche zeigen den Auferstandenen, wie er Adam und Eva bei der Hand fasst und aus den Gräbern holt. Gottes Liebe findet immer einen Weg zu den Menschen - bis heute.

Mein Erlöser,
du lebendiges und nicht im Tode verbliebenes Opfer,
als Gott hast du dich selbst dem Vater dargebracht
und mit auferweckt Adam, den Urahnen aller,
du Auferstandener aus dem Grabe!
(Gebet der Ostkirche)


Adam und Eva
Als sie an den Schritten hörten, dass sich Gott, der Herr, beim Tagwind im Garten erging, versteckten sich der Mensch und seine Frau vor Gott, dem Herrn, inmitten der Bäume des Gartens. Aber Gott, der Herr, rief nach dem Menschen und sprach zu ihm: Wo bist du? (Gen 3,8-9)

Mensch - wo bist du? Das verzweifelte Suchen Gottes nach dem Menschen durchzieht die gesamte Menschheitsgeschichte. Gott hat den Menschen immer wieder gerufen, das Alte Testament kennt die großen Hörer des Rufes Gottes, Henoch, Noach, Abraham, Mose, Samuel, David, die Propheten, um nur einige von ihnen zu nennen. Der Mensch aber geht immer wieder eigene Wege und missachtet das Gebot Gottes, das ihm das Leben sichern soll. Dafür steht symbolisch der Schöpfungsmythos am Beginn des Buches Genesis.
Das Verhältnis zwischen Gott und Mensch ist in erster Linie ein gestörtes Verhältnis. Das Suchen Gottes nach dem Menschen ist oft einseitig. Gott hat dem Menschen die Erde anvertraut, hat den Menschen daraufhin angelegt, im Einklang mit seiner Umwelt zu leben, der Mensch aber will immer mehr, will seinen Besitz auf Kosten anderer und der Umwelt immer weiter anhäufen und macht damit das kaputt, was Gott so schön und gut gemacht hat.
An Weihnachten findet das Suchen Gottes nach dem Menschen seinen Höhepunkt. Gott selbst wird Mensch und zwar in erschreckend einfachen Verhältnissen. Nicht in einem Haus der großen Religionsführer, etwa in der Familie eines der Hohenpriester oder Schriftgelehrten, die ihre Macht und ihren Reichtum damit rechtfertigen, dass sie ja der Größe des Gottes, dem sie dienen, dadurch Ausdruck verleihen müssen - und damit Gott selbst verhöhnen, der die seligpreist, die arm sind vor Gott.
Gott wird Mensch im Schoß einer Frau, die in den Augen der Welt nicht groß und mächtig ist, die keinen großen materiellen Reichtum besitzt, die aber reich ist vor Gott, weil sie von Kindheit an Gott sucht. Die Größe Mariens besteht darin, dass ihr Herz voll ist von der Liebe zu Gott und dass sie bereit ist, auf Gottes Stimme zu hören. Das ist kein Reichtum, der nur wenigen Privilegierten offen steht und der auf Kosten anderer geht. Diesen Reichtum kann jeder Mensch erwerben. Jesus wird uns in seinem Leben und in seinen Worten zeigen, wie das geht.
Weihnachten zeigt uns, dass es ein Irrweg ist, wenn wir meinen, wir müssten Gott damit dienen, dass wir ihm große Bauten errichten, in denen wir seine Herrlichkeit in goldenen Utensilien anschaulich machen. Ja, Gott ist mächtig und ihm gebührt die Ehre, aber er selbst zeigt uns, wie sich diese Ehre zeigt, im Lächeln des Kindes von Betlehem, dessen Hände offen und leer sind, in dessen Herzen aber die Fülle der Gottheit wohnt.
Mensch - wo bist du? Heute müssen wir uns zunächst einmal damit auseinandersetzen, dass viele gar nicht mehr daran glauben, dass es einen Gott gibt, der diese Frage stellt. Braucht der Mensch einen Gott, der nach ihm sucht? Wir wissen, dass die Geschichte vom Paradies ein Mythos ist. Aber wir glauben, dass Gott irgendwie an der Erschaffung der Welt und des Menschen mitgewirkt hat. Wie, das wissen wir nicht. Wir wissen heute viel über die Jahrmillionen, in denen sich das Universum entwickelt hat, die Erde zu dem Planeten wurde, wie wir sie heute kennen und dann schließlich das Leben hier entstanden ist. Aber doch liegt vieles im Dunkeln. Mit unseren heutigen wissenschaftlichen Methoden kommen wir zwar sehr nahe an den Zeitpunkt heran, als das Universum entstanden ist, aber der Zeitpunkt seines Entstehens bleibt uns unzugänglich. Wir wissen viel über das Leben, aber wie höhere Lebensformen und schließlich auch der Geist des Menschen entstanden sind, können wir nicht mit absoluter Sicherheit sagen.
Es bleibt auch in unserer hochtechnisierten Welt noch Platz für Gott. Zwar gibt es keinen Platz mehr für die Götter, die sich die Menschen gemacht haben, um mit ihnen die Sterne und Planeten zu besetzen oder die Naturgewalten zu erklären. Es gibt auch keinen Platz mehr für die Götter des Schicksals, denen die Menschen die unerklärlichen Ereignisse in ihrem Leben zugeschrieben haben. Aber es gibt einen Platz für einen Gott, der im Herzen des Menschen wohnt, der ihm nahe ist und der das Suchen des Menschen nach Erkenntnis, Liebe und Lebenssinn begleitet.
Jeder Mensch muss selbst herausfinden, ob es in seinem Leben einen Platz gibt für diesen Gott. Wer aber bereit ist, sich auf diesen Gott einzulassen, der wird seinen Ruf nach dem Menschen hören. Und wer dann antwortet: Hier bin ich, Herr!, der wird mehr über diesen Gott erfahren. Er wird verstehen, wie jemand, der sich so klein macht wie ein Kind, doch stärker sein kann als die Mächtigen dieser Welt, er wird verstehen, wie jemand, der schenkt, mehr haben kann, als die Reichen dieser Welt, und er wird eine Liebe erfahren, wie sie die Welt nicht geben kann.

Mensch - wo bist du?
Hier bin ich Herr!
Ich habe dich gesehen im Stall von Betlehem.
Ich irrte durch die Nacht und sah ein Licht.
Ich trat hinzu und spürte eine Nähe
in den Augen dieses Kindes das mich anblickte.
Jetzt weiß ich, Gott, wie sehr du dich nach mir sehnst.
Lass mich den Weg mit dir gehen, den Weg hinein ins Leben.
Amen.