Österliche Bußzeit

5.Fastensonntag A

Erste Lesung

Ez 37,12b-14

So spricht Gott, der Herr: Ich öffne eure Gräber und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf. Ich bringe euch zurück in das Land Israel. Wenn ich eure Gräber öffne und euch, mein Volk, aus euren Gräbern heraufhole, dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin. Ich hauche euch meinen Geist ein, dann werdet ihr lebendig, und ich bringe euch wieder in euer Land. Dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin. Ich habe gesprochen, und ich führe es aus - Spruch des Herrn.

Zweite Lesung

Röm 8,8-11

Wer vom Fleisch bestimmt ist, kann Gott nicht gefallen. Ihr aber seid nicht vom Fleisch, sondern vom Geist bestimmt, da ja der Geist Gottes in euch wohnt. Wer den Geist Christi nicht hat, der gehört nicht zu ihm.
Wenn Christus in euch ist, dann ist zwar der Leib tot aufgrund der Sünde, der Geist aber ist Leben aufgrund der Gerechtigkeit. Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt.

Evangelium

Joh 11,1-45

Ein Mann war krank, Lazarus aus Betanien, dem Dorf, in dem Maria und ihre Schwester Marta wohnten. Maria ist die, die den Herrn mit Öl gesalbt und seine Füße mit ihrem Haar abgetrocknet hat; deren Bruder Lazarus war krank. Daher sandten die Schwestern Jesus die Nachricht: Herr, dein Freund ist krank.
Als Jesus das hörte, sagte er: Diese Krankheit wird nicht zum Tod führen, sondern dient der Verherrlichung Gottes: Durch sie soll der Sohn Gottes verherrlicht werden.
Denn Jesus liebte Marta, ihre Schwester und Lazarus. Als er hörte, dass Lazarus krank war, blieb er noch zwei Tage an dem Ort, wo er sich aufhielt. Danach sagte er zu den Jüngern: Lasst uns wieder nach Judäa gehen.
Die Jünger entgegneten ihm: Rabbi, eben noch wollten dich die Juden steinigen, und du gehst wieder dorthin?
Jesus antwortete: Hat der Tag nicht zwölf Stunden? Wenn jemand am Tag umhergeht, stößt er nicht an, weil er das Licht dieser Welt sieht; wenn aber jemand in der Nacht umhergeht, stößt er an, weil das Licht nicht in ihm ist. So sprach er. Dann sagte er zu ihnen: Lazarus, unser Freund, schläft; aber ich gehe hin, um ihn aufzuwecken.
Da sagten die Jünger zu ihm: Herr, wenn er schläft, dann wird er gesund werden. Jesus hatte aber von seinem Tod gesprochen, während sie meinten, er spreche von dem gewöhnlichen Schlaf.
Darauf sagte ihnen Jesus unverhüllt: Lazarus ist gestorben. Und ich freue mich für euch, dass ich nicht dort war; denn ich will, dass ihr glaubt. Doch wir wollen zu ihm gehen.
Da sagte Thomas, genannt Didymus - Zwilling -, zu den anderen Jüngern: Dann lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben.
Als Jesus ankam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grab liegen. Betanien war nahe bei Jerusalem, etwa fünfzehn Stadien entfernt. Viele Juden waren zu Marta und Maria gekommen, um sie wegen ihres Bruders zu trösten. Als Marta hörte, dass Jesus komme, ging sie ihm entgegen, Maria aber blieb im Haus. Marta sagte zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben. Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben.
Jesus sagte zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen.
Marta sagte zu ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Letzten Tag.
Jesus erwiderte ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das?
Marta antwortete ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.


Nach diesen Worten ging sie weg, rief heimlich ihre Schwester Maria und sagte zu ihr: Der Meister ist da und lässt dich rufen. Als Maria das hörte, stand sie sofort auf und ging zu ihm. Denn Jesus war noch nicht in das Dorf gekommen; er war noch dort, wo ihn Marta getroffen hatte. Die Juden, die bei Maria im Haus waren und sie trösteten, sahen, dass sie plötzlich aufstand und hinausging. Da folgten sie ihr, weil sie meinten, sie gehe zum Grab, um dort zu weinen. Als Maria dorthin kam, wo Jesus war, und ihn sah, fiel sie ihm zu Füßen und sagte zu ihm: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.
Als Jesus sah, wie sie weinte und wie auch die Juden weinten, die mit ihr gekommen waren, war er im Innersten erregt und erschüttert. Er sagte: Wo habt ihr ihn bestattet? Sie antworteten ihm: Herr, komm und sieh! Da weinte Jesus.
Die Juden sagten: Seht, wie lieb er ihn hatte! Einige aber sagten: Wenn er dem Blinden die Augen geöffnet hat, hätte er dann nicht auch verhindern können, dass dieser hier starb?
Da wurde Jesus wiederum innerlich erregt, und er ging zum Grab. Es war eine Höhle, die mit einem Stein verschlossen war. Jesus sagte: Nehmt den Stein weg! Marta, die Schwester des Verstorbenen, entgegnete ihm: Herr, er riecht aber schon, denn es ist bereits der vierte Tag.
Jesus sagte zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?
Da nahmen sie den Stein weg. Jesus aber erhob seine Augen und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich wusste, dass du mich immer erhörst; aber wegen der Menge, die um mich herum steht, habe ich es gesagt; denn sie sollen glauben, dass du mich gesandt hast.
Nachdem er dies gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! Da kam der Verstorbene heraus; seine Füße und Hände waren mit Binden umwickelt, und sein Gesicht war mit einem Schweißtuch verhüllt. Jesus sagte zu ihnen: Löst ihm die Binden, und lasst ihn weggehen!
Viele der Juden, die zu Maria gekommen waren und gesehen hatten, was Jesus getan hatte, kamen zum Glauben an ihn.
Lazarus

Die Vision des Ezechiel

So spricht Gott, der Herr: Ich öffne eure Gräber und hole euch, mein Volk, aus euren Gräbern herauf. Ich bringe euch zurück in das Land Israel. Wenn ich eure Gräber öffne und euch, mein Volk, aus euren Gräbern heraufhole, dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin. Ich hauche euch meinen Geist ein, dann werdet ihr lebendig und ich bringe euch wieder in euer Land. Dann werdet ihr erkennen, dass ich der Herr bin. Ich habe gesprochen und ich führe es aus - Spruch des Herrn. (Ez 37,12-14)

Der Prophet Ezechiel hat eine Vision. Der Herr führt ihn in eine Ebene voller Gebeine, ausgetrockneter Gebeine. Es erinnert uns an ein Schlachtfeld, in dem Leichen verstreut liegen. Ein erschütterndes Bild. Es ist das Bild für das Volk Israel in der Verbannung in Babylon. Das Volk siecht dahin. Die Menschen leben, aber sie sind wie tot. Trauer über den Verlust ihrer Heimat, Hoffnungslosigkeit angesichts des Lebens in der Fremde.
Ein Bild zugleich für die Vielen zu allen Zeiten, denen die Lebensfreude abhandengekommen ist, die nichts mit ihrem Leben anzufangen wissen, die von einem Schicksalsschlag gezeichnet sind und keine Hoffnung mehr haben. Ausgetrocknet, innerlich verdorrt. Wie können solche Menschen wieder zum Leben finden? Fromme Sprüche helfen da wenig.
Gottes Geist vermag die vertrockneten Gebeine mit neuem Leben zu erfüllen, kann den Hoffnungslosen neuen Lebensmut geben. Gottes Geist wirkt machtvoll, dort wo kein Mensch mehr helfen kann. Gott wirkt. Gott schaut nicht von fern dem Elend der Menschen zu und bleibt abseits stehen. Gott greift ein. Gott gibt den Lebensgeist, macht die Gebeine lebendig mit Sehnen, Fleisch und Haut. Er schenkt erneut den Lebensatem, mit dem er schon den ersten Menschen lebendig gemacht hat.
Gott ist ein Gott des Lebens, ein Gott, der Leben schenkt, ein Gott, der den Tod besiegt, ein Gott, der den Menschen nicht im Stich lässt. Gott greift ein. Gott wirkt. Mit diesem Wirken Gottes dürfen wir immer rechnen.
Der Lebensquell des Volkes Israel ist der Glaube an den einen Gott und die Freude daran, im verheißenen Land zu leben. Beides war durch das Exil in Babylon in Frage gestellt worden. Gott schien sein Volk verlassen zu haben. Er hat es nicht vor den Feinden beschützt. Die Feinde haben das Volk Israel seines Landes beraubt und durch die Zerstörung des Tempels auch scheinbar ihres Gottes.
Doch im Exil wird Israel eine ganz neue Erfahrung machen: Gott ist bei seinem Volk auch in der Verbannung. Gott ist unter seinem Volk gegenwärtig, auch wenn es keinen Tempel mehr besitzt, in dessen Allerheiligstem das Volk sich die Gegenwart Gottes vorgestellt hat. Das heißt aber nicht, dass Heimat und Tempel verloren sind. Es wird eine Zeit kommen, in der Israel wieder in sein Land zurückkehren wird und auch den Tempel wieder aufbauen wird und Gott von neuem darin Wohnen wird.
Das Leben aus dem Geist ist nicht an Irdisches gebunden, das wird Paulus ausführlich im Römerbrief darlegen. Durch das Kommen Jesu Christi gibt Gott den Geist unbegrenzt. Jeder Mensch auf der ganzen Erde, egal, aus welchem Volk, egal aus welchem Land, kann aus dem Geist Gottes leben, wenn er an Jesus Christus glaubt und sich vom Geist Gottes leiten lässt.
Gottes Geist macht lebendig. Er macht sein Volk lebendig, das in der Verbannung in Babylon in Verzweiflung lebt, er wird auch die Kirche heute lebendig machen, die uns oft so vertrocknet und mutlos erscheint wie die Gebeine in der Vision des Ezechiel. Das kann überall dort Wirklichkeit werden, wo sich Menschen von Gottes Geist erfüllen und leiten lassen. Erbitten wir das mit dem bekannten Gebet:

Herr, erwecke deine Kirche
und fange bei mir an!
Herr, baue deine Gemeinde
und fange bei mir an!
Herr, lass Frieden überall auf Erden kommen
und fange bei mir an!
Herr, bringe deine Liebe
und Wahrheit zu allen Menschen
und fange bei mir an.
Lazarus

Leben aus dem Geist

Wer vom Fleisch bestimmt ist, kann Gott nicht gefallen. Ihr aber seid nicht vom Fleisch, sondern vom Geist bestimmt, da ja der Geist Gottes in euch wohnt. Wer den Geist Christi nicht hat, der gehört nicht zu ihm. (Röm 8,8-9)

Paulus nennt hier das Grundcharakteristikum christlichen Lebens: das Leben aus dem Geist. Das jüdische Gesetzt, über dessen Bedeutung Paulus in den vorangegangenen Kapiteln nachgedacht hat, blieb der menschlich-fleischlichen Ordnung verhaftet. Es hob den Menschen nicht über sich hinaus. Erst mit Christus ist etwas Neues geschehen. Er hat den Geist gesandt, und zwar unbegrenzt.
Zwar war Gottes Geist auch schon vorher am Werk, aber sein Wirken blieb auf einige wenige Menschen begrenzt. Der Geist wurde den Propheten und einigen anderen besonderen Menschen zuteil, aber nie dem ganzen Volk. So lesen wir im Alten Testament, dass er auch auf die Ältesten herabkam, die Mose als Stammesführer bestellt hatte.
Eine Ausnahme im Alten Testament stellt wahrscheinlich die Vision des Ezechiel dar, in der der Geist Gottes die in einer Ebene verstreuten Gebeine des Gottesvolkes neu belebt. Hier meint der Prophet die verzweifelten Israeliten in der Verbannung in Babylon, die durch Gottes Geist neue Kraft und neues Leben geschenkt bekommen. Doch das ist eine Vision. Die Wirklichkeit sah auch nach dem Ende der babylonischen Gefangenschaft anders aus. Erst Christus hat das erfüllt, was der Prophet geschaut hat. Erst mit Christus kam der Geist auf alle herab, wie wir im Neuen Testament vor allem in der Apostelgeschichte immer wieder lesen.
Das Erfüllt-Sein mit dem Heiligen Geist ist ein Wesensmerkmal der Christen. Doch ist dem auch so? Sehen wir nicht auch unter Christen das menschlich-fleischliche Element überwiegen? Schon Paulus kritisiert seine Gemeinden scharf, weil sie trotz ihrer Berufung zur Heiligkeit noch stark im Irdischen verhaftet geblieben sind, was beispielsweise erkennbar wird durch interne Streitigkeiten, Neid, Gier nach Macht und Reichtum oder einen unsittlichen Lebenswandel. Daran hat sich bis heute wenig geändert.
Ist das Leben aller Getauften aus dem Geist also nicht mehr als eine fromme Wunschvorstellung? Wie können wir Realität werden lassen, wozu wir berufen sind?

Wenn Christus in euch ist, dann ist zwar der Leib tot aufgrund der Sünde, der Geist aber ist Leben aufgrund der Gerechtigkeit. (Röm 8,10)

Die Worte des Paulus sind nicht leicht zu verstehen. Aber wir können eine Ahnung davon bekommen, was sie bedeuten. In der menschlich-fleischlichen Ordnung kümmern wir uns hauptsächlich um unseren Leib. Wir schauen darauf, dass wir einen guten Beruf haben, genug verdienen, damit wir uns auch möglichst viel leisten können und so ein möglichst komfortables Leben haben. Eine schöne Wohnung, schöne Kleidung, gutes Essen. Diese Dinge sind an sich nicht schlecht, bringen uns aber im Glauben nicht weiter, ja bergen das Risiko in sich, dass wir durch sie weiter in der Sünde verhaftet bleiben. Machen wir uns nichts vor. Unser Reichtum ist nur möglich, weil es auf der anderen Seite der Welt Armut gibt, Menschen, die sehr wenig verdienen, um das, was wir uns kaufen wollen, möglichst billig zu produzieren. Unser hoher Lebensstandard geht auf Kosten anderer Menschen und der Umwelt. Andere werden für unseren Komfort zahlen, Menschen, die schon jetzt von den Folgen des Klimawandels betroffen sind und vor allem die nachfolgenden Generationen, denen wir eine zerstörte Natur hinterlassen. Welches Wort wäre also treffender für unsere Lebensform als das Wort Sünde?
Wenn wir aus dem Geist leben, dann verlieren die Werte dieser Welt an Bedeutung. Wir können zwar auch so nicht ohne Geld leben, aber wir werden uns nur das kaufen, was wir wirklich brauchen. Aber das bestimmt nicht mehr unser Denken, es ist eine Nebensache, die uns nicht weiter beschäftigt, weil wir wissen, dass Gott uns alles geben wird, was wir brauchen, wenn wir das unsere dazu tun. Vielmehr werden wir danach streben, Gott in allem zu verherrlichen, und seine Liebe in der Welt Wirklichkeit werden zu lassen.
Somit ist, wie Paulus schreibt, unser Leib tot. Nicht, weil wir ihn abgetötet haben, sondern weil uns seine Bedürfnisse nicht mehr beschäftigen, sondern wir ihre Erfüllung quasi nebenbei erledigen, ohne dass uns die Sorge darum die ganze Zeit beschäftigt.

Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt. (Röm 8,11)

Wenn wir in der neuen Ordnung des Geistes leben, dann haben wir ein neues Leben, ein Leben, das zwar von außen her sich nicht von dem Leben anderer Menschen unterscheidet, im Inneren aber sind wir grundlegend neu gestaltet. Der alte Mensch, der dem Irdischen verpflichtet war, ist tot. Der neue Mensch lebt aus dem Geist ein Leben der Gotteskindschaft, ein Leben, das bestimmt wird von der Liebe.
Wie ein solches Leben aussieht, können wir beispielsweise in der Bergpredigt nachlesen. Der neue Mensch verlässt sich ganz auf Gott, verzichtet darauf, über andere zu richten und andere zu verurteilen und lebt ganz aus der Liebe, einer Liebe, die auch vor dem Feind nicht Halt macht. Auch wenn wir als schwache Menschen wohl nie vollkommen aus der Liebe leben können, muss dies doch unser Ziel sein. Jeden Tag können wir aufs Neue damit beginnen. Jeden Tag können wir dem Geist Gottes mehr Raum in uns verschaffen, bis er irgendwann uns ganz mit seiner Kraft erfüllt.
Wenn wir als Christen so aus dem Geist leben, dann verschaffen wir unserer Botschaft, unserem Glauben neue Glaubwürdigkeit. Dann wird es uns gelingen, die Menschen um uns wieder mit dem Feuer des Geistes anzustecken und dann wird Gottes Liebe wieder mächtig sein in dieser Welt. Bitten wir Gott um den Mut, uns von seinem Geist leiten zu lassen.

Entfache dein Feuer, Geist des auferstandenen Christus, Geist des Mitleids, Geist des Lobpreises, deine Liebe zu jedem Menschen wird nie vergehen.
Geist des lebendigen Gottes, wenn Zweifel und Zögern, dich einzulassen, alles zu verschlingen scheinen, dann bist du da, dann bist du zugegen.
Du entfachst das Feuer, das inwendig unter unserer Asche glimmt. Du nährst dieses Feuer mit unseren Anfechtungen, mit unseren Dornen, mit allem, was uns an uns selbst und bei anderen wehtut, so dass durch dich sogar die Steine unseres Herzens verglühen, du Licht in unserer Finsternis, du Morgenglanz unserer Dunkelheit.
(Frere Roger Schutz)
Lazarus

Die Auferweckung des Lazarus - Fest des Lebens

Ein Mann war krank, Lazarus aus Betanien, dem Dorf, in dem Maria und ihre Schwester Marta wohnten. Maria ist die, die den Herrn mit Öl gesalbt und seine Füße mit ihrem Haar abgetrocknet hat; deren Bruder Lazarus war krank. Daher sandten die Schwestern Jesus die Nachricht: Herr, dein Freund ist krank. (Joh 11,1-3)

Betanien ist ein kleines Dorf nahe bei Jerusalem. Dort hatte Jesus Freunde, Marta, Maria und Lazarus. Bei ihnen wird auch in den letzten Tagen vor seinem Leiden zu Gast sein. Dass Jesus Freunde hatte, zeigt uns seine menschliche Seite. Wie alle Menschen, so hatte auch Jesus Menschen um sich, bei denen er sich wohl fühlen konnte, die zu seinem engsten Freundeskreis zählten. Das waren nicht nur die Zwölf Apostel, die alles verlassen hatten, um ihm nachzufolgen, sondern auch ganz "normale" Menschen, die "in der Welt" lebten und ihrer Arbeit nachgingen. Freunde Jesu sein, das ist auch unsere Berufung. Jesus ist nicht nur Herr und Gott, sondern auch Freund der Menschen.
Maria, Marta und Lazarus kennen wir aus dem Lukasevangelium, wenn auch aus einem etwas anderen Zusammenhang. Dort sind Maria und Marta zwei Schwestern, die mit Jesus befreundet sind. Marta kümmert sich um Jesus und seine Jünger, während Maria den Worten Jesu lauscht (Lk 11,1-4). In beiden Szenen erscheint Marta die aktivere der beiden Schwestern zu sein. Lazarus hingegen ist im Lukasevangelium der Name eines armen Bettlers, der nach seinem Tod in Abrahams Schoß getragen wird (Lk 16,19-31). Auch wenn der Zusammenhang ein anderer ist, geht es in beiden Szenen um die Auferstehung.
Der nun folgende Bericht über die Auferweckung des Lazarus steht in einem engen Bezug zu Jesu Tod und Auferstehung, die nahe bevorstehen. Bald wird die Stunde da sein, in der Jesus wieder zum Vater geht. Diese Stunde wird die Stunde seines Todes sein, aber zugleich die Stunde, in der er durch seinen Tod den Tod besiegt und selbst aus dem Tod als Lebender aufersteht und dieses Leben allen schenkt, die an ihn glauben. Gerade die Auferweckung des Lazarus wird, wie wir am Ende der Geschichte hören, ein wichtiger Grund dafür sein, dass seine Gegner ihn schnellstmöglich aus dem Weg schaffen wollen.
Leben und Tod, sie liegen oft so nahe beieinander. Menschen riskieren ihr eigenes Leben, um das Leben anderer zu retten, der Tod von Müttern bei der Geburt ihrer Kinder ist keine Seltenheit. Wir fragen uns sicher oft, warum manche Menschen bei Katastrophen sterben müssen, während andere mit dem Leben davonkommen. Der Tod scheint Leben zu vernichten. Doch Jesus nimmt dem Tod seine Macht. Was das bedeutet, zeigt anschaulich die Auferweckung des Lazarus. Sie gibt einen Vorgeschmack von dem, was Erlösung bedeutet. Sie zeigt uns, dass wir als Christen den Tod nicht mehr fürchten müssen.

Als Jesus das hörte, sagte er: Diese Krankheit wird nicht zum Tod führen, sondern dient der Verherrlichung Gottes: Durch sie soll der Sohn Gottes verherrlicht werden. Denn Jesus liebte Marta, ihre Schwester und Lazarus. Als er hörte, dass Lazarus krank war, blieb er noch zwei Tage an dem Ort, wo er sich aufhielt. Danach sagte er zu den Jüngern: Lasst uns wieder nach Judäa gehen. (Joh 11,4-7)

Jesu Freunde schicken ihm die Nachricht, dass Lazarus krank ist. Doch Jesus macht es spannend. Er eilt nicht sogleich nach Betanien, um Lazarus zu heilen, sondern wartet noch zwei Tage ab. Erst am dritten Tag geht er hin und weckt Lazarus auf. Am dritten Tag wird er auch selbst auferstehen. Als Jesus dann endlich in Betanien ankommt, ist Lazarus schon vier Tage im Grab. Nach alter Tradition glaubte man, dass die Seele am dritten Tag endgültig den Körper verlässt. Daher wollen die vier Tage im Grab nichts anderes sagen, als dass ein Scheintod ausgeschlossen ist und Lazarus wirklich gestorben ist.
Diese Gelassenheit Jesu, mit der er das Sterben seines Freundes geschehen lässt, hat mich in diesem Evangelium am meisten beschäftigt. Alle anderen um ihn herum zeigen eine gewisse Aufregung. Die beiden Schwestern sind wegen des Kummers um die Krankheit und den Tod ihres Bruders ganz aufgelöst. Die Jünger sind besorgt, als sich Jesus dazu entscheidet, nach Judäa zurückzukehren. Sie wissen, dass man dort danach trachtet, ihn zu töten.
Jesus aber bleibt ruhig. Es ist die Ruhe eines Menschen, der darum weiß, dass in allem der Wille seines Vaters im Himmel geschieht und dass dieser Wille das Gute möchte. Er erkennt den tieferen Sinn hinter dem Leid, das wir oft nicht verstehen können. Das, was hier geschieht, dient der Verherrlichung Gottes.
Es bestehen viele Verbindungen zwischen der Lazarus-Geschichte und der Heilung eines Blinden, von der Johannes im 9. Kapitel berichtet hat. Dort sagt Jesus, dass die Blindheit dieses Menschen dazu dient, dass das Wirken Gottes an dem Blinden offenbar werden soll. Damals ging es um die Frage, ob die Krankheit eine Folge der Sünde ist, was Jesus entschieden verneint hat. Nun geht es um die Frage, ob Gott wirklich die Menschen liebt, wenn es doch so viel Leid und Tod in der Welt gibt.
Jesus ist selbst durch alles Leiden hindurch gegangen und hat einen qualvollen Tod erlitten. Nun gibt es kein Leid und keinen Schmerz mehr, der fern von Gott wäre. Auch wenn Gott auf dem ersten Blick nicht zu helfen scheint, dürfen wir doch sicher sein, dass er mit uns durch alle Situationen unseres Lebens geht, die guten und die schlimmen. Gott ist immer nahe, er ist immer ansprechbar, er verlässt uns nicht.
Versuchen wir, uns die Geduld Jesu zu eigen zu machen, die auf dem Vertrauen beruht, dass Gott immer das Gute will. Oft geben wir zu früh auf, und lassen so Gott nicht den Raum, uns zu helfen. Es kann sein, dass Gott von uns erwartet, manche schweren Situationen durchzustehen. Aber auch dann dürfen wir sicher sein: er ist da und in Gottes Plan gibt es einen Weg aus Leid und Not, nicht erst im Jenseits, sondern hier und jetzt.
Als sich Jesus schließlich auf den Weg nach Betanien macht, verstehen ihn seine Jünger nicht mehr. Warum begibt er sich selbst und sie in Gefahr? Es ist bereits deutlich geworden, dass die religiösen Führer in Jerusalem darauf aus sind, Jesus zu töten.

Lazarus
Die Jünger entgegneten ihm: Rabbi, eben noch wollten dich die Juden steinigen, und du gehst wieder dorthin? Jesus antwortete: Hat der Tag nicht zwölf Stunden? Wenn jemand am Tag umhergeht, stößt er nicht an, weil er das Licht dieser Welt sieht; wenn aber jemand in der Nacht umhergeht, stößt er an, weil das Licht nicht in ihm ist. So sprach er. Dann sagte er zu ihnen: Lazarus, unser Freund, schläft; aber ich gehe hin, um ihn aufzuwecken. Da sagten die Jünger zu ihm: Herr, wenn er schläft, dann wird er gesund werden. Jesus hatte aber von seinem Tod gesprochen, während sie meinten, er spreche von dem gewöhnlichen Schlaf. Darauf sagte ihnen Jesus unverhüllt: Lazarus ist gestorben. Und ich freue mich für euch, dass ich nicht dort war; denn ich will, dass ihr glaubt. Doch wir wollen zu ihm gehen. (Joh 11,8-15)

Wie in vielen Berichten des Johannesevangeliums verwendet Jesus auch hier ein Lichtwort. Noch ist es Tag. Noch kann er das Gute wirken. Noch kann er die Augen der Blinden öffnen und den Toten aus seinem Schlaf wecken. Hatten wir zunächst nur die Information, dass Lazarus krank ist, so weiß Jesus nun um seinen Tod. Er weiß auch, dass sein eigener Tod bevorsteht. Wissend begibt er sich in diese gefährliche Situation. Er hat in der Hand, was geschieht, denn es wird der Wille des Vaters sein. Die Stunde rückt näher und Jesus weicht ihr nicht aus.
Damals wie heute verstehen viele nicht, warum das so sein musste, warum Jesus sterben musste. Ist er nicht gerade dazu gekommen, das Leben zu bringen? Wenn wir seine Wunder sehen, wie er Menschen glücklich gemacht hat, wie er sie geheilt hat von körperlichen und seelischen Gebrechen, wie er Ausgestoßene in die Gemeinschaft zurückgeführt hat, wie er mit den Menschen gegessen und getrunken hat, so war das alles ein großes Fest des Lebens. Hätte es nicht immer so weiter gehen können, bis die ganze Welt glücklich bei diesem Fest des Lebens mitgefeiert hätte? Doch nun klopft der Tod an die Tür, bei Jesus und bei seinen Freunden. Der Tod hat immer noch ein gehöriges Wort mitzureden. Das Fest des Lebens wurde ohne ihn gefeiert, nun fordert er seinen Tribut, stört das Fest wie ein ungebetener Gast, den man ausgesperrt hat und der auf Rache sinnt.
Der Tod fordert seinen Tribut, er stört das Fest des Lebens, bringt die Feiernden ordentlich durcheinander, ja er wird sogar den Gastgeber herausfordern, doch am Ende wird der Tod unterliegen, seine Macht ist am Ende. Ja, er wird sich weiterhin die Menschen holen, doch halten kann er sie nicht mehr. Hat er sie einmal erwischt, so entgleiten sie sofort wieder seinen Händen. Jesus wird durch seinen Tod den Weg durch den Tod hindurch öffnen. Nach der finsteren Tür des Todes wartet das helle Tor der Auferstehung, das alle Schrecken des Todes ungeschehen macht und zu neuem Leben führt.

Da sagte Thomas, genannt Didymus - Zwilling -, zu den anderen Jüngern: Dann lasst uns mit ihm gehen, um mit ihm zu sterben. (Joh 11,16)

Spricht aus diesem Satz des Apostels Thomas nicht eine gewisse Resignation? Es ist sicher kein Zufall, dass gerade Thomas dies sagt, denn er ist es auch, der an der Auferstehung Jesu zweifeln wird und dem der Herr eigens noch einmal erscheint, um ihn von der Wirklichkeit der Auferstehung zu überzeugen. Thomas beginnt zu zweifeln und wer weiß wie viele noch mit ihm. Hatte Jesus vielleicht nur eine gewisse Zeit Glück, so dass er die Menschen begeistern konnte, ist aber letztlich auch nicht anders als die anderen Menschen, derer Glückssträhne irgendwann einmal vorbei ist? Ist nun alles zu Ende und haben sie ihre Hoffnung wieder einmal auf den Falschen gesetzt?

Als Jesus ankam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grab liegen. Betanien war nahe bei Jerusalem, etwa fünfzehn Stadien entfernt. Viele Juden waren zu Marta und Maria gekommen, um sie wegen ihres Bruders zu trösten. Als Marta hörte, dass Jesus komme, ging sie ihm entgegen, Maria aber blieb im Haus. Marta sagte zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben. Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben. (Joh 11,17-22)

Erst nach zwei Tagen hat sich Jesus auf den Weg zu seinen Freunden gemacht, zu spät, um Lazarus noch zu retten - so sehen es dessen Schwestern. Marta und Maria verstehen Jesus nicht. Obwohl er ihr Freund ist und sie ihn gut kennen, bleibt ihnen sein Handeln doch unverständlich. Sie stellen ihm die zweifelnde Frage "Warum warst du nicht hier?" Was ist das für ein Freund? Was ist das für eine Liebe? Auch die anderen Menschen verstehen Jesus nicht. "Wenn er dem Blinden die Augen geöffnet hat, hätte er dann nicht auch verhindern können, dass dieser hier starb?" Wie können wir all das Leid verstehen, das in der Welt ist? Wie können wir angesichts dieses Leids an einen Gott glauben, der Liebe ist?

Lazarus

Tod und Leid, Krankheit, der Verlust eines lieben Menschen, auch wir Christen bleiben von sogenannten Schicksalsschlägen nicht verschont. Wie oft stellen wir selbst diese Frage. Herr, wo warst du in dem Moment, als das Unglück geschehen ist? Warum hast du nicht eingegriffen, um das zu verhindern? Wir verstehen Gottes Handeln nicht.
Wo warst du Herr? Warum hast du das zugelassen? Warum ein so früher Tod? Sind wir nicht deine Freunde, wie es auch Maria, Marta und Lazarus waren? Wo ist deine Freundschaft, Herr, wo ist deine Liebe? Zeigst du dich so als unser Freund?
Wir verstehen oft Gottes Handeln nicht, sind verzweifelt. Mühsam versuchen wir, mit schweren Situationen fertig zu werden. Und da ist Jesu Wort:
Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. (Joh 11,25-26)
Herr, du sagst: Ich bin die Auferstehung, ich bin das Leben. Wer an mich glaubt wird leben, wer an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Was bedeutet das, Herr? Auch wir müssen sterben, sehen den Tod unserer Lieben, werden getroffen von Leid und Schicksalsschlägen.
Aber du führst uns den Weg hindurch, legst deine Hand auf uns wie ein Freund, sagst: Ich bin bei dir. Kein Weg ist zu dunkel, dass er nicht erhellt werden könnte von deinem Licht. Der Tod raubt uns das Leben, aber du schenkst es uns neu.
Du bist bei uns, lässt uns deine Nähe spüren, schenkst Wärme, da wo Kälte ist, Licht in der Finsternis, Leben im Tod. Wenn wir zweifelnd fragen, schenkst du uns ein Zeichen. Wir erkennen dich vielleicht nicht sofort, aber doch bist du da, lässt uns nicht allein.
Jesus, unser Freund, zeige uns das Leben, das du schenkst. Schenke uns Trost, wenn wir trauern und gib uns Hoffnung und die Kraft, aus dieser Hoffnung zu leben.
Herr, wo warst du? Diese Frage erinnert mich an die bekannte Geschichte von den Spuren im Sand. Jesus hat versprochen, alle Wege mitzugehen, aber als sich der Mensch umblickt, kann er nur eine Spur erkennen. Wo warst du Herr? Und die Antwort des Herrn ist: Ich habe dich getragen.
Von Gott getragen, auch in schweren Zeiten, in Krankheit und Leid, wie schwer fällt es uns, das zu verstehen. Wir meinen vielmehr, von Gott verlassen, von ihm im Stich gelassen zu sein. Warum hilfst du nicht, Herr? Auch Martha und Maria glauben nun nicht mehr, dass Jesus etwas tun kann. Jesus fängt zwar mit Martha ein Gespräch über die Bedeutung des Glaubens an, doch wenn wir ihre Antwort lesen, scheint es, dass sie Jesus nicht verstanden hat. Aber doch hält sie weiter zu Jesus und kündigt ihm die Freundschaft nicht auf, auch wenn sie ihn nicht verstehen kann und ihm dieses Unverständnis ganz deutlich zeigt.

Jesus sagte zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. Marta sagte zu ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Letzten Tag. Jesus erwiderte ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das? Marta antwortete ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll. (Joh 11,23-27)

Was wird sich Marta gedacht haben, als Jesus ihr angesichts des Todes ihres Bruders diesen Satz vorgelegt hat? In Jesus Christus ist das Leben. Wer an ihn glaubt, braucht den Tod nicht zu fürchten, denn der Tod ist nicht das Ende, sondern der Übergang zum neuen Leben in Christus. Aber was sagen diese Worte angesichts des Schmerzes über den Verlust eines lieben Menschen?
Doch Marta glaubt. "Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes." Es ist schon erstaunlich, dass Johannes dieses Messiasbekenntnis Marta in den Mund legt. In den anderen Evangelien kommt es dem Petrus zu, Jesus dieses Zeugnis auszustellen und er bekommt dafür die Schlüssel des Himmelreiches überreicht. Hier gibt Marta Zeugnis von Jesus. Sie legt das tiefste Bekenntnis von Jesus ab, zu dem ein Mensch fähig ist. Ja, Herr, ich glaube, dass du der Sohn Gottes bist. Ich weiß, dass alles in deiner Macht steht, ich übergebe dir mein ganzes Leben, wie du es machst, so ist es gut. Gerade in einer der schwersten Stunden ihres Lebens spricht Marta dieses Bekenntnis.
Das Leben, das Jesus verheißt, liegt nicht erst in der fernen Zukunft einer jenseitigen Welt. Jesus verheißt uns das Leben schon im hier und heute. Auferstehung ist nicht erst am Jüngsten Tag. Wenn wir an Jesus glauben, haben wir durch die Taufe schon jetzt Anteil an diesem neuen Leben. Jesus ist der Garant für dieses neue Leben. In ihm ist das Leben und durch ihn haben wir Anteil daran. Um dies zu erwirken, hat Jesus mit seinem Tod bezahlt.

Nach diesen Worten ging sie weg, rief heimlich ihre Schwester Maria und sagte zu ihr: Der Meister ist da und lässt dich rufen. Als Maria das hörte, stand sie sofort auf und ging zu ihm. Denn Jesus war noch nicht in das Dorf gekommen; er war noch dort, wo ihn Marta getroffen hatte. Die Juden, die bei Maria im Haus waren und sie trösteten, sahen, dass sie plötzlich aufstand und hinausging. Da folgten sie ihr, weil sie meinten, sie gehe zum Grab, um dort zu weinen. Als Maria dorthin kam, wo Jesus war, und ihn sah, fiel sie ihm zu Füßen und sagte zu ihm: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.
Als Jesus sah, wie sie weinte und wie auch die Juden weinten, die mit ihr gekommen waren, war er im Innersten erregt und erschüttert. Er sagte: Wo habt ihr ihn bestattet? Sie antworteten ihm: Herr, komm und sieh! Da weinte Jesus. Die Juden sagten: Seht, wie lieb er ihn hatte! Einige aber sagten: Wenn er dem Blinden die Augen geöffnet hat, hätte er dann nicht auch verhindern können, dass dieser hier starb? (Joh 11,28-38)

Marta glaubt, die Menge aber tobt. Sie braucht ein Zeichen, um zu glauben. Vielleicht ist es das, was den Herrn so traurig macht. Jesus weint. Jesus weint mit Maria, die um ihren Bruder trauert. Jesus weint mit der ganzen Trauergemeinde. Es gehört zum Menschen, dass er beim Tod eines lieben Menschen trauert. Auch wenn wir Christen glauben, dass in Jesus die Auferstehung ist und das Leben, so weiß Jesus doch um unsere Schwachheit und um unser Bedürfnis nach Trauer. Jesus trauert mit uns, er weint mit uns.
Der Glaube an die Auferstehung ist für viele Menschen zu abstrakt. Jetzt sehen wir nur den Toten. Jesus will eine Hilfe geben. Er will zeigen: Seht her, ich kann Lazarus wieder lebendig machen. Aber was ich euch zeigen will, geht tiefer. Wenn ich einen Toten wieder zum irdischen Leben erwecken kann, dann dürft ihr auch glauben, dass ich die Toten zum ewigen Leben auferwecken kann. Wie für Jesus die sichtbare körperliche Heilung stets ein Zeichen für die Wirksamkeit der unsichtbaren inneren Heilung, der Erlösung, der Vergebung der Sünden ist, so ist die sichtbare Auferweckung des Lazarus ein Zeichen dafür, dass Jesus alle Menschen aus dem Tod ins ewige Leben führt.

Lazarus
Da wurde Jesus wiederum innerlich erregt, und er ging zum Grab. Es war eine Höhle, die mit einem Stein verschlossen war. Jesus sagte: Nehmt den Stein weg! Marta, die Schwester des Verstorbenen, entgegnete ihm: Herr, er riecht aber schon, denn es ist bereits der vierte Tag.
Jesus sagte zu ihr: Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen? Da nahmen sie den Stein weg. Jesus aber erhob seine Augen und sprach: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich wusste, dass du mich immer erhörst; aber wegen der Menge, die um mich herum steht, habe ich es gesagt; denn sie sollen glauben, dass du mich gesandt hast. Nachdem er dies gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm heraus! Da kam der Verstorbene heraus; seine Füße und Hände waren mit Binden umwickelt, und sein Gesicht war mit einem Schweißtuch verhüllt. Jesus sagte zu ihnen: Löst ihm die Binden, und lasst ihn weggehen! (Joh 11,39-44)

Jesus, der bisher so gelassen gewirkt hat, ist auf einmal im Innersten erschüttert, beginnt zu weinen, als er vor dem Grab des Lazarus steht. Wir können nur ahnen, was in ihm vorgeht, wie er mit seinem Vater ringt im Gebet, wie er versucht, den Willen des Vaters zu verstehen. Und dann plötzlich ruft er den Toten aus dem Grab. Lazarus, komm heraus! Das Unerhörte geschieht. Wir spüren förmlich die Kraft dieses Rufes, die aus der tiefen Überzeugung Jesu kommt, den Willen des Vaters zu erfüllen.
Es ist der Ruf zum Leben, der an uns alle einmal ergehen wird. Sehr schön ist dieses Ereignis vertont worden. Übersetzt heißt es da: Als der Herr die weinenden Schwestern des Lazarus am Grab sah, begann er vor den Juden zu weinen und er rief: Lazarus, komm heraus! Und mit umwickelten Händen und Füßen kam der heraus, der schon vier Tage tot war.
Lazarus kommt aus dem Grab. Gott hat auf wunderbare Weise geholfen. Freilich, Lazarus musste noch einmal sterben, ihm galt der Ruf noch nicht zum ewigen Leben. Doch Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Dort wird er das Tor dieses neuen Lebens machtvoll aufstoßen.
Noch sind die Zweifel groß. Die Jünger verstehen noch nicht. Thomas zweifelt an der Kraft des Lebens. Am Karfreitag werden sich alle resigniert zurückziehen. Ist nun das Fest des Lebens, das beim Abendmahl einen so grandiosen Höhepunkt gefunden hat, nun vorbei?
Nein, es fängt nun erst so richtig an. Nun ist der Herr beim Vater im Himmel. Nun hat er das Tor des Lebens geöffnet und niemand vermag es je mehr zu schließen. Doch dieses Tor kann nur erfahren, wer zuvor durch die dunkle Tür des Todes gegangen ist. Diese steht uns immer noch drohend vor Augen und macht vielen Angst. Doch wenn in uns die sichere Hoffnung auf das neue Leben ist, so werden wir diese Angst überwinden. Dann wissen wir, dass hinter der dunklen Tür einer steht, der uns ins Licht ruft. Er ruft jeden einzelnen beim Namen. Komm heraus! Komm her zu mir in die lichtvolle Herrlichkeit ewigen Lebens und feiere mit mir das Fest, das kein Ende kennt. Wir dürfen gläubig darauf vertrauen, dass Jesus alle unsere Toten, auch uns selbst, einst von den Toten auferwecken wird. Jeden wird er bei seinem Namen rufen. "... komm heraus! Komm zum ewigen Leben bei mir im Reich meines Vaters! Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben."
Die Auferweckung des Lazarus ist kein Einzelfall, kein einmaliges Wunder. Das Leben, das Jesus verheißt, liegt nicht erst in der fernen Zukunft einer jenseitigen Welt. Jesus verheißt uns das Leben schon im hier und heute. Auferstehung ist nicht erst am Jüngsten Tag. Wenn wir an Jesus glauben, haben wir durch die Taufe schon jetzt Anteil an diesem neuen Leben.