Wir können das Geschehen des Palmsonntags unter vielerlei Aspekten betrachten. Auf der allgemeinen Seite zum Palmsonntag finden Sie Gedanken zum Palmesel, den Palmzweigen und zum feierlichen Einzug des Messias-Königs, dem das Volk sein Hosanna zurief. Weitere Gedanken finden Sie auf den Seiten zu den anderen Lesejahren Palmsonntag A und Palmsonntag B.
Normalerweise ist Jesus zu Fuß unterwegs. Er wandert in Sandalen durch das Land. Nur heute, am Palmsonntag, hören wir, dass Jesus nicht zu Fuß geht. In die heilige Stadt Jerusalem reitet er auf einem Esel. Menschen breiten ihre Kleider vor ihm aus, damit er nicht auf dem Schmutz der Straße in die Stadt einziehen muss. Wie ein König reitet er über einen festlich-bunten Teppich.
Wie einem König rufen die Menschen Jesus Heil und Segen zu. Jesus lässt den Jubel der Menge zu. So ist es Gottes Wille. Jesus weiß, dass er den Menschen Heil und Segen bringen wird. Doch dies wird anders geschehen, als es sich die Menschen ausdenken können.
Der Palmsonntag ist der letzte Sonntag der Fastenzeit. Die vollständige Benennung lautet: Palmsonntag vom Leiden Christi. Dieser Name macht deutlich, dass in der Liturgie dieses Tages zwei Aspekte verschmelzen, nämlich das Gedächtnis des Einzugs Jesu in Jerusalem und das Gedächtnis seines Leidens.
In der Liturgie ist die Zweiteilung des heutigen Tages deutlich erkennbar. Der Hauptgottesdienst beginnt mit der Feier des Einzugs Jesu nach Jerusalem. Dazu versammeln sich je nach Ortsbrauch der Priester und die Ministranten oder auch die ganze Gemeinde im Eingangsbereich der Kirche oder vor der Kirche. Dort werden die Palmzweige geweiht und das Evangelium vom Einzug Jesu nach Jerusalem gelesen. Es folgt eine Prozession oder ein feierlicher Einzug in die Kirche. Wie damals die Menschen in Jerusalem, so grüßen wir auch heute unseren Herrn und König, gehen ihm mit Palmzweigen voran und singen ihm Hymnen und Lieder.
Der Brauch einer Prozession mit Palm- oder Ölzweigen ist schon im 5. Jahrhundert in Jerusalem bekannt und hat sich bald in den Kirchen des Ostens verbreitet. Für den Westen ist die Palmprozession spätestens ab dem 8. Jahrhundert bezeugt. Im Mittelalter wurde oft auch ein Esel auf Rädern mit einer Figur des Heilands in der Prozession mitgeführt.
Jesu Selbsterniedrigung
Christus Jesus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein,
sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Phil 2,6f.
Was in der heutigen Lesung aus dem Philipper-Hymnus gesagt wird, bringt die Oration des heutigen Tages deutlich zum Ausdruck:
Allmächtiger, ewiger Gott!
Deinem Willen gehorsam,
hat unser Erlöser Fleisch angenommen,
er hat sich selbst erniedrigt
und sich unter die Schmach des Kreuzes gebeugt.
Hilf uns, dass wir ihm auf dem Weg des Leidens nachfolgen
und an seiner Auferstehung Anteil erlangen. Amen.
Jesus nahm dem Willen des Vaters gehorsam den Weg des Menschseins auf sich. Uns Menschen gleich lebte Gott als Mensch. Doch nicht strahlend wie ein reicher Fürst, sondern er stieg bis in die tiefste Tiefe des Menschseins hinab. Dort wollte er uns nahe sein.
Freiwillig nahm Jesus sein Leiden auf sich. Auch wenn es scheint, dass er im Geschehen um sein Leiden und Sterben nur der Erleidende ist, so bleibt er doch derjenige, der dieses Geschehen aktiv gestaltet, indem er es annimmt. Bereits vor seinem Weg nach Jerusalem hat Jesus sich bewusst für diesen Tod entschieden. Als er als Messias-König in Jerusalem einzog, wusste er, was ihm in dieser Stadt bevorstand. Er erfüllte die Verheißung der Propheten und tat, was der Wille des Vaters war. Auch wenn es uns unverständlich erscheinen mag, dies war der Weg, auf dem Gott das Böse besiegen wollte, um uns allen das Heil bringen zu bringen.
Wenn wir dies betrachten, so können wir erkennen, dass alles Leiden und alle Gewalt ihre Kraft verlieren. Wenn wir Ja sagen zum Leiden, so sind wir nicht mehr die passiv Leidenden, sondern dann bleiben wir selbst aktiv bei allem, was um uns geschieht. Das ist die Quelle, aus der die Märtyrer ihre Kraft schöpfen, das ist die Quelle, die bis heute vielen Menschen die Kraft gibt, oft unbeschreibliches Leid zu ertragen.
Jesus ging diesen Weg, der nicht in der Sackgasse des Leidens endete, sondern der die undurchdringlich scheinende Mauer des Leidens durchbrach und den Weg in die unbeschreibliche Freude der Auferstehung öffnete. Oft sehen wir den Weg nicht, erkennen nicht das Licht, das hinter unseren Schatten scheint. Jesus reicht uns die Hand, die blutverschmierte Hand des Gekreuzigten, doch nicht um uns ins Leiden zu ziehen, sondern um uns an dieser Hand zur Freude der Auferstehung zu führen.
Jesus nimmt uns an der Hand, um mit ihm nun in dieser Karwoche den Weg des Leidens zu gehen. Er wird diese Hand nicht loslassen, wenn er nach seinem Tod zum Vater geht, sondern nimmt uns mit in die Herrlichkeit der Auferstehung, wie er gesagt hat:
Wenn ich von der Erde erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen. (Joh 12,32)