Österliche Bußzeit

Fastenmeditation 3

Kreuz

Das Fasten ist
die Speise der Seele.
Johannes Chrysostomus

Hosea

Fastenzeit - eine Zeit, um Gottes Liebe wieder neu zu entdecken

Gott ist barmherzig. Er weist keinen ab, der sich ihm zuwendet. Er ruft die Sünder und all jene, die von den Menschen ausgestoßen und gemieden werden, in seine Gemeinschaft. Das macht Jesus deutlich, wenn er zusammen mit Zöllnern und Sündern zu Tisch sitzt. Den Pharisäern, die sich darüber empören, antwortet er:

Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Darum lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer. Denn ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten. (Mt 9,12-13)

Jesus zitiert hier den Propheten Hosea (Hos 6,6). Wie Jesus, so hält auch der Prophet Hosea dem Volk und dessen Führern den Spiegel vor Augen. Sie gehen ihre eigenen Wege und haben ihren Gott vergessen, sie leben nach ihrem eigenen Sinn und nicht nach dem Willen Gottes. Ihr Weg führt ins Verderben, in ihrer Not aber denken die Menschen an Gott und wenden sich ihm wieder zu. Sie erinnern sich an seine Barmherzigkeit und seine Gegenwart in seinem Volk, die Gott so zuverlässig erweist, wie er jeden Morgen die Sonne aufgehen lässt und Regen schenkt, der die Erde tränkt.

Kommt, wir kehren zum Herrn zurück! Denn er hat (Wunden) gerissen, er wird uns auch heilen; er hat verwundet, er wird auch verbinden. Nach zwei Tagen gibt er uns das Leben zurück, am dritten Tag richtet er uns wieder auf und wir leben vor seinem Angesicht. ... Er kommt so sicher wie das Morgenrot; er kommt zu uns wie der Regen, wie der Frühjahrsregen, der die Erde tränkt. (Hos 6,1-3)

Aber ist das die Liebe, die Gott erwartet? Kehren sie wirklich von ganzem Herzen zu ihm um? In den Worten des Propheten Hosea heißt es weiter:

Eure Liebe ist wie eine Wolke am Morgen und wie der Tau, der bald vergeht. ... Liebe will ich, nicht Schlachtopfer, Gotteserkenntnis statt Brandopfer. (Hos 6,4-6)

Kraftvolles Morgenrot und ergiebiger Frühjahrsregen stehen für die beständige Treue, die Gott schenkt und bilden einen starken Kontrast zu der flüchtigen Liebe, die Menschen Gott erweisen. Eine Wolke am Morgen ist in einem Land wie Israel kein Zeichen für den lange ersehnten Regen in der Hitze des Sommers. Die Wolke am Morgen ist sogleich verschwunden, wenn die Sonne am Himmel emporsteigt, ebenso wie der Tau, der sich über Nacht auf die Pflanzen gelegt hat. Ein kleiner Anflug von Liebe zu Gott, der bei der ersten Verlockung durch die Welt wieder verfliegt, das nützt nichts. Wer nicht an die Macht der Liebe Gottes glaubt und ihr ungeteilt folgt, hat keinen Bestand vor Gott. Diese Liebe kann durch nichts ersetzt werden, nicht durch Opfer und sonstige fromme Übungen. Wo die Liebe fehlt, wird alles wertlos, die Liebe aber lässt jedes noch so kleine Werk und Opfer vor Gott glänzen.
Gottes Liebe hat die Kraft, sein Volk zu retten, sie hat die Kraft, einen Sünder, selbst einen, der seinen Gott und sein Volk verraten hat, wieder als vollgültigen Mitbürger des Reiches Gottes einzusetzen. Die Wege Gottes sind unergründlich. Wir können ihnen nur folgen, wenn wir immer wieder neu bereit sind, uns von der Größe der Liebe Gottes überraschen zu lassen. Wer dieser Liebe folgen will, muss bereit sein, das aufzugeben, was dieser Liebe entgegensteht und sich immer neu von Gottes Liebe und Barmherzigkeit beschenken zu lassen.
Herr, hilf mir immer wieder dabei, umzukehren und lass mich nie an der Macht deiner Liebe zweifeln.

Kostbar

Fasten ist Begegnung

1. Ich schaue mich an

Die Fastenzeit soll uns helfen, dass wir zu einer neuen Beziehung finden zu Gott, zu unserem Nächsten und zu uns selbst.
Bevor wir aber anfangen, etwas an uns verändern zu wollen, müssen wir erst einmal darauf schauen, wie es jetzt ist. Ich schaue ehrlich mein Leben an. Dabei entdecke ich Stärken und Schwächen an mir. Ich bin weder perfekt noch ganz schlecht. Kein Mensch ist perfekt. Jeder darf auch seine schwachen Seiten haben. Oft braucht es Mut, diese Schwachpunkte anzusehen.
Ich darf stolz sein auf das, was ich schon erreicht habe. Jeder Mensch braucht aber auch immer ein Ziel, auf das hin er sich ausstrecken kann. Es ist eine große Gefahr, sich auf dem Erreichten auszuruhen und es sich gemütlich einzurichten.
Ich möchte mir am Beginn dieser Fastenzeit bewusst ein Ziel setzen, auf das hin ich mich ausstrecke. Das muss nichts Großes sein. Es kann auch eine Kleinigkeit sein, etwas, das ich schon lange einmal anpacken wollte.

Herr, gib mir den Mut,
ehrlich auf mein Leben zu blicken.
Zeige mir, was ich anpacken muss,
damit ich in meinem Leben
der Fülle der Freude näher komme,
die du mir schenken willst.

2. Von Gott angesehen

Mit meinen Stärken und meinen Schwächen bin ich nicht allein. Gott sieht mein Leben. Er liebt mich, weil ich vor ihm unendlich kostbar und wertvoll bin.
Gott liebt mich so wie ich bin. Er kennt mich durch und durch, viel besser, als ich selbst mich kenne. Und doch möchte ich manches an mir vor Gott verstecken, weil ich denke, dass dieser Teil von mir nicht wert ist, von Gott gesehen zu werden.
Wir brauchen aber nichts vor Gott zu verstecken, nichts haben wir vor uns oder vor Gott zu verbergen. Schauen wir ehrlich auf uns selbst, lassen wir zu, dass Gott uns so sehen darf, wie wir wirklich sind.
Das kann schmerzhaft sein, aber nur so können wir wachsen. Haben wir Vertrauen in Gottes Barmherzigkeit. Durch sie vermehrt Gott die Liebe in uns.

Herr!
Du hast mich erforscht und erkannt.
Du erkennst mein Sitzen und Stehen.
Du merkst mein Denken von fern.
Erforsche mich, Gott, dass mein Herz du erkennst, prüfe mich, dass meine Sorgen du kennst!
Sieh her, ob ich auf dem Weg der Kränkung geh, und führ mich auf dem Wege der Vorzeit!
(Psalm 139, 1f.23f nach F. Stier)
Sehnsucht

3. Sehnsucht wecken

Ich bin wertvoll vor Gott. Ich bin wichtig für Gott und er hat einen Plan mit mir. Vielleicht habe ich noch keine Ahnung davon, was Gott von mir will, vielleicht weiß ich es und sträube mich dagegen, es anzunehmen, vielleicht aber kenne ich einfach nur noch nicht den richtigen Weg.
Ich muss verstehen lernen, dass das, was Gott von mir will, genau das ist, was mich selbst am meisten glücklich macht und meine Sehnsucht wirklich stillt. Gott zeigt mir dieses Ziel meiner Sehnsucht, wenn ich ehrlich und offen zu mir selbst bin.
Wenn ich nichts erkennen kann, wonach sich mein Herz sehnt, dann ist es vielleicht der wichtigste Vorsatz in dieser Fastenzeit, in meinem Herzen die Sehnsucht zu wecken.
Gott verspricht, dass er uns das schenkt, wonach wir uns von ganzem Herzen sehnen. Wie aber soll uns Gott beschenken, wenn wir selbst nicht wissen, was wir wollen?
Bitten wir Gott um diese Sehnsucht. Bitten wir Gott darum, dass wir erkennen, wozu wir von ihm geschaffen sind. Bitten wir Gott darum, dass wir immer die Sehnsucht nach dem Ziel unseres Lebens im Herzen tragen.

Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, Gott, nach dir.
Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und Gottes Antlitz schauen? Ps 43,2f)
Weg zur Freiheit

4.Weg zur Freiheit

Die Fastenzeit will uns helfen, dem Ziel unserer Sehnsucht näher zu kommen. Der Verzicht auf manche Annehmlichkeiten hilft uns bei der Befreiung von falschen Abhängigkeiten.
Doch nur, wenn ich ein Ziel vor Augen habe, kann der Verzicht seine positive Kraft entfalten. Ich muss wissen, wozu ich das alles mache. Ich muss die Freiheit nutzen, die entsteht, wenn ich meine Fesseln durchbreche.
Ein Wegweiser zur Freiheit der Kinder Gottes sind uns die Zehn Gebote. Sie schenkt Gott dem Volk Israel, nachdem er es aus der Sklaverei in Ägypten geführt hat. Sie sollen dem Volk helfen, die erlangte Freiheit zu bewahren. Auch uns können die Zehn Gebote helfen, zur Freiheit zu finden.

Guter Gott, ich will in dieser Fastenzeit dem Ziel meiner Sehnsucht näher kommen. Dafür bin ich bereit, auf manches zu verzichten. Hilf mir, dadurch zu größerer Freiheit zu gelangen und diese Freiheit in rechter Weise nutzen. Lass mich stets mein Ziel vor Augen haben und mit deiner Hilfe dorthin gelangen - Schritt für Schritt.

Unser Mühen und Gottes Geschenk

Bei all unseren Anstrengungen, ein gutes Leben zu führen, die wir nun in der Fastenzeit vielleicht wieder etwas verstärken, müssen und dürfen wir immer wieder auf die Hilfe Gottes vertrauen. Für Gott kommt es vor allem darauf an, dass wir gut sein wollen. Er weiß, dass wir es allein nicht schaffen. Manchmal scheitern wir immer wieder am selben Punkt, fallen immer wieder an der gleichen Stelle. Doch irgendwann wird Jesus uns schenken, dass wir das schaffen, was wir wirklich wollen. Dazu sagt die Kleine Therese von Lisieux:

In einem Augenblick hatte Jesus vollbracht, was mir in zehnjähriger Anstrengung nicht gelungen war, er begnügte sich mit meinem guten Willen, an dem es mir nie fehlte. Wie die Apostel konnte ich ihm sagen: "Herr, ich habe die ganze Nacht gefischt und nichts gefangen." (Lk 5,5) Noch barmherziger gegenüber mir als gegenüber seinen Jüngern nahm Jesus Selbst das Netz, warf es aus und zog es gefüllt mit Fischen wieder ein.
Hand Gottes
Wenn du Gott nicht brauchst,
sei ganz ruhig:
Er wird dich in Ruhe lassen
und sich nicht aufdrängen.
Er respektiert
deine "Zufriedenheit" ...
Aber ist es nicht schlimm, sich
mit dem Nichts zu begnügen?
Wenn du mehr willst,
wenn du auf der Suche bist und
das Gespür hast, dass das Leben
mehr ist als Arbeit,
Konsum und Vergnügen,
wenn du jemanden suchst
auf den du voll und ganz
vertrauen kannst,
dann sage ich dir:
Ja, es gibt Gott.
Er ist dir ganz nahe,
er kennt dich und liebt dich
noch bevor du
nach ihm zu fragen anfängst.
Wenn du es willst,
führt er dich den Weg,
dass du zu ihm findest.
Und darin findet dein Leben
seine Erfüllung:
dass du jemandem begegnest,
der größer ist als du
und dem du dich ganz hingibst:
Gott.
Das Fasten ist die Speise der Seele.
Wie die körperliche Speise stärkt,
so macht das Fasten die Seele kräftiger
und verschafft ihr bewegliche Flügel,
hebt sie empor und lässt sie
über himmlische Dinge nachdenken.
Johannes Chrysostomus