2. Fastensonntag

Verklärung des Herrn

Tabor

Am zweiten Fastensonntag hören wir das Evangelium von der Verklärung des Herrn. Dieses Geheimnis wird auf dieser Seite näher betrachtet. Die Texte der drei synoptischen Evangelien zur Verklärung des Herrn sowie weitere Gedanken zu den Lesungen des zweiten Fastensonntags finden Sie dem Lesejahr entsprechend unter 2.Fastensonntag A, 2.Fastensonntag B und 2.Fastensonntag C. Weitere Texte zur Verklärung des Herrn finden Sie auch unter dem Fest Verklärung des Herrn.

Von denen, die hier stehen, werden einige den Tod nicht erleiden, bis sie das Reich Gottes gesehen haben. (Lk 9,27)

Bei allen drei synoptischen Evangelien geht der Verklärung des Herrn das Messiasbekenntnis des Petrus voraus. Jesus fragt seine Jünger, für wen ihn die Menschen halten. Dann fragt er die Jünger, für wen sie ihn halten, und Petrus antwortet im Namen aller: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.
Was aber bedeutet dieses Bekenntnis, dass Jesus der Sohn Gottes ist? Die Jünger haben das von Jesus wohl gehört, dass er Gottes Sohn und Gott ist, aber sie haben noch nicht verstanden. Denn als Jesus ihnen gleich nach diesem fulminanten Wort des Petrus von der Notwendigkeit seines Leidens und Sterbens erzählt, ist es wieder Petrus, der die Gedanken aller ausspricht: Das soll Gott verhüten.
Doch Gottes Heilsplan erfüllt sich gerade in der größten Erniedrigung des Sohnes Gottes. Wer das nicht verstehen will, der ist ein Gottesleugner, dem Satan gleich. Aber wir kann ein Mensch dass begreifen, dass Gottes Liebe einen solchen Weg geht, um den Menschen zu erlösen, dass Gott nicht durch seine Macht, sondern gerade in seiner Ohnmacht die Welt rettet?
Das Ereignis der Verklärung des Herrn soll den Jüngern, zumindest den drei wichtigsten unter ihnen, eine Hilfe sein, das Wesen Jesu Christi zu verstehen. Ihnen, die bisher nur die menschliche Seite Jesu Christi kannten, wird ein Blick auf seine göttliche Natur gewährt.

Jesus nahm Petrus, Johannes und Jakobus beiseite und stieg mit ihnen auf einen Berg. (Lk 9,28)
Tabor

Nur drei seiner Apostel nimmt Jesus mit auf den Berg. Nur ihnen wird zuteil, Jesus in seiner himmlischen Herrlichkeit zu sehen. Warum Jesus gerade diese drei Jünger mit auf den Berg nimmt, erklärt Johannes von Damaskus folgendermaßen:

Jesus nimmt drei mit hinauf, denn jedes Wort muss von zwei oder drei Zeugen bestätigt werden. Den Petrus nimmt er mit, damit ihm das Zeugnis, das er von ihm ablegt hat, durch das Zeugnis des Vaters bestätigt wird. Auch im Hinblick auf seine künftige Aufgabe als Vorsteher der ganzen Kirche nimmt er ihn mit. Den Jakobus nimmt er mit, weil er als Erster von allen Aposteln für Christus sterben wird. Den Johannes aber nimmt er mit als reinstes Werkzeug der Theologie, dass er, wenn er die Herrlichkeit des Sohnes geschaut hat, die der Zeit nicht unterworfen ist, erklingen lässt: Im Anfang war das Wort.

Der Berg, auf den sie steigen, wird in keinem der Evangelien genannt, die Tradition sieht aber den Berg Tabor als den Berg der Verklärung an. Wer schon einmal auf dem Tabor gewesen ist, wird verstehen, warum. Er ist ein beeindruckender Berg, der die umliegenden Hügel weit überragt. Man bekommt auf ihm ein Gefühl der Weite und ein Gespür für die Gegenwart Gottes.
Berge sind seit jeher Orte der Gottesbegegnung. Mose ist erhält auf dem Berg die Tafeln der Gebote von Gott und Elija erfährt das Vorüberziehen Gottes in der Höhle auf dem Berg. Auf einem Berg bekommen wir eine ganz neue Perspektive. Was uns beengt, fällt von uns ab und unser Blick weitet sich. Sehen wir auch die Fastenzeit als eine Art Bergwanderung mit Jesus. Lassen wir uns von ihm führen und seien wir gespannt, welche neuen Ausblicke er für uns öffnet.
Auch den drei Jüngern eröffnet Jesus auf dem Berg eine ganz neue Perspektive:

Er führte sie auf den Berg, um ihnen zu zeigen, dass er Gottes Sohn ist, der vor aller Zeit vom Vater erzeugt wurde, am Ende der bestimmten Zeit aus der Jungfrau Fleisch annahm und, wie er selbst wusste, ohne Zeugung und auf unaussprechliche Weise geboren wurde, indem er die Jungfrauschaft seiner Mutter unversehrt bewahrte. ... Er führte sie auf den Berg, um ihnen die Herrlichkeit der Gottheit zu zeigen und ihnen kund zu tun, dass er der Erlöser Israels ist, wie er es durch die Propheten geoffenbart hatte, damit sie nicht an ihm Anstoß nehmen, wenn sie seine freiwilligen Leiden sehen, die er als Mensch für uns erduldet hat.
Sie kannten ihn nämlich nur als Menschen und wussten nicht, dass er Gott ist. Sie kannten ihn als den Sohn Mariens, als einen Menschen, der mit ihnen in der Welt umherwandelte, aber auf dem Berg tat er ihnen kund, dass er Gottes Sohn und Gott ist. Sie sahen ihn essen und trinken, müde werden und ausruhen, schläfrig werden und schlafen, sich fürchten und schwitzen. All dies entsprach nicht der Natur seiner Gottheit, sondern nur seiner Menschheit. Daher führte er sie auf den Berg, damit der Vater ihn den Sohn nennt und ihnen zeigt, dass er in Wahrheit sein Sohn und Gott ist.
Tabor
Er führte sie auf den Berg und zeigte ihnen sein Reich vor seinem Leiden und seine Macht vor seinem Tod und seine Herrlichkeit vor seiner Beschimpfung und seine Ehre vor seiner Entehrung, damit sie, wenn er von den Juden gefangen und gekreuzigt wird, erkennen, dass er nicht aus Schwäche gekreuzigt worden ist, sondern aus freiem Willen, weil es ihm so gefiel, zum Heil der Welt. Er führte sie auf den Berg und zeigte ihnen vor der Auferstehung die Herrlichkeit seiner Gottheit, damit sie, wenn er in der Herrlichkeit seiner göttlichen Natur vom Tode erstanden ist, erkennen, dass er die Herrlichkeit nicht zur Belohnung seines Leidens erhalten hat, als ob er ihrer bedurft hätte, sondern dass sie schon vor aller Zeit mit dem Vater und bei dem Vater sein eigen gewesen ist. (Ephräm der Syrer)
Jesus wurde vor ihren Augen verwandelt und seine Kleider wurden strahlend weiß und es erschien vor ihren Augen Elija und mit ihm Mose, und sie redeten mit Jesus. (Mt 17,2f)

Auf dem Berg geschieht mit Jesus etwas Außergewöhnliches, das die Jünger in Angst und Staunen versetzt. Das Aussehen Jesu verändert sich. Er strahlt in einer Klarheit, wie sie für uns Menschen unbeschreiblich ist. Göttliches Licht bricht mit seinem Glanz hinein in unsere Welt.

Zwei Sonnen erblickten dort die Jünger: eine am Himmel, wie gewöhnlich, und noch eine auf ungewöhnliche Weise, eine, die ihnen allein schien, nämlich das Angesicht des Herrn. Seine Kleider aber zeigte er weiß wie Licht, weil aus seinem ganzen Körper die Herrlichkeit seiner Gottheit hervorquoll und sein Licht allen seinen Gliedern entstrahlte; denn nicht wie bei Mose leuchtete nur äußerlich sein Fleisch in hellem Glanze, sondern die Herrlichkeit seiner Gottheit quoll aus ihm hervor. Sein Licht ging auf und blieb in ihm gesammelt, es ging nirgend anderswohin und verließ ihn nicht. Es kam ja auch nicht von anderswoher, um ihn zu verklären; es war ihm nicht etwa zu zeitweiligem Gebrauche geliehen. (Ephräm der Syrer)

Der himmlische Glanz, den die drei Apostel sehen dürfen, soll sie darauf vorbereiten, dass sie nicht an Jesus zweifeln, wenn sie ihn am Kreuz in seiner Niedrigkeit sehen werden. Jesus war vorbereitet auf das, was geschehen sollte. Die Jünger aber brauchten lange, um zu verstehen, warum der Messias leiden muss. Bis heute stehen viele mit Unverständnis vor dem Zeichen des Kreuzes. Und doch war es Gottes Wille, dass Gottes Sohn uns Menschen am Kreuz erlösen soll.

In einem Gebet der Ostkirche heißt es:

Auf dem Berg wurdest du verklärt, Christus, unser Gott.
Staunend sahen deine Jünger die Herrlichkeit deiner Gottheit.
Wenn sie dich bald am Kreuz sehen werden,
dann werden sie verstehen, dass dein Leiden freiwillig war,
und sie werden der Welt verkünden,
dass du wahrhaft der Abglanz des Vaters bist.

Mose, der Mittler des Gesetzes und Elija, der Prophet, dessen Kommen vor dem Erscheinen des Messias erwartet wird, treten auf und reden mit Jesus. Lukas präzisiert: Sie sprechen mit Jesus über sein Ende, das ihn in Jerusalem erwartet. Die drei Apostel aber sind sprachlos und verwirrt. Zugleich sind sie überwältigt, von dem was geschieht und wollen diesen Moment für immer festhalten.

Tabor
Petrus sagte zu Jesus: Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen. (Mk 9,5)
O Simon, was sagst du da? Wenn wir hier bleiben, wer erfüllt dann die Weissagung der Propheten? Wer besiegelt dann die Worte der Boten? Wer bringt dann die Geheimnisse der Gerechten zur Vollendung? ... Wenn wir hier bleiben, wer zerreißt dann die Handschrift Adams, und wer tilgt seine Schuld? Wer gibt ihm dann das Gewand der Herrlichkeit zurück? Wenn wir hier bleiben, wie soll dann geschehen, was ich dir gesagt habe? Wie soll dann die Kirche gebaut werden? Wie wirst du dann von mir die Schlüssel des Himmelreichs bekommen? Wen wirst du dann binden, wen lösen? Wenn wir hier bleiben, wird alles, was durch die Propheten gesagt wurde, ohne Erfüllung bleiben. (Ephräm der Syrer)

Auch wenn Petrus und die anderen beiden Jünger vor Angst und Schrecken ganz benommen sind, spüren sie doch den Segen, der von dem göttlichen Licht ausgeht. Aber dieser Moment des höchsten Glücks kann hier auf Erden nicht ewig dauern. Wir Menschen können hier auf Erden die schönen Augenblicke nicht festhalten. Wir müssen weitergehen. Auf Tage des Glücks folgen Tage der Schmerzen, doch auch diese werden wieder vergehen. Wir dürfen uns an unserem Glück freuen, aber wir sollten nie vergessen, dass es vergänglich ist. Es gilt, die Prüfungen zu meistern, die diese Welt uns stellt. Die Erinnerung an die schönen Momente kann uns Kraft geben in dunklen Stunden, das Licht der Verklärung kann hineinleuchten in die dunklen Tage und uns helfen, sie zu überstehen.
Johannes von Damaskus sagt:

Erstrebe nicht vor der Zeit die Glückseligkeit. Es wird eine Zeit kommen, in der du den Anblick der Herrlichkeit unaufhörlich wahrnimmst, und du wirst bei dem wohnen, der Licht und Leben ist.
Tabor

In einem Gebet der Ostkirche heißt es:

Verklärt wurdest du auf dem Berge, Christus, unser Gott,
du zeigtest deinen Jüngern die Herrlichkeit deiner Gottheit
soweit sie es fassen konnten.
Lass auch über uns Sündern dein ewiges Licht erstrahlen
auf die Fürbitte der Gottesgebärerin,
Spender des Lichtes, Ehre sei Dir.
Da kam eine Wolke und warf ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören. (Mk 9,7)

Die Wolke kündigt eine Gotteserscheinung an. Die Wolke stellt aber auch das Zelt dar, unter dem Gottes Kinder stehen. Petrus braucht keine Hütten zu bauen. Gott selbst schenkt das "Dach über dem Kopf". Die Stimme aus der Wolke ist dieselbe Stimme, die Jesus schon bei der Taufe als Sohn Gottes offenbart hat. Wie die Taufe Jesu, so ist auch die Verklärung ein zutiefst trinitarisches Geschehen. Beda Venerabilis sagt dazu:

Beachte, dass sowohl bei der Taufe des Herrn im Jordan wie auch bei seiner Verklärung auf dem Berg das Geheimnis der gesamten Dreieinigkeit verkündet wird. Denn seine Herrlichkeit, die wir bei der Taufe bekennen, werden wir bei der Auferstehung sehen. Nicht umsonst erscheint der Heilige Geist hier in einer Wolke, dort in einer Taube; denn wer jetzt in der Einfachheit des Herzens den Glauben, den er dort empfangen hat, bewahrt, der wird dann im Licht der unverstellten Sicht schauen, was er vorher geglaubt hat.
Tabor

Die Wolke wird zum Zeichen des Heiligen Geistes. Er nimmt in den Heiligen Wohnung und wird selbst die Wohnung der Heiligen. Der Schatten dieser Wolke aber bringt keine Dunkelheit.

Die Überschattung des göttlichen Geistes macht die Menschenherzen nicht dunkel, sondern offenbart Verborgenes. (Ambrosius von Mailand)
Licht, unveränderlich, o Wort,
Licht des ungezeugten Vaters,
Licht, enthüllt im Lichte,
heute schauten wir auf dem Tabor
das Licht des Vaters,
und das Licht des Geistes,
der durch sein Licht die ganze Schöpfung leitet.
(Gebet der Ostkirche)

Die Stimme des Vaters mahnt die Jünger, auf den Sohn zu hören. Im Hören auf Jesu Wort bleibt Gottes Gegenwart unter uns lebendig. Überall, wo Menschen auf Jesu Wort hören und es erfüllen, bricht Gottes Licht in unsere Zeit. Das ist das Geheimnis der Verklärung des Herrn. Zwar ist es nur ein kurzer Augenblick, in dem Jesus sich den Aposteln in seiner Herrlichkeit zeigt, doch nach seiner Auferstehung kehrt Jesus zurück in die Herrlichkeit des Vaters und bleibt uns doch allezeit nahe.
Die Fastenzeit soll uns helfen, unsere Ohren zu öffnen für das, was Gott uns sagen will und so zu Boten des Lichtes zu werden in dieser Welt.