Österliches Triduum

Karfreitag

Erste Lesung

Jes 52,13-53,12

Seht, mein Knecht hat Erfolg, er wird groß sein und hoch erhaben. Viele haben sich über ihn entsetzt, so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch, seine Gestalt war nicht mehr die eines Menschen. Jetzt aber setzt er viele Völker in Staunen, Könige müssen vor ihm verstummen. Denn was man ihnen noch nie erzählt hat, das sehen sie nun; was sie niemals hörten, das erfahren sie jetzt. Wer hat unserer Kunde geglaubt? Der Arm des Herrn - wem wurde er offenbar?
Vor seinen Augen wuchs er auf wie ein junger Spross, wie ein Wurzeltrieb aus trockenem Boden. Er hatte keine schöne und edle Gestalt, so dass wir ihn anschauen mochten. Er sah nicht so aus, dass wir Gefallen fanden an ihm. Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut. Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet; wir schätzten ihn nicht. Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt.
Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt.
Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg. Doch der Herr lud auf ihn die Schuld von uns allen. Er wurde misshandelt und niedergedrückt, aber er tat seinen Mund nicht auf. Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein Schaf angesichts seiner Scherer, so tat auch er seinen Mund nicht auf. Durch Haft und Gericht wurde er dahingerafft, doch wen kümmerte sein Geschick? Er wurde vom Land der Lebenden abgeschnitten und wegen der Verbrechen seines Volkes zu Tode getroffen. Bei den Ruchlosen gab man ihm sein Grab, bei den Verbrechern seine Ruhestätte, obwohl er kein Unrecht getan hat und kein trügerisches Wort in seinem Mund war.
Doch der Herr fand Gefallen an seinem zerschlagenen (Knecht), er rettete den, der sein Leben als Sühneopfer hingab. Er wird Nachkommen sehen und lange leben. Der Plan des Herrn wird durch ihn gelingen. Nachdem er so vieles ertrug, erblickt er das Licht. Er sättigt sich an Erkenntnis. Mein Knecht, der gerechte, macht die vielen gerecht; er lädt ihre Schuld auf sich. Deshalb gebe ich ihm seinen Anteil unter den Großen, und mit den Mächtigen teilt er die Beute, weil er sein Leben dem Tod preisgab und sich unter die Verbrecher rechnen ließ. Denn er trug die Sünden von vielen und trat für die Schuldigen ein.

Zweite Lesung

Hebr 4,14-16;5,7-9

Da wir nun einen erhabenen Hohenpriester haben, der die Himmel durchschritten hat, Jesus, den Sohn Gottes, lasst uns an dem Bekenntnis festhalten. Wir haben ja nicht einen Hohenpriester, der nicht mitfühlen könnte mit unserer Schwäche, sondern einen, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat. Lasst uns also voll Zuversicht hingehen zum Thron der Gnade, damit wir Erbarmen und Gnade finden und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit.
Als er auf Erden lebte, hat er mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht, der ihn aus dem Tod retten konnte, und er ist erhört und aus seiner Angst befreit worden. Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt, ist er für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden.

Evangelium

Passion

Am Karfreitag hören wir die Leidensgeschichte unseres Herrn nach Johannes (Joh 18,1-19,42).
Sie finden die Texte der Johannespassion auf der folgenden Seite.
Heilige Schrift

Karfreitag - Passion

Passion kommt vom lateinischen Wort pati, (er)leiden, (er)dulden. Es steckt auch das Wort passiv darin. Wenn ein Mensch leidet, dann geschieht etwas an ihm, das er nicht aktiv beeinflussen kann.
Jesus war sein Leben lang aktiv, hat gepredigt, Menschen geheilt. Am Ende seines Lebens aber leidet Jesus, er gibt sich ganz hin, übergibt sich in die Hände von Menschen. Er tut dies, weil sich darin der Wille des Vaters erfüllt. In Getsemani kämpft Jesus den inneren Kampf um die Bereitschaft zu dieser Hingabe. Als dann die Soldaten kommen, lässt er sich bereitwillig abführen.
Nun bestimmen andere, was mit Jesus geschieht, der Hohe Rat, Pilatus, die Soldaten. Jesus liefert sich ganz deren Willkür aus, läßt sich schlagen, beschimpfen und schließlich ans Kreuz nageln. Doch gerade durch das, was ihm angetan wird, erfüllt Jesus seine Sendung, den Menschen unvergängliches Heil zu schenken.
Wenn wir unser Leben anschauen, müssen wir erkennen, das wir vieles nicht aktiv bestimmen können. Mein Erleiden macht einen weit größeren Teil meines Lebens aus, als mein Handeln. So ist es für mich eine frohe Botschaft, zu wissen, dass Jesus sich dem Erleiden übergeben lässt und gerade auch durch sein Erleiden seine göttliche Aufgabe erfüllt.

Der Hohe Rat fällt ein schnelles Urteil über Jesus. Einstimmig fordern sie bei Pilatus seine Hinrichtung. Geschickt verstehen sie es, den zögernden römischen Statthalter dazu zu bringen, ihrer Bitte nachzukommen.
Nun ist Jesus als verurteilter Schwerverbrecher aller Menschenwürde beraubt. Die Soldaten können ungehindert ihren Spott mit ihm treiben. Die römische Geißelung war brutal. Die mit Knochen- und Eisenstücken versehen Peitschen rissen dem Verurteilten die Haut vom Leib. Dass die Römer Simon von Zyrene zwingen müssen, das Kreuz Jesu zu tragen, kann durchaus auch deshalb nötig gewesen sein, weil Jesus schon nach der Geißelung all seiner Kräfte beraubt war. Doch er muss noch den Weg gehen hinauf nach Golgota.
Endlich auf Golgota angekommen, geht die Qual weiter. Die Soldaten reißen ihm die Kleider vom Leib und nageln ihn an das Kreuz. Dort hängt Jesus nun, von Schmerzen und Wunden gezeichnet, zwischen zwei Räubern. Nur seine Mutter und einige andere Frauen schauen aus der Ferne zu. Sonst sind alle weg. Nur einige Soldaten, die die Gekreuzigten weiter verspotten, sind noch da.
Jesus ist allein, allein mit seinem Vater. "Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist." Dann stirbt Jesus am Kreuz. Einige erkennen, dass in diesem Moment etwas außergewöhnliches geschehen ist. Eine Finsternis, ein Erdbeben. "Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn." So bekennt der Hauptmann, der in diesem Moment unter dem Kreuz Jesu stand.

Dort stirbt Jesus. Die Mächte des Todes zerschmetterten ihn. Das waren nicht nur der um seine Macht bangende Pilatus mit seinem Fehlurteil, nicht nur die römischen Soldaten, die ihn blutig quälten, und nicht nur die, die ihn grausam ans Kreuz nagelten, sondern das waren auch die Mächte und Gewalten dieser Welt.
Wenn wir sagen "Christus ist gestorben", bringen wir die Wahrheit zum Ausdruck, dass alles menschliche Leiden aller Zeiten und Räume vom Sohn Gottes erlitten und damit ins innerste Leben Gottes aufgehoben wurde. Es gibt kein Leiden, das Gott nicht erlitten hätte.
Wir müssen zum innersten Wissen gelangen, dass der Todeskampf der Welt der Todeskampf Gottes ist. Der Todeskampf all der Frauen, Männer und Kinder aller Zeiten offenbart uns die unauslotbaren Tiefen des Todeskampfes Gottes, von dem uns ein Schimmer im Garten von Getsemani aufgegangen ist. Der tiefste Sinn der Menschheitsgeschichte liegt darin, die Leiden Christi Stufe um Stufe zu entfalten. Solange es noch eine Menschheitsgeschichte gibt, ist die Geschichte des Leidens Christi noch nicht vollständig erzählt. Je mehr wir versuchen, in dieses Geheimnis einzutreten, desto deutlicher geht uns auf, dass die leidende Welt eine in Gott verborgene Welt ist. Außerhalb von Gott ist das Leiden der Menschen nicht nur unerträglich, sondern man kann es nicht einmal voll ins Auge fassen. Aber wenn uns der innere Zusammenhang zwischen dem Leiden der Welt und Gottes Leiden aufgeht, wird alles radikal anders. Dann sehen wir, dass Gott in und durch Jesus Christus alle Last der Menschen in sein Innerstes aufgehoben und sie zum Weg verwandelt hat, auf dem wir seine unermeßliche Liebe erkennen.
(Henri Nouwen)
Herr, hilf mir,
das Licht in der
Finsternis zu finden,
und die Einheit mit dir,
wenn ich mich
verlassen fühle;
denn durch deine
Verlassenheit
hast du uns
neues Leben geschenkt.
Dein Kreuz, o Herr, verehren wir, und deine heilige Auferstehung preisen und rühmen wir: Denn siehe, durch das Holz des Kreuzes kam Freude in alle Welt.

So heißt es in einem alten Text. Ich bin diesen Worten begegnet, als ich auf die Schnelle nach einem Text für die Kartage gesucht habe.
Auf die Schnelle ... Ja dieses Jahr waren die Wochen vor Ostern sehr dicht, ein Umzug, Überstunden auf der Arbeit ... Und dann die Frage: Wie soll ich Ostern feiern mitten im Alltag?
Für viele geht die Fastenzeit fast spurlos vorüber, man nimmt sich vielleicht am Aschermittwoch etwas vor, verschiebt aber die Umsetzung und dann ist plötzlich schon Ostern da. Die Arbeit, das Familienleben, alles läuft weiter. Wie kann das Osterfest mehr werden als ein langes Wochenende?
Sicher ist die Vorbereitung wichtig. Nicht umsonst kennt die Kirche die Fastenzeit. Fasten, das bedeutet sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sicher ist es hier besser, sich etwas Kleines vorzunehmen, das auch wirklich umsetzbar ist, als etwas Großes, das sich dann doch als undurchführbar erweist. Sich von den Texten der Heiligen Schrift ansprechen lassen, vielleicht einmal Schritt für Schritt jeden Tag einen Abschnitt aus dem Evangelium lesen und jetzt in der Karwoche die Berichte über Tod und Auferstehung des Herrn in den letzten Kapiteln der Evangelien.
Vor allem muss Ostern mich ganz persönlich treffen. Ostern ist der Höhepunkt im Jahr der Kirche – und in meinem Jahr? Was sind für mich die Höhepunkte des Jahres?

Denn siehe, durch das Holz des Kreuzes kam Freude in alle Welt.

Einen Gott am Kreuz anbeten, kann das ein Höhepunkt sein? Bleibe ich verständnislos stehen, unberührt von dem, was da geschieht, oder trifft es mich persönlich? Lukas berichtet von der Betroffenheit der Menschen, die Jesu Todesstunde erlebten:

Alle, die zu diesem Schauspiel herbeigeströmt waren und sahen was sich ereignet hatte, schlugen sich an die Brust und gingen betroffen weg. (Lk 23,48)

Betroffen, weil sie gemerkt haben, dass es hier persönlich um jeden einzelnen Menschen geht? Weil sich in diesem „Schauspiel“ Heil und Rettung für jeden einzelnen ereigneten?
In seinem Buch „Jenseits des Schweigens“ über die sieben letzten Worte Jesu am Kreuz zeigt Timothy Radcliffe, wie Jesus uns mit diesen Worten immer näher kommt:

„Die Worte Jesu zeigen uns die fortschreitenden Stufen eines sich vertiefenden Ausdrucks seiner Liebe zu uns.

Vergib ihnen, denn die wissen nicht, was sie tun. (Lk 23,34)

Mit diesen Worten spricht er uns nicht unmittelbar an, sondern seinen Vater.

Heute wirst du mit mir im Paradies sein. (Lk 23,43)

Hier zeigt sie die Liebe zu uns bereits inniger; er spricht uns an, aber doch eher von oben herab, als König.

Das ist deine Mutter, das ist dein Sohn. (Joh 19,26f)

Hier spricht er uns nicht mehr als König an, sondern als Bruder, ein weiterer Schritt der Nähe auf uns zu.

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Mk 15,34)

Dieser Schrei ist uns so nahe, dass er in unsere Seele eindringt und unsere eigene Verzweiflung umarmt. Aber die vollkommene Liebe liegt in den Worten:

Ich habe Durst. (Joh 19,28)

Die Fülle der Liebe ist erreicht, wenn Jesus etwas von uns erbittet und es dankbar in Empfang nimmt. Damit ist die Liebe vollkommen.“

Gott schenkt uns seine Liebe. Er wartet auf ein Liebeszeichen von uns und mag es noch so klein sein. Fühlen wir uns angerührt von dieser Liebe? Von einem Gott, der mitten in unser Leben treten will, der mit uns in die tiefsten Abgründe des Lebens steigt, um uns zu den höchsten Gipfeln des Glücks zu tragen? Lasse ich Jesus in mein Leben? Lasse ich mich von ihm berühren? Berühren nicht nur als ein Empfinden innerer Rührung, sondern als eine Nähe, die keine Distanz mehr zulässt? Aber geht das überhaupt? Wie soll Jesus mich berühren können? Wir werden ein Leben lang mit der Erfahrung solcher Nähe ringen. Werden sie uns wünschen und sie dann doch wieder erschreckt von uns weisen, weil wir uns vor den Folgen dieser Nähe fürchten, davor, wie sie unser Leben grundlegend verändern kann. Und doch steht Gott immer vor uns mit seiner Liebe, die vor allem anderen ist, die bleibt, auch wenn sie nicht erwidert wird. Sie ist da, jeden Augenblick. Und jeden Augenblick können wir den Schritt tun in Gottes offene Arme. Doch sollten wir nicht zu lange zögern, sonst könnten wir etwas Wesentliches in unserem Leben verpassen.

Herr Jesus,
du bist gekommen, um uns zu retten,
indem du für uns am Kreuz gestorben bist.
Deine Wunden erinnern uns an die Weise,
auf die wir gerettet werden.
Zugleich erinnern sie uns auch daran,
dass unsere eigenen Wunden
nicht einfach Hürden auf dem Weg zu Gott sind.
Sie zeigen uns unseren eigenen, einmaligen Weg,
dir in deinem Leiden zu folgen,
und es ist ihre Bestimmung, verklärt zu werden,
wenn wir mit dir, Christus, auferstehen.
Amen.
Henri Nouwen

Jesu Weg ans Kreuz

Jesus, voller Schmerzen am Ölberg

Am Gründonnerstag hat Jesus mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl gefeiert. Damit hat er auch uns in den Zeichen von Brot und Wein seinen Leib und sein Blut als ewiges Gedächtnis hinterlassen. Keine Gemeinschaft kann inniger sein als die Teilhabe an Christus in der Eucharistie. Doch die Stiftung dieses Gedächtnisses musste Jesus mit seinem Tod besiegeln. Erst durch seinen Tod wird uns die Teilhabe an ihm möglich.
Nach dem Mahl beginnt Jesu qualvoller Weg ans Kreuz. Jesus wusste um den Weg, den der Vater für ihn bestimmt hat zu unserem Heil. Er schrickt vor den Leiden zurück, die ihm bevorstehen. Am Ölberg betet er in seiner Not zum Vater. Er bittet seine Jünger, mit ihm zu wachen und zu beten, doch sie schlafen.

Meine Seele ist zu Tode betrübt. (Ps 42,6 - Mt 26,38)

Jesu angstvoller Seufzer zeigt, wie es um ihn steht, lässt uns seine Angst und Not erkennen. Jesus war nicht der Übermensch, dem Leiden nichts anhaben könnten. Er, der wahre Gott, ist auch wahrer Mensch. Das Wissen um die Grausamkeit dessen, was ihm bevorsteht, lässt ihn erschauern.

Nutzen wir die Gebetsstunden an diesem Tag, um in Jesu Gebet einzutreten. Denken wir an das, was er für uns getan hat und beten wir für die Menschen, die heute angstvoll auf eine Zukunft voller Leiden und Schmerzen blicken.
Herr Jesus, du kennst die Angst und Not der Menschen und die Qualen, die Leiden und Schmerzen bedeuten. Für uns hast du die Schmerzen der Geißelung und des Kreuzes auf dich genommen. Stehe uns bei in unseren Ängsten und Nöten. Gib uns die Kraft, sie auf uns zu nehmen und schenke uns Befreiung. Amen.

Jesus, von Jüngern und Freunden verlassen

Nicht nur die Masse des Volkes ist es, die Jesus den Rücken kehrt. Auch seine engsten Vertrauten und Freunde werden schwach. Sie haben nicht den Mut, für Jesus einzustehen. Alle sind sie plötzlich weg, als es ernst wird, als Jesus verurteilt und verspottet wird. Sie verstehen noch nicht, dass der Messias all das erleiden musste.
Judas liefert ihn durch seinen Verrat aus, Petrus verleugnet Jesus dreimal, und als Jesus seinen Kreuzweg geht, ist keiner von seinen Jüngern da, nur seine Mutter und einige der Frauen, die Jesus gefolgt sind stehen weinend am Weg. So erfüllen sich die Psalmworte:

Freunde und Gefährten bleiben mir fern in meinem Unglück und meine Nächsten meiden mich. (Ps 38,12 - Lk 23,49)
Auch mein Freund, dem ich vertraute, der mein Brot aß, hat gegen mich geprahlt. (Ps 41,10 - Mk 14,18)

Herr Jesus, wie tief muss es dich getroffen haben, als dich selbst deine engsten Freunde und Vertrauten verlassen haben. Ganz allein musstest du den schweren Weg ans Kreuz gehen. Doch du hast weiter auf sie gebaut, hast sie nicht verstoßen, sondern sie nach deiner Auferstehung wieder versammelt und ihnen dann die Kraft gegeben, unerschrocken von dir Zeugnis zu geben. Gib auch uns den Mut, uns zu dir zu bekennen. Amen.

Karfreitag

Jesus, von Volk und Soldaten verspottet

Jesus wusste es, die Menge lässt sich leicht beeinflussen. Daher hat er nie darauf Wert gelegt, der Liebling des Volkes zu sein. Jesus sagte immer die Wahrheit, egal ob das gerade populär war oder nicht. Am Palmsonntag hat Jerusalem gejubelt: Hosanna dem Sohne Davids!
Doch dann wurden falsche Gerüchte über ihn ausgestreut. Viele erkannten, dass dieser Jesus nicht so ist, wie sie ihn sich vorgestellt haben und sie waren nicht bereit, ihr Bild vom Messias zu korrigieren.
Die Ablehnung Jesu wächst, bis er dann schließlich für Viele zum Spottobjekt wird, dem man lauthals den Kreuzestod wünscht - ein Spektakel, an dem man seine Neugier befriedigen kann.

Alle, die mich sehen, verlachen mich, verziehen die Lippen, schütteln den Kopf. Ps 22,8, Lk 23,35)

Herr Jesus, du hast geduldig des Spott des Volkes erduldet. Immer wieder weisen die dich ab, die du mit unendlicher Liebe umfangen möchtest. Mache uns zu Zeugen deiner Liebe.

Ecce Homo

Darauf ließ Pilatus Jesus geißeln. Die Soldaten flochten einen Kranz aus Dornen; den setzten sie ihm auf und legten ihm einen purpurroten Mantel um. Sie stellten sich vor ihn hin und sagten: Heil dir, König der Juden! Und sie schlugen ihm ins Gesicht.
Pilatus ging wieder hinaus und sagte zu ihnen: Seht, ich bringe ihn zu euch heraus; ihr sollt wissen, dass ich keinen Grund finde, ihn zu verurteilen. Jesus kam heraus; er trug die Dornenkrone und den purpurroten Mantel. Pilatus sagte zu ihnen: Seht der Mensch! (Joh 19,1-5)

Es war eine Qual für Jesus. Die Soldaten durften ihren Spott mit ihm treiben - hemmungslos. Die Haut zerschunden von den Wunden der Geißelung. Die Dornenkrone auf dem Haupt, einen Purpurmantel und einen Stock als Zepter, das sind die Insignien, mit denen die Soldaten Jesus zu ihrem Spottkönig gemacht haben. Jesus - der König der Juden - endet so seine Herrschaft in Jerusalem?
Pilatus führt Jesus vor das Volk. Die Menge grölt. Die Stimmung heizt sich auf. Doch es genügt dem Hohen Rat nicht, dass Pilatus Jesus öffentlich demütigen lässt, so dass keiner mehr daran glaubt, dass dieser der Messias sein könnte. Die Menschen, die ihn noch vor wenigen Tagen jubelnd in Jerusalem empfangen haben, sollen sehen, dass sie auf einen Aufrührer hereingefallen sind. Doch Jesu Auftreten hat die Führer der Juden so tief getroffen, dass es nur eine Lösung gibt: Jesus muss sterben, ans Kreuz mit ihm!
Seht der Mensch!
Jesus steht für alle geschundenen Menschen. Er ist ein Bild für das, was Menschen einander antun können. Wie viele Menschen werden bis heute von anderen gequält und öffentlich zur Schau gestellt. Wie vielen Menschen versucht man ihre Würde zu nehmen. Verachtet, ausgestoßen. Auch diese Menschen können sich in Jesus wiederfinden, in ihm einen Fürsprecher sehen.
Mensch, achte auf deine Würde! Kein Mensch kann einem anderen seine Würde nehmen, wenn dieser sie sich nicht nehmen lässt. Gott ist es, der dem Menschen seine Würde schenkt. Möge der Blick auf den Schmerzensmann all jenen Kraft geben, die Spott und Hohn und hemmungslose Gewalt erdulden müssen. Mögen sie im Blick auf den Schmerzensmann erfahren, dass es eine Macht gibt, die stärker ist als alle Gewalt.
Beten wir darum, dass Liebe den Hass besiegt und die Menschen gegenseitig ihre Würde achten. Bitten wir darum, dass wir die Kraft haben, mutig zu sein, wo es gilt, für andere einzutreten und nicht wegzusehen, wo unsere Hilfe gebraucht wird. Erheben wir unsere Stimme, gegen das Grölen der Menge, wenn andere Menschen verspottet werden. Möge Gott uns helfen, eine Gesellschaft des Friedens und der Toleranz aufzubauen.

Menschen am Leidensweg des Herrn

Karfreitag

Simon von Cyrene

Einen Mann, der gerade vom Feld kam, Simon von Cyrene, den Vater des Alexander und des Rufus, zwangen sie, sein Kreuz zu tragen. Mk 15,21

An der fünften Station des Kreuzwegs sehen wir Simon von Cyrene. Ein Mann wie du und ich. Er kam von der Arbeit und war auf dem Weg nach Hause. In den Gassen der Stadt begegnet er dem Trupp, der Jesus hinaus nach Golgota führt. Solche Szenen waren nichts Ungewöhnliches. Immer wieder wurden irgendwelche Verbrecher zum Tod am Kreuz verurteilt. Wie so viele wird Simon kurz stehen geblieben sein, sei es aus Neugier oder um dem Trupp in der engen Gasse Platz zu machen.
Da werden die Soldaten auf ihn aufmerksam. Sicher machte Simon einen kräftigen Eindruck, einen solchen Mann brauchten sie, um dem durch die Geißelung geschwächten Jesus dabei zu helfen, das Kreuz zu tragen. Jesus ist bereits einmal unter der Last des Kreuzes zusammengebrochen und der Weg nach Golgota ist noch weit. Selbst machen die Soldaten natürlich keinen Finger krumm, um einem Verurteilten zu helfen.
Plötzlich ist Simon mitten im Geschehen. Er wollte schnell nach Hause, aber nun muss er mit den Soldaten und den Verurteilten mitgehen. Er muss das Kreuz tragen, eine Schande für einen ehrbaren Bürger. Sicher haben ihn einige erkannt. Was werden sie wohl von ihm denken? Noch wusste Simon nicht, wem er da hilft, das Kreuz zu tragen.
So schnell kann es gehen und plötzlich ist alles anders im Leben. Eine Unachtsamkeit, ein Unfall, eine Blamage und nichts ist mehr wie es war. Wir würden am liebsten im Erdboden versinken, die Zeit zurückdrehen und das Geschehene ungeschehen machen, aber das geht nicht. Wir müssen ab sofort damit leben, dass es so gekommen ist.

Und nun käme es darauf an, dass wir verstehen, dass Gott zwei Arten von Gnaden hat: helle und dunkle. - Die hellen sind Sonnenstrahlen, Trost, Freude, wohltuende Erlebnisse. Die dunklen sehen gar nicht wie Gnaden aus. Es sind belastende Ereignisse, die sich wie Regiefehler in der Weltregierung ausnehmen. Und mit dem Tragen und Ertragen kommen wir darauf, dass uns diese Dinge Christus nähergebracht haben als alle hellen Gnaden zusammen." (Reinhold Stecher)

So können wir wie Simon von Cyrene in den Dienst gerufen werden, am Kreuz Christi mitzutragen. Vielleicht erkennen auch wir zunächst nicht, wessen Kreuz es ist, das uns da aufgebürdet wird. Sicher sehen auch wir oft zunächst nichts als die Schande, in die wir geraten sind, und spüren nichts als den Schmerz, den uns das Kreuz bereitet. Es drückt und wir würden es am liebsten abwerfen und stehenlassen, aber das geht nicht. Wir müssen es ein Stück tragen, mal weiter, mal nicht so weit.
Irgendwann aber können wir aufatmen und aus der Distanz zurücksehen auf den Weg, den wir gegangen sind. Vielleicht erkennen wir, dass das, was uns widerfahren ist, auch etwas Gutes hatte. Wie Simon von Cyrene. Als nach einigen Tagen die Nachricht von der Auferstehung Jesu die Runde machte, da hat er erkannt, wessen Kreuz er da getragen hat. Und plötzlich ist er der große Held, dessen Name wir nach zweitausend Jahren noch kennen. Der Evangelist Markus nennt auch die Namen seiner Söhne. So nimmt man an, dass Simon sich zusammen mit seiner Familie der Christengemeinde angeschlossen hat - "und das Ereignis am Kreuzweg nahm den Ehrenplatz in der Familienchronik ein" (Reinhold Stecher).

Karfreitag

Veronika

An der sechsten Station des Kreuzwegs begegnen wir Veronika. Über sie weiß man sehr wenig, ihre Gestalt ist legendenhaft, selbst ihr Name ist eigentlich von ihrer Stellung am Kreuzweg Jesu abgeleitet: er beinhaltet das lateinische "vera" und das griechische "eikon", was zusammen "wahres Bild" bedeutet. Veronika reicht Jesus als Liebesdienst in seinem Leiden ihr Schweißtuch. Als Dank erhält sie darin das Antlitz Jesu bildlich eingeprägt.
Was hat uns diese Begebenheit zu sagen? Was sie wirklich bedeutet können wir etwas erahnen, wenn wir im Johannesevangelium die Fußwaschung und die Abschiedsreden Jesu betrachten. "Liebt einander, wie ich euch geliebt habe", sagt Jesus. "Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt." Johannes setzt an die Stelle, an der die anderen Evangelien das letzte Abendmahl schildern, die Fußwaschung. In der Eucharistie ist Jesus in seinem Leiden, seinem Sterben und seiner Auferstehung im Zeichen des Brotes leibhaftig unter uns. Sie ist das größte Geschenk, das uns der Herr hinterlassen hat. Es gibt aber - und das möchte uns Jesus vielleicht im Johannesevangelium sagen - noch eine andere Weise, in der er in dieser Welt sichtbar wird: die Liebe.
Gott ist Liebe, in Christus hat die Liebe ihren Ursprung und ihr Ziel und Christus selbst wird im Tun der Liebe sichtbar. Wenn Gott Liebe ist, wie anders sollte man ihn erkennen, als in der Liebe, in der wir ihm immer ähnlicher werden können? Es ist eigentlich traurig, dass wir so viel an Gutem in der Welt ungeschehen lassen und damit immer wieder die Chance verpassen, Jesus sichtbar zu machen. Ich denke dabei nicht an große Werke, einfach nur an die kleinen Liebesdienste des Alltags, wie es Veronika getan hat, als sie dem Herrn ihr Schweißtuch reichte.
Wir hören zwar nichts davon, aber ich bin mir sicher, dass Veronika auch eine der ersten war, die von der Auferstehung Jesu erfahren haben. Wir können nur erahnen, mit welcher Freude sie diese Nachricht erfüllt haben mag, nachdem sie das Leiden des Herrn so hautnah miterlebt hatte. Auch wir dürfen uns in diesen Tagen, nach vielleicht manchem Verzicht in der Fastenzeit, ganz besonders auf die Auferstehung des Herrn freuen. Tragen wir diese Freude in die Welt hinaus. Zeigen wir unseren Mitmenschen Jesus, auch in den kleinen Liebesgesten des Alltags. Kommen wir so immer näher zu ihm, der der Grund unseres Lebens ist. So werden wir auch einst teilhaben an seiner Auferstehung und ewig bei ihm sein, wenn er uns zum Vater holt, wohin er uns vorausgegangen ist.

Karfreitag

Jesus, ans Kreuz geschlagen

Wie ein Verbrecher wird Jesus zu der härtesten Strafe, die man sich damals denken konnte, verurteilt. Nach schweren Misshandlungen, Geißelung und Schlägen muss er noch selbst das Kreuz bis zur Hinrichtungsstätte tragen. Ein qualvoller Weg, den wir im Gebet des Kreuzweges mit Jesus mitgehen.
Dann wird Jesus ans Kreuz geschlagen. Unterm Kreuz verteilen die Soldaten seine Kleider unter sich, wie es im Psalm heißt:

Sie verteilen unter sich meine Kleider und werfen das Los um mein Gewand. (Ps 22,19 - Joh 19,24)

Jesus war den ganzen Tag der brütenden Sonnenhitze ausgesetzt und hat weder zu Essen noch zu Trinken bekommen. Als ihn dürstet, reichen ihm die Soldaten nur einen Schwamm mit Essig, wohl eine Mischung, die die Gekreuzigten betäuben sollte. Doch Jesus nimmt nicht davon. Dadurch erfüllt sich das Psalmwort:

Für den Durst reichten sie mir Essig. (Ps 69,22 - Mt 27,48)

Herr Jesus, lass uns das Leiden betrachten, das du für uns am Kreuz erduldet hast. Durch dich ist das Kreuz vom Zeichen von größter Qual und Spott zum Zeichen des Heils geworden. Es gibt nun keinen Abgrund, keine Qualen mehr, die deine Liebe nicht erreichen könnte. Lass uns im Kreuz das Zeichen der Hoffnung sehen und in ihm Kraft finden für unseren Weg.

Karfreitag

Maria unter dem Kreuz

Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. (Joh 19,25)

Maria unter dem Kreuz, nur Johannes berichtet uns davon. Maria war allezeit in der Nähe ihres Sohnes, auf der Hochzeit zu Kana, als Jesus lehrte und die Menschen geheilt hat. Maria leidet mit ihrem Sohn, wie es einst der greise Simeon ihr prophezeit hat.
Unter dem Kreuz zeigt sich Maria als Frau aus dem Volk, die auf der Seite Gottes steht. Man könnte behaupten, dass Jesus Maria nicht nur brauchte, um geboren zu werden, sondern auch um zu sterben. Jetzt ist die Stunde gekommen, von der Jesus so oft sprach und in dieser Stunde darf auch die Mutter Jesu nicht fehlen. Nur noch eine kurze Zeit, dann wird der tote Sohn ihr in den Schoß gelegt.
In dieser Stunde wird Maria zur Königin. Jesus trug die ganze Menschheit in sich, und nun ruht die ganze Menschheit beschützt in dem Schoß seiner Mutter, die so zur Mutter und Königin aller Menschen wird.

Maria, die Mutter des Herrn, stand beim Kreuz ihres Sohnes. Darüber gibt mir einzig der Evangelist Johannes Auskunft. Die anderen schreiben von der Erschütterung der Welt während des Leidens Christi, der Verdunkelung des Himmels. ... Johannes aber lässt uns wissen, was die anderen nicht mitteilen: wie er vom Kreuz herab seine Mutter anspricht. ... Vom Kreuz herab gibt Christus sein Vermächtnis, und er teilt seine Zuwendung zweien zusammen, der Mutter und dem Jünger. Der Herr macht nicht nur ein öffentliches Testament, sondern auch eines, das die Familie betrifft. Und für dieses Testament ist Johannes Zeuge - und er ist würdig, dieses Zeugnis zu geben. (Ambrosius)
Das ist ohne Zweifel die Stunde, von der Jesus sprach anlässlich der Verwandlung von Wasser in Wein (Joh 2,4): "Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen." Als er damals im Begriff war, eine göttliche Tat zu wirken, wies er seine Mutter zurück, da sie nicht der Gottheit, sondern der schwachen Menschennatur nach seine Mutter ist. Jetzt aber, da er leidet, empfiehlt er diejenige, aus der er Mensch geworden ist, menschlichem Empfinden, menschlicher Liebe. (Augustinus)

Heute mit Jesus im Paradies

Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Messias? Dann hilf dir selbst und auch uns! Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst. Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein. (Lk 23,39-43)

Die Leute, die um das Kreuz herum stehen, achten wenig darauf, was Jesus sagt und tut. Sie zeigen ihm offen ihre Verachtung. Doch plötzlich geschieht etwas Außergewöhnliches. Während einer der beiden mit Jesus gekreuzigten Verbrecher in den Hohn der Umstehenden einstimmt, weist der andere ihn zurecht und wendet sich an Jesus. Nur Lukas berichtet dieses Ereignis.
Der gute Verbrecher, wie wir ihn im Gegensatz zu dem anderen nennen können, glaubt daran, dass Jesus ein König ist. Wir wissen nicht, woher er diesen Glauben nimmt, ob er schon vorher von Jesus gehört hat oder ob ihn etwas an diesem Fremden, der da mit ihm hingerichtet wird, beeindruckt. Vielleicht zeigt ihm Jesu Verhalten dass er doch so ganz anders ist als normale Verbrecher. "Jesus denk an mich, wenn di mit deiner Königsmacht kommst," heißt es bei anderen Textzeugen. - Jesus verspricht ihm, an ihn zu denken. "Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein."
Ist es ihnen schon einmal aufgefallen, dass Jesus davon spricht, dass das heute geschieht? Jesus hätte ja sagen können, in drei Tagen werde ich auferstehen und dann wecke ich auch dich auf von den Toten. Aber Jesus spricht explizit von heute.

Wir sehen also, dass Gott andere Zeitvorstellungen hat als wir. Gott vergibt uns, bevor wir sündigen, und Jesus verspricht, diesen Dieb ins Paradies zu bringen, bevor er selbst von den Toten auferstanden ist. Der Grund liegt darin, dass Gott im Heute der Ewigkeit lebt. Gottes Ewigkeit bricht jetzt in unser Leben ein. Ewigkeit ist nicht, was am Ende der Zeiten passiert, wenn wir gestorben sind. Immer wenn wir lieben und vergeben, setzen wir einen Fuß in die Ewigkeit, in das Leben Gottes. Und deshalb können wir selbst am Karfreitag voller Freude sein, selbst im Angesicht von Leid und Tod. (Timothy Radcliffe)

Wir sollten immer wieder an diesen Verbrecher denken, der mit Jesus am Kreuz hing, wenn wir in unserer Kleinlichkeit Urteile fällen, die Gottes Größe nicht gerecht werden. Selbst die Kirche denkt da manchmal zu kleinlich, wenn sie den Gerechten des Alten Bundes das Paradies verweigern wollte oder einen Limbus geschaffen hat, in dem die Seelen ungetaufter Kinder warten müssen, bis Gott sich vielleicht irgendwann einmal ihrer erbarmt. Solche Vorstellungen kommen daher, dass wir Gottes Ewigkeit nicht denken können. Aber nicht der Verstand des Menschen ist die höchste Instanz sondern das für diesen unbegreifliche Wesen Gottes.
Der Schächer am Kreuz zeigt uns auch die Größe der Barmherzigkeit Gottes. Er hat nichts getan, außer in den letzten Stunden seines Lebens daran zu glauben, dass Jesus wirklich König ist. Dieser Glaube hat ihm das Tor zum Paradies geöffnet. Das ist ein Zeichen dafür, wie viel Gott uns schenken möchte. Wir müssen nur lernen, wie man Geschenke annimmt.
Vergessen wir nie den Schächer am Kreuz und was Jesus zu ihm gesagt hat. Denken wir an das Heute seiner Verheißung, gerade in schweren Stunden. Vielleicht kann uns dieses Wort Jesu dann helfen, dass wir einen Ausweg sehen, den unser begrenzter Verstand nicht erkennen kann, den aber Gottes Größe zu wirken vermag.

Karfreitag

Jesus, vom Vater verlassen?

Am Kreuz betet Jesus den Psalm 22. Er beginnt mit den Worten:

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? (Ps 22,2 - Mk 15,34)

Wir haben betrachtet, wie die Volksmenge Jesus verspottet hat, wie selbst Jesu Jünger und Freunde fern blieben, als ihn das Todesurteil traf. Einsam und verlassen hängt Jesus am Kreuz. Hat ihn nun auch der Vater verlassen?
Immer hatte Jesus eine ganz enge Verbindung zu seinem Vater im Himmel. Stunden des Gebetes hat er mit dem Vater zugebracht. Immer war das, was er tat, auch der Wille des Vaters. Wie konnte der Vater nun zulassen, dass sein Sohn so sterben muss?
Auch wenn wir es nicht begreifen können, der Tod Jesu geschah zu unserem Heil und durch den Tod konnte der Vater machtvoll die Auferstehung wirken. Er wird den Sohn aus dem Tod holen und damit die Macht des Todes, die über die Menschen herrscht, ein für alle Mal brechen. Durch die Auferstehung Jesu steht auch uns der Weg offen zum ewigen Leben bei Gott. Der Schmerz des Todes ist der Weg zur Freude des Heils.
Wenn wir den ganzen Psalm 22 beten, so sehen wir, dass er sich von einem Klageruf in ein Gebet der Hoffnung und Zuversicht wandelt. Jesus hat qualvoll unter den Schmerzen des Kreuzes gelitten. Das lässt ihn aufschreien. Aber er hat nicht daran gezweifelt, dass auch hier der Vater bei ihm ist und ihn erretten wird.

Karfreitag

Jesus, am Kreuz gestorben

Am Kreuz hat Jesus gebetet:

Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. (Ps 31,6 - Lk 23,46)

Jesus übergibt sich ganz der Liebe seines Vaters. Nun ist die Zeit gekommen, dass Jesus wieder heimkehrt zu seinem Vater im Himmel. Doch seine Jünger wissen noch nicht, was geschehen wird. Jesus wird in ein Grab gelegt. Der Karsamstag ist der Tag der Grabesruhe Jesu.
Maria bewahrt das Leiden des Sohnes in ihrem Herzen und denkt darüber nach, die Frauen verabreden sich für den Morgen des nächsten Tages, um den Leichnam Christi mit wohlriechenden Ölen zu salben, die Jünger halten sich in der Verborgenheit des Abendmahlssaales auf, bis der Sabbat vergangen ist.
Nun liegt alles in der Hand des Vaters. Er wird Jesus auferwecken. Am nächsten Morgen werden das leere Grab, die Engel und die Erscheinungen des Auferstandenen selbst Zeugnis geben für den endgültigen Sieg der Wahrheit über die Lüge, des Guten über das Böse, der Barmherzigkeit über die Sünde, des Lebens über den Tod.
Das letzte Wort gehört nicht der Lüge, dem Hass und der Unterdrückung. Das letzte Wort wird die Liebe sprechen, die stärker ist als der Tod.
Doch zunächst erfordern die Ereignisse um Jesu Tod ein Innehalten. Wir müssen langsam realisieren, was geschehen ist. Die Grabesruhe ist eine Besinnungs- und Trauerzeit. Still werden - nachdenken - traurig sein - aushalten.
In deine Hände lege ich voll vertrauen meinen Geist. Auch wir dürfen unser Leben ganz Gott anvertrauen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass er alles zum Guten führen wird. Werden wir still vor Gott, betrachten wir Jesu Weg und bitten wir Gott darum, dass auch wir uns von ihm führen lassen.

Jesus stirbt am Kreuz.
Von den Mächtigen verurteilt,
von der Menge verspottet,
von den Jüngern verlassen,
von Schmerzen gequält.
Doch Gott hat beschlossen, uns gerade auf diese Weise zu offenbaren, was göttliche Liebe ist.
Der liebende Vater, dessen Arme immer offen stehen, wie hätte Gott tiefer offenbaren können, dass dies nicht nur ein Bild, sondern bleibende Realität ist?

Herr Jesus, gib auch uns die Kraft und den Mut, schwere Stunden und Leiden durchzustehen und an Gottes Barmherzigkeit niemals zu verzweifeln. Amen.

Karfreitag

Jesus, ins Grab gelegt

Um das Grab Jesu herrschte tiefe Ruhe. Sie glich der Ruhe jenes siebten Tages, an dem Gott, nachdem er sein Schöpfungswerk vollendet hatte, ruhte.
Am siebten Tag der Woche unserer Erlösung, an dem Jesus seine Aufgabe, zu der ihn sein Vater ausgesandt hatte, ganz erfüllt hatte, ruhte er im Grab. Von allen Tagen der Weltgeschichte ist der Karsamstag der Tag des größten Alleinseins Gottes. Es ist der Tag, an dem keine Worte gesprochen werden und nichts erklärt wird.
Dieser Karsamstag ist der stillste aller Tage. Dieses göttliche Schweigen ist das fruchtbarste Schweigen, das die Welt je gekannt hat. Aus diesem Schweigen heraus wird das Wort neu gesprochen werden und alle Dinge neu machen.
Über Gottes Ruhen in Schweigen und Alleinsein müssen wir noch viel lernen. Die Ruhe Gottes ist eine tiefe Ruhe des Herzens, die sogar fortdauern kann, wenn man von den Mächten des Todes umgeben ist. Es ist die Ruhe, die uns die Hoffnung bietet, dass unser verborgenes, oft unsichtbares Dasein fruchtbar werden wird, selbst wenn wir nicht sagen können, wie und wann.
Was immer wir in unserem Leben unternehmen oder unterlassen: Immer müssen wir mit der Ruhe des Karsamstags in Verbindung bleiben, mit der Ruhe dieses Tages, an dem Jesus im Grab lag und die gesamte Schöpfung darauf wartete, dass alle Dinge neu würden.
Henri Nouwen