Die Heiligen

5.4. Juliana v. Lüttich

Juliana von Lüttich

Juliana von Lüttich
um 1191-1258
Ordensfrau

Ein Leben für die Eucharistie

Große Heilige werden von der Kirche manchmal nicht mit offenen Armen empfangen, besonders dann nicht, wenn sie sich auf besondere Offenbarungen berufen. So war auch ein großer Teil des Lebens der heilige Juliana ein Leidensweg mit der Kirche. Doch ihre Standhaftigkeit und Gottverbundenheit haben der Kirche ein Geschenk gebracht, das sie bis heute in Ehren hält: das Fronleichnamsfest.
Der Beginn des 13. Jahrhunderts, die Zeit, in der Juliana lebte, war geprägt von einer tiefen eucharistischen Frömmigkeit. Besonders die Diözese Lüttich, die Heimat Julianas, zeigte sich zu jener Zeit als ein wirklicher "eucharistischer Abendmahlssaal" (Benedikt XVI.). Dort haben berühmte Theologen den hohen Wert der Eucharistie erläutert und es gab Gruppen von Frauen unter der Leitung frommer Priester, die sich für die eucharistische Anbetung und den würdigen Empfang der Kommunion einsetzten.

Juliana wurde mit fünf Jahren Waise und kam in die Obhut der Augustinerinnen. In diesen Orden ist sie dann 1207 auch selbst eingetreten. Sie erwarb eine umfangreiche Bildung und zeigte eine tiefe Neigung zur Kontemplation. Besonders innig erfuhr sie die Gegenwart Christi in der Eucharistie, die für sie die Worte Jesu lebendig werden ließen: "Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28,20).
Juliana war von dieser Gegenwart Christi im allerheiligsten Sakrament des Altares so durchdrungen, dass sie oft die Anbetung vor dem Allerheiligsten suchte. Während der Wandlung leuchteten ihre Gesichtszüge und mit ihrer demütigen, gesammelten Haltung und ihrer ganzen Erscheinung war sie ein Vorbild für ihre Mitschwestern, die sie zur gläubigen Anbetung des Herrn in der Heiligen Eucharistie anspornte.
Juliana wünschte sich nichts sehnlicher, als täglich Christus in der heiligen Kommunion empfangen zu dürfen. Damals war jedoch die häufige Kommunion nicht üblich und so suchte sie ihr Verlangen danach wenigstens durch häufige Anbetung und die fast ständige Betrachtung der Liebe, mit der Christus dieses heiligste Sakrament eingesetzt hat, zu stillen.

Ihre Vision

Mit sechzehn Jahren, im Jahr 1209, hatte Juliana ihre erste Vision, die sich dann mehrfach während der eucharistischen Anbetung wiederholte. Sie sah den Mond in seinem vollen Glanz, jedoch entstellt von einem dunklen, diagonal darüber verlaufenden Riss (oder einem dunklen Fleck). Lange wusste sie diese Vision nicht zu deuten und auch niemand, dem sie davon erzählte, hatte eine Erklärung dafür.
Erst nach langem Beten gab der Herr ihr Jahre später die Bedeutung dieser Erscheinung zu verstehen. Der Mond steht für das liturgische Kirchenjahr, das aber noch einen Schatten aufweist, weil ein eigenes Fest zu Ehren des allerheiligsten Sakraments des Altares im Zyklus des Kirchenjahres fehlt. Zwar ist der Gründonnerstag ein besonderer eucharistischer Tag, aber er steht schon im Österlichen Triduum, so dass die Verherrlichung der Eucharistie wegen des Gedenkens des Leidens und Sterbens Jesu Christi nicht in der vollen Freude möglich ist. Juliana sollte sich für ein eigenes Fest zu Ehren des allerheiligsten Sakraments des Altares einsetzen.

Juliana erschrak über diesen Auftrag und fühlte sich dazu nicht fähig. Jahrelang hielt sie die ihr zuteil gewordene Offenbarung geheim. Inzwischen war Juliana Priorin des Ordens geworden. Mit der Reklusin Eva und Schwester Isabella hatte sie zwei heiligmäßige Frauen als Freundinnen und Mitstreiterinnen in diesem Anliegen gefunden. Sie verband eine tiefe Verehrung des Herrn in der Eucharistie, der Wunsch nach häufiger Kommunion und die stille Anbetung vor dem Allerheiligsten.
Die drei Frauen bildeten eine Art "geistlichen Bund", um das Allerheiligste Sakrament zu verherrlichen. Sie bezogen auch einen Priester mit ein, Johannes von Lausanne, der den Rat weiterer Theologen und Geistlicher einholte. Die Antworten waren positiv und ermutigend. Der Bischof von Lüttich, Robert von Thourotte, nahm nach anfänglichem Zögern die Anregung Julianas und ihrer Gefährtinnen auf und feierte in seiner Diözese im Jahr 1246 zum ersten Mal das Fronleichnamsfest.

Ihre Berufung

Doch es regte sich auch heftiger Widerstand. Viele waren nicht davon zu überzeugen, warum man neben der Verehrung der Eucharistie in jeder Messfeier und des Donnerstags als wöchentlichem Gedenktag der Eucharistie auch noch ein eigenes Fest einführen solle. Als der Bischof starb, hatte Juliana ihren wichtigsten Unterstützer verloren. Die Gegner gewannen die Oberhand, sie wurde heftig angegriffen und musste mit einigen Gefährtinnen ihr Kloster verlassen. 1248 legte sie ihr Amt als Oberin nieder und fand zunächst Zuflucht bei ihrer Freundin, der Reklusin Eva, in St. Martin in Lüttich.
Die letzten zehn Jahre ihres Lebens setzte sie sich unter ständigen Verfolgungen weiter für die Feier des Fronleichnamsfestes ein. Immer wieder fand sie Unterschlupf in verschiedenen Klöstern. Schließlich erhielt sie zu Fosses in Belgien von der Schwester eines frommen Stiftsherrn eine Klause nahe an der Kirche, wo sie nach jahrelangen Heimsuchungen endlich Ruhe fand. Dort starb sie am Ostertag des Jahres 1258. Sie blieb ihr Leben lang eine innige Verehrerin der Eucharistie und in ihrer Zelle war das Allerheiligste ausgesetzt. Sie starb, während sie in einem letzten Aufschwung der Liebe den eucharistischen Herrn betrachtete, den sie immer geliebt, verehrt und angebetet hatte. Sie wurde in der Abtei Villiers bestattet.

Fronleichnam als Fest der Kirche

Nach Julianas Tod setzte sich ihre Freundin und Verbündete Eva weiter mit aller Kraft für die Feier des Fronleichnamsfestes ein und gewann mit Jacques von Troyes, Archidiakon in Lüttich, einen eifrigen Unterstützer. Als dieser 1264 Papst wurde und den Namen Urban IV. annahm, setzte er das Fronleichnamsfest für die ganze Kirche als vorgeschriebenes Fest ein, das am Donnerstag der zweiten Woche nach Pfingsten (die Woche nach Pfingsten war durch die Pfingstoktav belegt) begangen werden sollte.
In der Einführungsbulle "Transiturus" spricht Papst Urban auch die mystischen Erfahrungen Julianas an und bestätigt damit deren Echtheit: "Auch wenn die Eucharistie täglich gefeiert wird, halten wir es für richtig, dass ihrer wenigstens einmal im Jahr feierlich und mit besonderer Verehrung gedacht wird. Die anderen Dinge, derer wir gedenken, erfassen wir mit dem Geist und mit dem Verstand, doch sie werden uns deswegen nicht real präsent. In diesem sakramentalen Andenken Christi jedoch ist Jesus Christus - wenn auch in anderer Form - in seiner Substanz gegenwärtig und mit uns. Denn während er zum Himmel auffuhr sagte er: "Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28,20)."
Auch an Eva richtete der Papst ein eigenes Schreiben: "Wir wissen, o Tochter, wie deine Seele ganz innig danach verlangt, dass ein feierliches Fest zu Ehren des allerheiligsten Sakramentes in der Kirche Gottes für alle Zeiten eingesetzt werde. Deine Seele möge nun den Herrn hochpreisen und dein Geist in Gott, deinem Heiland, frohlocken, denn deine Augen sollen dein Heil schauen, das wir bereitet haben vor dem Angesicht aller Völker. Freue dich, dass der allmächtige Gott den Wunsch deines Herzens dir erfüllt hat."
Eva verstarb im Jahr 1265 und wurde in St. Martin zu Lüttich bestattet. Das Volk hielt ihr Andenken ebenso wie das Julianas in Ehren. Jedoch blieb die Verehrung der beiden Frauen regional beschränkt. Juliana wurde erst 1869 offiziell heiliggesprochen, die Seligsprechung Evas erfolgte im Jahr 1902. Letztlich sind beide ganz hinter ihrer Berufung zurückgetreten. Das Fronleichnamsfest jedoch trat seinen Siegeszug in der Kirche an.

Juliana von Lüttich

Die Frucht ihres Wirkens

Im Jahr 1264 feiert Papst Urban IV. in Orvieto das erste Fronleichnamsfest. Die liturgischen Texte zu diesem Fest hat einer der größten Theologen der Geschichte, der heilige Thomas von Aquin, verfasst. Er begleitete zu jener Zeit den Papst und war mit ihm zusammen in Orvieto. Diese Texte, die bis heute in der Kirche verwendet werden, sind Meisterwerke, in denen sich Theologie und Dichtung vereinen.

Sie bringen die Saiten des Herzens zum Schwingen, um dem Allerheiligsten Sakrament Lob und Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen, während der Verstand, der voller Erstaunen in das Geheimnis eindringt, in der Eucharistie die lebendige und wahrhaftige Präsenz Jesu erkennt, seines Liebesopfers, das uns mit dem Vater versöhnt und uns das Heil schenkt. (Benedikt XVI.)

Das Geheimnis sei gepriesen,
das den Leib des Herrn enthält;
Ehre sei dem Blut erwiesen,
welches uns zum Lösegeld
er vergoss, der sich bewiesen
als den König aller Welt.

Gottes Wort hat Brot verwandelt
in sein Fleisch, den Wein in Blut.
Wo geheim die Allmacht handelt,
schweigt des Zweifels Übermut.
Der nur fasst's, der redlich wandelt,
dessen Glaub in Gott nur ruht.

(Aus dem "Pange lingua" des Thomas von Aquin)

Nach dem Tod Urbans IV. ging die Verbreitung des Festes zunächst zurück und seine Feier blieb auf einige Gebiete Frankreichs, Deutschlands, Ungarns und Norditaliens beschränkt. Einige der folgenden Päpste kümmerten sich nicht weiter darum. Erst Papst Clemens V. und das Konzil von Vienne im Jahr 1311/12 und Papst Johannes XXII. im Jahr 1317 haben mit ihrem Einsatz die Feier des Fronleichnamsfestes schließlich in der Gesamtkirche fest verwurzelt. Von da an entwickelte sich das Fest auf wunderbare Weise und es erfreut sich bei den Christen immer noch großer Beliebtheit.
Wir finden bei den ersten Fronleichnamsfeiern 1446 und 1264 noch keinen Hinweis auf eine Prozession mit dem Allerheiligsten. In einem ersten Rundschreiben zu diesem Fest heißt es, die Gläubigen sollen sich "am Vortag durch Fasten, Gebet, Nachtwachen, Almosen und andere gute Werke vorbereiten, so dass sie am Fest selbst das süße Sakrament empfangen können, wenn sie bereit und bewährt sind und wenn Gott ihre Herzen berührt." Es wird also auf die Notwendigkeit eines würdigen Empfangs der Eucharistie hingewiesen.
Bereits in den Jahren 1274 und 1279 hören wir aber erstmals in Köln von einer Prozession am Fronleichnamstag. Im 14. Jahrhundert schließlich findet diese Form der Verehrung des Allerheiligsten eine begeisterte Aufnahme in den meisten Ländern. Dabei wurde die konsekrierte Hostie zunächst verhüllt, später dann sichtbar in der Monstranz mitgetragen, wie wir es bis heute kennen.

Papst Johannes Paul II. schreibt in der Enzyklika "Ecclesia de Eucharistia":

An vielen Orten findet die Anbetung des heiligsten Sakramentes täglich einen weiten Raum und wird so zu einer unerschöpflichen Quelle der Heiligkeit.
Die andächtige Teilnahme der Gläubigen an der eucharistischen Prozession am Hochfest des Leibes und Blutes Christi ist eine Gnade des Herrn, welche die teilnehmenden Gläubigen jedes Jahr mit Freude erfüllt.
Man könnte noch andere positive Zeichen des Glaubens und der Liebe zur Eucharistie erwähnen.

Hier finden Sie weitere Texte zum Fronleichnamsfest.