Herrenfeste

6.8. Verklärung

Erste Lesung

Dan 7,9-14

Ich sah immer noch hin; da wurden Throne aufgestellt, und ein Hochbetagter nahm Platz. Sein Gewand war weiß wie Schnee, sein Haar wie reine Wolle. Feuerflammen waren sein Thron, und dessen Räder waren loderndes Feuer. Ein Strom von Feuer ging von ihm aus. Tausendmal Tausende dienten ihm, zehntausendmal Zehntausende standen vor ihm. Das Gericht nahm Platz, und es wurden Bücher aufgeschlagen.
Immer noch hatte ich die nächtlichen Visionen: Da kam mit den Wolken des Himmels einer wie ein Menschensohn. Er gelangte bis zu dem Hochbetagten und wurde vor ihn geführt. Ihm wurden Herrschaft, Würde und Königtum gegeben. Alle Völker, Nationen und Sprachen müssen ihm dienen. Seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft. Sein Reich geht niemals unter.

oder :

2Petr 1,16-19

Denn wir sind nicht irgendwelchen klug ausgedachten Geschichten gefolgt, als wir euch die machtvolle Ankunft Jesu Christi, unseres Herrn, verkündeten, sondern wir waren Augenzeugen seiner Macht und Größe.
Er hat von Gott, dem Vater, Ehre und Herrlichkeit empfangen; denn er hörte die Stimme der erhabenen Herrlichkeit, die zu ihm sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.
Diese Stimme, die vom Himmel kam, haben wir gehört, als wir mit ihm auf dem heiligen Berg waren. Dadurch ist das Wort der Propheten für uns noch sicherer geworden, und ihr tut gut daran, es zu beachten; denn es ist ein Licht, das an einem finsteren Ort scheint, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in eurem Herzen.

Evangelium A

Mt 17,1-9

In jener Zeit nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg. Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden blendend weiß wie das Licht.
Da erschienen plötzlich vor ihren Augen Mose und Elija und redeten mit Jesus. Und Petrus sagte zu ihm: Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija.
Noch während er redete, warf eine leuchtende Wolke ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören. Als die Jünger das hörten, bekamen sie große Angst und warfen sich mit dem Gesicht zu Boden. Da trat Jesus zu ihnen, fasste sie an und sagte: Steht auf, habt keine Angst! Und als sie aufblickten, sahen sie nur noch Jesus.
Während sie den Berg hinabstiegen, gebot ihnen Jesus: Erzählt niemand von dem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.

Evangelium B

Mk 9,2-10

In jener Zeit nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg, aber nur sie allein.
Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; seine Kleider wurden strahlend weiß, so weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann.
Da erschien vor ihren Augen Elija und mit ihm Mose, und sie redeten mit Jesus.
Petrus sagte zu Jesus: Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Er wusste nämlich nicht, was er sagen sollte; denn sie waren vor Furcht ganz benommen.
Da kam eine Wolke und warf ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.
Als sie dann um sich blickten, sahen sie auf einmal niemand mehr bei sich außer Jesus. Während sie den Berg hinabstiegen, verbot er ihnen, irgendjemand zu erzählen, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden sei. Dieses Wort beschäftigte sie, und sie fragten einander, was das sei: von den Toten auferstehen.

Evangelium C

Lk 9,28b-36

In jener Zeit nahm Jesus Petrus, Johannes und Jakobus beiseite und stieg mit ihnen auf einen Berg, um zu beten.
Und während er betete, veränderte sich das Aussehen seines Gesichtes, und sein Gewand wurde leuchtend weiß.
Und plötzlich redeten zwei Männer mit ihm. Es waren Mose und Elija; sie erschienen in strahlendem Licht und sprachen von seinem Ende, das sich in Jerusalem erfüllen sollte.
Petrus und seine Begleiter aber waren eingeschlafen, wurden jedoch wach und sahen Jesus in strahlendem Licht und die zwei Männer, die bei ihm standen.
Als die beiden sich von ihm trennen wollten, sagte Petrus zu Jesus: Meister, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Er wusste aber nicht, was er sagte.
Während er noch redete, kam eine Wolke und warf ihren Schatten auf sie. Sie gerieten in die Wolke hinein und bekamen Angst. Da rief eine Stimme aus der Wolke: Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.
Als aber die Stimme erklang, war Jesus wieder allein. Die Jünger schwiegen jedoch über das, was sie gesehen hatten, und erzählten in jenen Tagen niemand davon.
Verklärung des Herrn

Fest der Verklärung des Herrn

Von der Verklärung des Herrn berichten alle drei synoptischen Evangelien. Es muss sich um eine entscheidende Erfahrung der Göttlichkeit Jesu gehandelt haben, die sich den drei Jüngern, die mit Jesus auf den Berg der Verklärung gestiegen sind, unauslöschlich eingebrannt hat. In einer längeren Entwicklung hat sich die Kirche dann entschieden, dieses Ereignis als eigenständigen Festtag zu begehen. Im fünften Jahrhundert ist die liturgische Feier der Verklärung des Herrn in der ostsyrischen Liturgie bekannt, später auch in anderen östlichen Kirchen. Der Westen hat das Fest im 10. Jahrhundert übernommen, aber erst 1457 wurde es von Papst Calixtus III. für die Gesamtkirche eingeführt.
Der Einfall des Petrus, Hütten zu bauen, unterstützt die Deutung einiger Exegeten, dass die Verklärung Jesu am letzten Tag des Laubhüttenfestes stattgefunden hat. Dieses Fest soll an die Zeit der Wüstenwanderung erinnern, als Israel nicht in festen Häusern wohnte. Es ist Brauch, während des Laubhüttenfestes in selbstgebauten Hütten (Sukkot) zu wohnen, durch deren Dach aus Zweigen man die Sterne in der Nacht sehen kann. In einem übertragenen Sinn sind diese Laubhütten nicht nur als ein Gedächtnis an den Schutz Gottes beim Auszug aus der Wüste zu sehen, sondern sie weisen auch hin auf die göttlichen Zelte, in denen die Gerechten der kommenden Weltzeit wohnen werden.
Bereits die ostkirchliche Tradition hat das Fest auf den 6. August gelegt, 40 Tage vor dem Fest der Kreuzerhöhung am 14. September. Damit folgt sie der biblischen Chronologie, in der die Verklärung Jesu am Anfang seines Weges nach Jerusalem steht, wo er durch das Leiden des Kreuzes hindurch zur Herrlichkeit der Auferstehung gelangt. So deuten auch die Evangelien die Verklärung als Hinweis auf Jesu Tod und Auferstehung. Lukas berichtet, dass Mose und Elija mit Jesus "von seinem Ende, das sich in Jerusalem erfüllen sollte" (Lk 9,31) sprachen. Den Jüngern soll der Anblick des verklärten Herrn die Zuversicht geben, dass sie in der Stunde seines Leidens nicht an ihm zweifeln. Nach seiner Auferstehung wird er den Jüngern wieder in seinem verklärten Leib erscheinen und wir erwarten seine Wiederkunft am jüngsten Tag. Auch darauf weist die Verklärung hin.

Er zeigte ihnen, wie er am Jüngsten Tage in der Herrlichkeit seiner Gottheit und im Körper seiner Menschheit kommen werde. (Ephräm der Syrer)

Doch die Verklärung Christi gibt auch allen Gläubigen als Hoffnungsbild dessen, was sich einst an ihnen ereignen wird:

Bei dieser Verklärung handelt es sich in erster Linie darum, aus den Herzen der Jünger das Ärgernis zu entfernen, das sie an seinem Kreuze nahmen. ... Doch ebenso zeigt sich Jesus darum besorgt, die Hoffnung seiner heiligen Kirche auf sicheren Grund zu stellen, damit der ganze Leib Christi darum weiß, welche Umgestaltung auf ihn wartet. So sollen all seine Glieder fest darauf bauen, dass sie der Glorie teilhaftig werden, die bereits im Voraus an ihrem Haupt zutage getreten ist. Davon hat der Herr gesprochen, als er auf seine "Ankunft in Macht und Herrlichkeit" mit den Worten anspielte: "Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne im Reiche ihres Vaters". (Leo der Große)

Das Fest der Verklärung des Herrn hat somit einen ausgesprochen kosmischen Charakter. Denn hier wird der irdische Leib Jesu verwandelt, der die Materie der Erde angenommen hat und somit in Verbindung steht mit allen Menschen und Geschöpfen der Erde. Somit wird deutlich, was das Ziel der ganzen Schöpfung ist. Sie soll von der Vergänglichkeit befreit werden und mit Christus verwandelt werden in eine neue Schöpfung Gottes, die zusammen mit Christus in der Herrlichkeit der Kinder Gottes erstrahlt

Verwandelte Wirklichkeit

Sie kennen sicherlich die sogenannten Kippbilder. Je nachdem, wie man das Bild fixiert, kann man entweder das eine oder das andere Motiv erkennen. Das Bild bleibt das gleiche, aber wir erkennen etwas anderes je nach Betrachtungsweise. Vielleicht funktioniert diese Methode nicht nur bei diesen speziellen Bildern, sondern ist signifikant für alles, was wir wahrnehmen. Unsere Wahrnehmung wird entscheidend davon beeinflusst, wie wir geprägt sind. Daher werden verschiedene Personen den gleichen Vorgang nicht immer in exakt der gleichen Weise schildern. Je nach Prägung wählt unsere Wahrnehmung aus der Flut der Sinneseindrücke nur einen kleinen Teil aus, der uns gewahr wird. Daher dürfen wir nicht davon ausgehen, dass alles, was wir wahrnehmen, schon die ganze Wirklichkeit darstellt und in jedem Fall objektiv ist.
Vielleicht ist unsere ganze Welt eine Art Kippbild. Durch unsere Erziehung und Prägung nehmen wir immer nur ein Bild wahr. Aber es gibt noch viele andere Bilder, die auch da sind, die wir aber nicht erkennen. Es gibt verschiedene Übungen, wie wir unsere Wahrnehmung verändern können, um dadurch bewusster wahrzunehmen. Es sind oft nur Kleinigkeiten, die viele einfach übersehen, die aber ein ganz anderes Bild der Welt vor uns entstehen lassen.
Bei der Verklärung auf dem Berg Tabor haben die drei Jünger, die Jesus mir sich genommen hat, den Herrn auf eine ganz andere Art und Weise gesehen, als sie es bisher gewohnt waren. Für Jesus waren sicher beide Erscheinungsweisen gleicherweise selbstverständlich. Den Menschen zeigte er sich aber nur auf seine menschliche Art und Weise. Er war ganz Mensch. Aber zugleich bleibt Jesus auch in seiner Zeit auf Erden ganz mit dem Vater im Himmel verbunden.
Jesu göttliche Seite ging durch die Menschwerdung nicht verloren. Die Evangelien berichten uns oft, dass Jesus in die Einsamkeit geht und dort innige Zwiesprache mit seinem Vater im Himmel hält. Für die Jünger verborgen zeigt Jesus da ganz seine göttliche Seite. Menschheit und Gottheit sind für Jesus keine unvereinbaren Pole, sondern er vereinigt beides in sich.
Es gibt zu allen Zeiten Menschen, denen es gegeben ist, einen Blick in jene andere Welt zu werfen. Mose und Elija, die Jesus erscheinen, sind zwei Repräsentanten solcher Menschen. Mose hat mit Gott von Angesicht zu Angesicht gesprochen, Elija durfte quasi Gottes Rücken sehen, nachdem dieser an ihm vorübergezogen war. Lebend wurde er im Feuerwagen in den Himmel entrückt.
Unsere Zeit existiert in Gottes Ewigkeit und daher kann die Ewigkeit nicht in unerreichbarer Ferne liegen, sondern ist uns vielleicht näher, als wir glauben. Es gibt solche Momente, in denen wir die Ewigkeit spüren können. Wenn unser Verstand aufhört denkend, umherzuschweifen und unser Bewusstsein einfach nur da ist, dann können sich Zeit und Ewigkeit in einem Augenblick berühren.
In ganz besonderer Weise kommt dem Licht eine Vermittlerrolle zwischen Zeit und Ewigkeit zu. Die Jünger sehen den verklärten Herrn in ein Licht gehüllt, das zu beschreiben ihnen letztlich die Worte fehlen. Licht kennt keine Zeit, weil es reine Energie ist. Zeit ist nur da, wo Masse ist. Wir sind mit unserem Körper an die Gesetze von Raum und Zeit gebunden. Aber dennoch tragen wir einen Funken jenes Lichts der Ewigkeit in uns. Diesen Funken gilt es zu entdecken und wir können lernen, in seinem Licht die Welt zu betrachten.
Die Verklärung Jesu ist für uns ein Zeichen, dass nicht allein Raum und Zeit uns bestimmen, sondern dass ebenso die Welt des göttlichen Lichtes zu unserer Wirklichkeit gehört. Jesus kam aus dieser göttlichen Welt und ist in diese wieder zurückgekehrt. Er hat uns seine Taten und Worte hinterlassen. Seinen Worten zu lauschen, sie zu meditieren, sich ganz in sie zu versenken und sich von ihnen verwandeln zu lassen, ist der Weg, der uns jenen Blick in die andere Wirklichkeit öffnet, die uns jetzt noch verborgen ist.

Licht, unveränderlich, o Wort,
Licht du des ungezeugten Vaters,
Licht, enthüllt im Lichte,
heute schauten auf dem Tabor wir
das Licht des Vaters,
das Licht auch des Geistes,
der durch sein Licht die ganze Schöpfung leitet.
Verklärung des Herrn

Einfach umwerfend

Wer ist dieser Jesus? Diese Frage haben sich die Jünger oft gestellt. Sie waren von Anfang an von ihm begeistert, er hatte etwas, das sie faszinierte und in den Bann zog. Damals am See, als er Petrus und Andreas, Jakobus und Johannes gerufen hat, da haben sie alles stehen und liegen gelassen und sind Jesus gefolgt, sind mit ihm umhergezogen, haben hautnah erlebt, wie er mit den Menschen gesprochen hat, wie er viele von ihren Krankheiten geheilt hat und ihnen so neues Leben und neue Hoffnung geschenkt hat. Sie haben seine Worte gehört, die er zu den Menschen sprach, die aber nur wenige wirklich verstanden haben und die bei vielen auch auf Ablehnung gestoßen sind.

Für wen haltet ihr mich?

So hat Jesus die Zwölf gefragt. Warum zieht ihr mit mir umher, warum seid ihr bei mir? Was hält euch? Petrus hat die tiefste Empfindung aller zum Ausdruck gebracht, als er sagte: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes! Petrus wusste wahrscheinlich selbst nicht, wie diese Worte über seine Lippen kamen. Den Jüngern aber war klar: dieser Jesus ist mehr als einfach nur ein gewöhnlicher Mensch, der mit seiner Ausstrahlung die Menschen begeistern kann.
Und dann nimmt Jesus eines Tages Petrus, Jakobus und Johannes mit sich. Fragend werden die anderen ihnen nachgesehen haben, als sie mit Jesus den Weg auf den Berg Tabor hinauf gegangen sind. Sie haben vielleicht an Mose gedacht, der auf den Berg Sinai gestiegen ist, wo er Gott begegnet ist und die Gesetzestafeln erhalten hat, oder an Elija, dem Gott auf dem Berg Horeb im sanften Säuseln erschienen ist.
Berge waren schon immer Orte einer besonderen Begegnung mit Gott und auch jetzt werden die drei Apostel Zeugen eines wahrhaft umwerfenden Ereignisses. Sie bekommen eine ganz besondere Antwort auf die Frage, wer dieser Jesus ist. Denn plötzlich sehen sie ihn nicht mehr in der Gestalt des Menschen, den sie kennen, sondern sie sehen ihn verklärt in göttlichem Glanz. Die menschliche Sprache ist nicht in der Lage, diesen Glanz des Göttlichen, der hier in die Welt einbricht, angemessen zu beschreiben. Es ist ein Leuchten, der heller ist als alles, das man sich vorstellen kann.

Das ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.

Mitten im Glanz dann plötzlich der Schatten einer Wolke. Doch es ist keine gewöhnliche Wolke. Die Wolke kündigt eine Gotteserscheinung an, aus der Wolke spricht Gott. Er gibt den Aposteln einen Auftrag. Sie sollen Jesus als den geliebten Sohn Gottes erkennen und auf ihn hören. Die Ikone versucht deutlich zu machen, wie überwältigt die Apostel von diesem Ereignis waren. Sie sind zu Boden gestürzt. Jakobus ganz rechts droht vor Schreck den Berg hinab zu fallen, Johannes in der Mitte liegt über den Boden hingestreckt in der Haltung tiefster Verehrung und Petrus erhebt noch die Hände, mit denen er seine Worte unterstreichen will, dass es gut sei, hier zu sein. Doch alle Worte gehen hier fehl. Was bleibt, ist nur das anbetende Staunen.

Den Aposteln offenbarte der Vater auf dem Berg, was ihnen unbekannt war. Der Seiende offenbarte den Seienden, der Vater den Sohn. Bei diesem Ruf fielen die Apostel auf ihr Angesicht zur Erde nieder. Denn es war ein furchtbarer Donner, so dass von seinem Schalle die Erde erzitterte und sie zu Boden stürzten. Der Donner zeigte ihnen an, dass der Vater nahe ist. Dann rief sie der Sohn mit seiner Stimme und hieß sie aufstehen. Wie nämlich die Stimme des Vaters sie niederwarf, so richtete sie die Stimme des Sohnes durch die Macht seiner Gottheit auf, welche in seinem Fleische wohnt und mit demselben ohne Verwandlung vereinigt ist, indem beide in einer Hypostase und in einer Person unzerteilt und unvermischt verbleiben. Er war nicht wie Mose nur äußerlich glänzend, sondern er strahlte als Gott in Herrlichkeit. Denn Moses wurde nur an der Oberfläche seines Gesichtes mit Glanz gesalbt, Jesus aber leuchtete am ganzen Leibe durch die Herrlichkeit seiner Gottheit, wie die Sonne durch ihre Strahlen. (Ephräm der Syrer)

Die Worte des Vaters geben eine Weisung an die Apostel und an uns. Gleich werden sie wieder vom Berg herabsteigen. Werden Jesus wieder wie einen gewöhnlichen Menschen sehen, ja sie werden ihn bald leiden und am Kreuz sterben sehen. Jesus wird dann nur noch verborgen unter seinen Jüngern sein. Wie wird er weiterhin erfahrbar bleiben? Im Hören auf Jesu Wort ereignet sich das Bleiben Gottes auf Erden. Wenn die Jünger aller Zeiten auf ihn hören, werden sie seine machtvolle Gegenwart erfahren.

Steht auf, habt keine Angst!

Mit diesen Worten holt Jesus seine Jünger wieder in die Gegenwart zurück. "Steh auf!" Vielleicht wird Gott auch einmal zu uns diese Worte sprechen, wenn wir vor seinem Angesicht stehen und ihn sehen, wie er ist. Dann werden wir den heiligen Schauer ermessen können, der über die drei Jünger in der Stunde der Verklärung kam. Die Gegenwart Gottes zwingt auf die Knie, doch Gottes Güte richtet uns auf und führt uns in die Herrlichkeit des Himmels.
Nehmen auch wir dieses Staunen über Gottes Herrlichkeit mit, wenn wir mit den Jüngern vom Berg herabsteigen. Knien wir nieder und beten ihn an, der uns gegenwärtig ist als Gottes Sohn. Beten wir ihn an, nicht mit vielen Worten, sondern mit dem gläubigen Staunen über seine Herrlichkeit, aber auch voll Dankbarkeit, dass er auch uns ruft in seine Nachfolge. Er, der Herr, der so groß und herrlich ist, er steigt zu uns herab und begleitet uns als treuer Freund auf unserem Lebensweg, wie er damals mit den Jüngern umhergezogen ist. Er sucht die Begegnung mit uns, wie er damals den Menschen entgegengekommen ist, die auf seine Hilfe gehofft haben. Er, der ewig in der göttlichen Herrlichkeit des Vaters thront, will allezeit als Mensch uns Menschen begegnen.
Wir alle haben unsere Tabor-Erlebnisse in irgendeiner Weise. Manchmal erleben wir ganz intensiv die Nähe Gottes. Doch immer heißt es dann auch für uns, wieder in den Alltag hinabzusteigen. Wir können von solchen Erfahrungen zehren, aber doch bleiben die Mühen des Alltags. Auch wenn wir Gott so nah gesehen haben, ist das keine Garantie dafür, dass wir ihn nicht vergessen. Doch wir dürfen uns immer sicher sein, dass Gott uns nahe ist, dass er uns nie vergisst. Mit einem heiligen Ruf hat Gott uns gerufen. Diesem Ruf bleibt Gott treu. Die Liebe Gottes zu uns hört nie auf.

Die Erfahrung vollkommener Liebe gehört der Zukunft an: wenn wir auf ewig in der Schau Gottes leben. Hier auf der Erde bemühen wir uns darum, zumindest ein wenig davon zu erlangen und uns seiner Gegenwart in uns bewusst zu werden. Sich auf diese Entdeckungsreise und Suche zu machen verlangt immer wieder eine Bekehrung des Herzens. Wir können versuchen, auf Gottes Stimme zu hören, die uns ruft.
Suchen wir also Gottes Spuren: in der Schöpfung, in der Heiligen Schrift, in Jesus Christus; vielleicht bekommen wir eine Ahnung von ihm und hören den Nachhall seiner Stimme. Tief im Herzen werden wir beginnen, seine Gegenwart wahrzunehmen, wenn wir den Blick auf ihn richten und die Sehnsucht nach ihm wachhalten.
Vater, lehre uns, deine Gegenwart zu erkennen und öffne unser Herz für deine Stimme.
(Basil Hume)
Deine Auferstehung hast du im Voraus
dargestellt, Christus Gott, deine drei
Jünger Petrus, Jakobus und Johannes
hast du mitgenommen,
als du auf den Tabor hinaufstiegst.
Als du, Erlöser, verklärt wurdest,
wurde der Tabor-Berg in Licht gehüllt.
Deine Jünger, göttliches Wort,
warfen sich auf den Erdboden,
da sie nicht zu schauen vermochten
deine unschaubare Gestalt.
Engel dienten mit Furcht und Zittern,
die Himmel erschauderten,
die Erde erbebte,
als sie auf Erden erblickten
den Herrn der Herrlichkeit.
Verklärung des Herrn

Vision vom Menschensohn (Dan 7)

Heute am Fest der Verklärung des Herrn hören wir in der ersten Lesung eine Vision des Propheten Daniel. Das Buch Daniel gehört in den zeitlichen Kontext des babylonischen Exils, das mit der ersten Belagerung Jerusalems durch Nebukadnezzar im Jahr 597 v.Chr. begann. Der Prophet Daniel ("Gott hat Recht verschafft") wird als junger Mann zusammen mit drei anderen jungen Männern ausgewählt, um in den Dienst des Königs von Babylon zu treten. Die hohe Stellung Daniels am Hof der babylonischen Könige beruht auch auf seiner Fähigkeit, Träume zu deuten. Er gleicht hier Josef von Ägypten, der ähnlich wie David eine hohe Stellung am Hof des Pharao innehatte.
Daniel hatte aber auch selbst Visionen. Diese befassen sich mit der Frage nach der gerechten Herrschaft und dem Anbruch des Gottesreiches. Sie sprechen von der Endzeit, die eine Zeit der Bedrohung des Gottesvolkes ist. Die Zahlenspekulationen des Buches haben immer wieder für Berechnungen des Weltendes herhalten müssen, ebenso wie die Abfolge der verschiedenen Reiche mit bestehenden Reichen identifiziert wurde. Tatsächlich ist das Buch Daniel ist ein apokalyptisches Buch, das verborgene Hinweise auf eine bevorstehende Endzeit gibt. Jedoch entzieht sich das Wesen dieser Endzeit aller menschlichen Spekulation.
Auch für die christliche Apokalyptik, insbesondere die Offenbarung des Johannes, bilden die Visionen Daniels eine wichtige Grundlage. Gerade die Offenbarung des Johannes macht deutlich, dass die Endzeit immer die Jetzt-Zeit ist. Der Gläubige steht stets einer ihm feindlichen Welt gegenüber, in der sich seine Standhaftigkeit bewähren muss. Immer wieder steigen die Tiere des Bösen aus dem Abgrund hervor und es gilt sie zu bezwingen. Wann diese Abfolge der Reiche des Tieres ein Ende hat und Gottes Herrschaft schließlich alles überstrahlt, bleibt letztendlich Gottes Geheimnis.

Ich sah immer noch hin; da wurden Throne aufgestellt, und ein Hochbetagter nahm Platz. Sein Gewand war weiß wie Schnee, sein Haar wie reine Wolle. Feuerflammen waren sein Thron, und dessen Räder waren loderndes Feuer. Ein Strom von Feuer ging von ihm aus. Tausendmal Tausende dienten ihm, zehntausendmal Zehntausende standen vor ihm. Das Gericht nahm Platz, und es wurden Bücher aufgeschlagen. (Dan 7,9-10)

Visionen dürfen wir nie in konkreten Bildern deuten. Wenn hier von einem Hochbetagten gesprochen wird, so können wir darin die Grundlage der verbreiteten Vorstellung von Gott Vater als altem Mann sehen. Doch die Vision sagt nicht, dass Gott ein alter Mann ist. Eine Vision muss das Unbeschreibliche in beschreibbaren Bildern ausdrücken.
Daniel sieht Gott als Herrscher des Himmels und der Erde. Gott ist einfach großartig, sein Gewand blendend weiß, das Haar wie Wolle, ein Thron von Feuerflammen mit lodernden Rädern. Das alles kann nicht konkret sein. Es sind Bilder, die ineinander gehen, Feuer das brennt, heller Glanz, der die Augen blendet.
Wir müssen die Bilder der damaligen Menschen vor Augen haben, die sich diese von einem orientalischen Herrscher machten. In unnahbarem Glanz sitzt dieser auf seinem Thron umgeben von seinem Thronrat. Doch Gott überstrahlt den Glanz dieses Herrschers unüberbietbar, nicht nur in seiner Größe, sondern in seiner Wesenhaftigkeit. Kein Glanz der Erde, und würde er aus allen Schätzen bestehen, die man auf Erden zusammentragen kann, reicht heran an Gottes Glanz. Er wäre nur ein schwacher Abglanz von Gottes Herrlichkeit, genauso wie das Bild des Propheten die Wirklichkeit, die er sieht, nur unvollkommen wiedergeben kann.

Immer noch hatte ich die nächtlichen Visionen: Da kam mit den Wolken des Himmels einer wie ein Menschensohn. Er gelangte bis zu dem Hochbetagten und wurde vor ihn geführt. Ihm wurden Herrschaft, Würde und Königtum gegeben. Alle Völker, Nationen und Sprachen müssen ihm dienen. Seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft. Sein Reich geht niemals unter. (Dan 7,13-14)

Mit den Wolken des Himmels kam einer, der aussah wie ein Menschensohn. Die jüdische Tradition sieht darin den Messias, der als gerechter Herrscher die Herrschaft Gottes über die ganze Welt ausübt. Im Christentum sehen wir diese Vision in Jesus Christus erfüllt. In ihm kam Gottes Sohn als Mensch auf die Erde, um Gottes Reich zu errichten, ein Reich, das alle Völker, Nationen und Sprachen umfasst.
Gottes Reich existiert auf der Erde, aber wieder wird der Unterschied zwischen Vision und Wirklichkeit deutlich. Wenn wir die Vision betrachten, könnten wir uns Gottes Reich machtvoll vorstellen, ein Reich, das wie eines der damaligen Weltreiche den gesamten bekannten Erdenraum umfasst, regiert durch einen göttlichen Herrscher, der den irdischen Herrschern ähnlich ist, nur eben viel größer und mächtiger.
Doch wenn wir so denken, machen wir wieder ein visionäres Bild zu einer konkreten Wirklichkeit und genau wie bei Gott als altem Mann mit weißem Bart liegen wir auch hier wieder gehörig falsch. Gottes Reich auf Erden unterscheidet sich nicht nur in deiner Form, sondern in seinem Wesen von irdischen Reichen. Gottes Herrschaft steht über allem, aber nicht sichtbar, sondern unsichtbar. Gottes Herrschaft wirkt, aber wir können ihre Kraft nur erfahren, wenn wir uns auf die Ebene dieser Herrschaft begeben.
In den Evangelien hat Jesus Christus uns die Regeln seines Reiches hinterlassen. Dort finden wir die Anleitung dazu, wie wir als Bewohner des Himmelreiches zu leben haben und Jesus zeigt uns auch, was geschieht, wenn wir nach diesen Regeln leben. Die Menschen werden verwandelt, Krankheiten genommen, Fesseln gelöst, Freude überall.
Doch als Bürger des Himmelreiches sind wir nicht immun gegen die Übergriffe irdischer Macht, wie die vielen Opfer zeigen, angefangen von Jesu Tod über die Märtyrer der alten Zeit bis zu den vielen heute, die wegen ihres Glaubens verfolgt und getötet werden. Aber die Kraft des Reiches Gottes wird dadurch nicht geschwächt. Es kann nicht durch den irdischen Tod seiner Bürger ausgelöscht werden. Wie aus einem unsichtbaren Wurzelwerk brechen immer wieder neue Triebe hervor und zeigen, dass Gottes Herrschaft lebendig ist.
Bei der Verklärung des Herrn gewährt Jesus drei seiner Jünger, einen Blick auf diese verborgene Herrlichkeit des Reiches Gottes zu werfen. Sie sehen, was den Augen normalerweise verborgen ist. Jesus in göttlichen Glanz gehüllt. Sie erkennen: Jesus ist mehr als ein Mensch. Er ist Gottes Sohn, der als Menschensohn gekommen ist, um das Himmelreich auf Erden zu errichten.

Vor deiner Kreuzigung, Herr
bildete der Berg den Himmel nach
und die Wolke breitet sich
über ihm aus wie ein Zelt.
Als du verklärt und vom Vater
bezeugt wurdest, war Petrus zugegen
mit Jakobus und Johannes,
da sie auch bei dir sein sollten
zur Zeit deiner Auslieferung,
damit sie deine Wunder schauten und
nicht verzagten wegen deiner Leiden.
Diese zu verehren in Frieden
mache uns würdig
durch dein großes Erbarmen.
Der einst mit Mose redete auf
dem Berg Sinai in Sinnbildern:
"Ich bin der Ich-Bin", zeigt heute
auf dem Tabor-Berg, verklärt vor
seinen Jüngern, die ursprüngliche
Schönheit des göttlichen Abbildes,
da er die menschliche Natur
in sich aufnahm.
Zu Zeugen einer solchen Gnade
bestellte er Mose und Elija und ließ sie
teilhaben an der Freude, da sie vorher-
verkündet hatten den Tod am Kreuz
und die heilbringende Auferstehung.