Herrenfeste

14.9. Kreuzerhöhung

Kreuzerhöhung

Kreuzerhöhung

Kreuzerhöhung

Das Fest Kreuzerhöhung steht in Zusammenhang mit der Wiederfindung des Kreuzes Christi durch die Kaiserin Helena und der Einweihung der Grabeskirche in Jerusalem im Jahr 335.
Durch Christi Tod wurde das Kreuz zum Zeichen für das Christentum schlechthin. Doch was ist das für eine Religion, die es als eine ihrer wichtigsten Grundlagen ansieht, dass Gott am Kreuz gestorben ist? Und was ist das für ein Gott, der sich ans Kreuz hängen lässt - für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit? Wie können wir Christen den Menschen heute begreifbar machen, dass das Kreuz der größtmögliche Ausdruck der Liebe Gottes zu uns Menschen ist?

Das Kreuz als Siegeszeichen

Das Kreuz ist grausam, es ist eines der grässlichsten Folterinstrumente, das sich Menschen ausgedacht haben. Noch heute meinen Menschen seinen Anblick nicht ertragen zu können und wollen es aus öffentlichen Einrichtungen wie z.B. Schulen verbannt sehen.
Meinen diese Menschen, wir würden in einer Welt leben, in der es keine Grausamkeiten mehr gibt? Sie verschließen die Augen vor allem, was nach Schmerz und Leid aussieht und können dadurch doch die Welt um keinen Deut besser machen.

Was kann ein größeres Zeichen für die Realität der Liebe sein, als ein Gott, der seine Augen nicht vor dem Leid der Welt verbirgt, sondern um unseretwillen selbst durch die größte Grausamkeit und Leiden geht?
Nicht im Verdrängen des Grausamen und des Leidens besteht seine Überwindung, sondern nur in der Konfrontation mit ihm. Grausamkeit und Leiden gehören zu unserem Alltag, aber wir dürfen uns von ihnen nicht besiegen lassen. Wer ihnen standhaft ins Auge sieht, kann sie überwinden und damit ein Zeichen setzen, dass das Leben stärker ist als der Tod.
Viele Menschen haben heute die Hoffnung verloren und sehen keinen Sinn mehr im Leben. Warum soll es besser sein, dass etwas ist, als dass nichts ist? Warum soll es besser sein, dass wir Leben, als das wir tot sind?
Unsere materialistische Gesellschaft kann auf diese Fragen keine Antwort geben. Wenn wir uns an ihren Vergnügungen berauscht haben, bleibt eine Leere, die immer größer wird, je mehr wir sie füllen wollen. Gelingt es uns als gläubigen Menschen, eine Antwort auf diese Fragen zu geben, mehr noch, die Antwort auf diese Fragen zu leben? Können wir anderen zeigen, dass es einen Gott gibt, der Leben ist und Leben spendet?

Sei gegrüßt o Kreuz, einzige Hoffnung in hoffnungsloser Zeit!

So singt die Kirche in einem alten Lied zum heutigen Fest.

Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung!

So beten wir siegessicher und voller Enthusiasmus.

Der Menschensohn musste erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat.

Was bedeutet uns dieses Kreuz, an dem unser Herr Jesus Christus gleich einem Verbrecher wie viele seiner Zeit so qualvoll gestorben ist?
Durch Jesus Christus hat dieses Marterwerkzeug eine ganz neue Bedeutung bekommen. An ihm hat er alle nur menschenmögliche Bosheit und alles Leid erlitten und ist qualvoll an ihm gestorben. Doch für Jesus Christus war das Kreuz nicht das Ende. Der Tod, so grausam er ihn auch erlebt hat, konnte ihn nicht halten. In seiner Auferstehung hat er den Tod und mit ihm alle Grausamkeit und Leiden besiegt.
So ist das Kreuz zum Zeichen des Heiles geworden. Wer an den Gott glaubt, der als Sieger aus dem Tod hervorgegangen ist, der wird selbst in diesem Gott das Leben haben. Das Kreuz ist das Siegeszeichen dafür, dass Gott mächtiger ist als die Mächte des Unheils und des Todes. Die Welt ist in Gottes Hand. Nichts und niemand kann die Glaubenden aus der schützenden Hand Gottes reißen. Dafür steht das Kreuz. Hell leuchtet es als Banner des Sieges, das jedem Rettung bringt, der sich zu ihm flüchtet.
Jede Zeit hat ihre eigenen Kreuzesdarstellungen, wie jede Zeit ihr eigenes Kreuz hat. Im 12. Jahrhundert, einer Zeit des Aufschwungs und Aufbruchs, zeigt man den triumphierenden Christus-König am Kreuz. Als im 14. Jahrhundert die Pest Europa heimsucht, tritt der leidende Christus in den Vordergrund. Immer wieder haben die Menschen sich und ihre Zeit in Verbindung gebracht mit diesem Christus am Kreuz, Aufschwung und Niedergang, Freude und Leid, all das liegt nahe beieinander und führt hin zum Kreuz. Das Kreuz ist die Mitte der Zeiten, die Quelle des Heils, der Garant neuen Lebens.

Kreuzerhöhung
Wir rühmen uns des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus.
In ihm ist uns Heil geworden und Auferstehung und Leben.
Durch ihn sind wir erlöst und befreit

Über das Kreuz

Niemand schäme sich des ehrwürdigen Zeichens unserer Erlösung, der größten aller Wohltaten, durch die wir leben, durch die wir sind. Wir wollen vielmehr das Kreuz Christi wie eine Krone tragen. Denn durch das Kreuz wird ja unser ganzes Heil vollbracht.
So oft jemand wiedergeboren wird, ist das Kreuz dabei, so oft er genährt wird mit jener geheimnisvollen Speise, so oft jemand geweiht wird, so oft irgendeine andere Handlung vorgenommen wird, überall steht dieses Zeichen des Sieges uns zur Seite.
Deshalb zeichnen wir es voll Eifer auf die Häuser, Wände und Fenster, auf die Stirn und auf das Herz. Ist es ja doch das Sinnbild unserer Erlösung, unserer gemeinsamen Befreiung, sowie der Güte unseres Herrn.
So oft du dich also mit dem Kreuz bezeichnest, beherzige alles, was im Kreuz liegt, dämpfe den Zorn und alle übrigen Leidenschaften. Wenn du dich bekreuzigst, erfülle deine Stirn mit großer Zuversicht, mache deine Seele frei.
Man darf das Kreuz aber nicht einfach nur mit dem Finger machen, sondern zuerst mit dem Herzen, voll innigen Glaubens. Wenn du es in dieser Weise auf deine Stirn zeichnest, dann wird dir kein unreiner Geist nahen, weil er die Waffe sieht, die ihm die Wunde geschlagen hat, das Schwert, das ihm den tödlichen Streich versetzt hat.
Schäme dich also nicht eines so großen Gutes, damit auch Christus sich deiner nicht schäme, wenn er in seiner Herrlichkeit kommt und wenn vor ihm sein Zeichen erscheinen wird, leuchtender als die Strahlen der Sonne.
Präge dir diese Wahrheit tief ins Gedächtnis ein und drücke das Heil unserer Seelen an dein Herz. Denn dieses Kreuz hat die Welt erlöst und bekehrt, hat den Irrtum verscheucht, die Wahrheit gebracht, die Erde in einen Himmel verwandelt, aus Menschen Engel gemacht.

Johannes Chrysostomus
Kreuzerhöhung
Vexilla regis prodeunt,
Fulget crucis mysterium,
Quo carne carnis conditor
Suspensus est patibulo.
Der König siegt, sein Banner glänzt,
geheimnisvoll erstrahlt das Kreuz,
an dessen Balken ausgestreckt
im Fleisch des Fleisches Schöpfer hängt.

So beginnt ein alter Hymnus auf das Kreuz Christi. Er zeigt uns das Kreuz als Banner oder Standarte, die dem Kriegsheer vorangetragen wird, es leuchtet als geheimnisvolles Zeichen auf, wie einst dem Kaiser Konstantin vor der Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahr 312. Kurz vor dieser Schlacht hatte Konstatin die Vision des Kreuzes, und sein Sieg, der ihn zum alleinigen Herrscher des Römischen Reiches machte, wird als Beginn der offiziellen Anerkennung des Christentums im Römischen Reich angesehen. Nur wenige Jahrzehnte später, im Jahr 380 unter Kaiser Theodosius, wurde dann die einst verfolgte Religion selbst zur Staatsreligion, die sich gegen Andersgläubige und interne Abweichler wandte.
Etwa 200 Jahre später verfasst Venantius Fortunatus (um 540 - um 600) diesen Hymnus auf das Kreuz. Die Zeit, in der er lebt, unterscheidet sich in Vielem von der Zeit des Konstantin und Theodosius, zumindest im Westen Europas. Dort hatte die Völkerwanderung das Römische Reich von der Landkarte hinweggefegt. Weitgehend noch unzivilisierte barbarische Stämme beginnen damit, dort neue Reiche zu gründen. Erobern und Erobertwerden wechseln einander ab, bis sich langsam die Ordnung Europas herausbildet, auf deren Grundstrukturen die Gesellschaften Westeuropas bis heute aufbauen.
Venantius Fortunatus hat noch die antike römische Bildung genossen. Er gilt als der letzte römische Dichter der Spätantike und zugleich als erster Dichter des Mittelalters. Der Ostteil des Reiches mit der Hautstadt Konstantinopel/Byzanz bestand nach dem Fall Roms noch etwa tausend Jahre weiter. Kaiser Justinian, während dessen Regierungszeit Venantius Fortunatus aufgewachsen ist, verteidigte Ostrom machtvoll gegen viele Angreifer, wenngleich sein großer Traum von der Eroberung der verlorenen westlichen Gebiete nicht Wirklichkeit wurde. Einzig Ravenna mit seinem Umland blieb den Kaisern noch als Stützpunkt im Westen und bildete einen Vorposten der Zivilisation inmitten der barbarischen Wirren.
Dort in Ravenna hat Venantius Fortunatus den ersten Teil seines Lebens verbracht. Im Jahr 565 brach er zu einer Pilgerreise nach Tours, zum Grab des heiligen Martin auf. In Gallien hat die Römische Kultur den Untergang der Römischen Herrschaft noch lange überdauert. In den Römerstädten Galliens blieb eine Römische Restbevölkerung zurück, zu der auch viele römische Adlige und Gebildete zählten. Ihr gelang es, was sicher nicht einfach war, sich mit den neuen Herrschern zu arrangieren. Auch christlicher Glaube und christliche Tradition blieben so erhalten. Einige der neuen Herrscher und mit ihnen deren Untergebene hatten ja bereits das Christentum angenommen, andere waren noch Heiden und bekehrten sich später. Aber es war ein langer Prozess, in dem das Christentum allmählich heidnisches Denken überlagerte.
Bei seiner Reise durch das merowingische Gallien begegnete Venantius Fortunatus einer anderen großen Persönlichkeit, der heiligen Radegund (um 520-587), die ich ebenfalls hier kurz vorstellen möchte. Radegund war die Tochter des Thüringerkönigs Berthachar. Nachdem der Frankenkönig Chlothar I. im Jahr 531 Thüringen erobert hatte, nahm er Radegund mit in sein Reich. In Athies an der Somme bekam Radegund eine christliche Erziehung. Gegen ihren Willen nahm Chlothar sie um das Jahr 540 zur Frau, um seinen Herrschaftsanspruch über Thüringen zu sichern. Es ist anzunehmen, dass Radegund im Alltagsleben ihren Ehemann nur selten begegnete. Die Ehe blieb Kinderlos. Radegund vertiefte sich immer mehr in den christlichen Glauben, verzichtete auf die Annehmlichkeiten einer Königin, lebte wie eine Nonne und übte sich in Werken der Barmherzigkeit.
Als Chlothar im Jahr 555 ihren Bruder ermorden ließ, floh Radegund nach Noyon. Ihr gelang es schließlich, dass ihre Ehe von der Kirche als ungültig angesehen wurde. So stand ihr der Weg frei, endlich das Leben einer Nonne zu führen. Im Jahr 558 gründete sie bei Portier ein Frauenkloster nach der Regel des hl. Caesarius von Arles und setze ihre Adoptivtochter Agnes zur ersten Äbtissin ein. Sie selbst lebte dort in aller Einfachheit und Demut und starb dort am 13. August 587 im Ruf der Heiligkeit.
Im Jahr 567 kam Venantius Fortunatus nach Portier und begegnete dort Radegund. Es entwickelte sich eine innige geistige Freundschaft. Venantius Fortunatus unterstütze das Kloster und schrieb dort Hymnen und Gedichte. Einen Höhepunkt stellte sicher das Eintreffen einer Reliquie des Hl. Kreuzes Christi dar, ein Geschenk des byzantinischen Kaisers Justin II. Anlässlich der feierlichen Überführung dieser Kreuzreliquie in das nun Sainte-Croix benannte Kloster am 19. November 569 erklang der von Venantius Fortunatus komponierte Hymnus zum ersten Mal.
Geschichte wird lebendig, ein gebildeter Römer, einer der letzten Repräsentanten einer vergangenen Epoche, eine Königstochter aus dem Haus germanischer Eroberer, eine der ersten Frauen aus dieser neuen Welt, über die wir gesicherte Überlieferungen besitzen, treffen sich in einem Kloster in Frankreich. Sie erhalten ein Geschenk des byzantinischen Kaisers, des damals wohl mächtigsten Mannes der Welt. Wir können heute noch die Lebensbeschreibung Radegunds lesen, die Venantius Fortunatus geschrieben hat, wir singen heute noch den Hymnus, der damals zum ersten Mal erklungen ist.
Uns Heutigen mag dieser Hymnus etwas zu pompös erscheinen. Militärische Standarten gehören weitgehend der Vergangenheit an, aber zur damaligen Zeit waren sie allgegenwärtig. Ständig zogen feindliche Heere durch das Land und der Sieger von heute wurde leicht zum Verlierer von morgen und wer andere mit dem Schwert tötete, musste auf der Hut sein, dass das Schwert nicht ihn selbst traf. Und doch gibt es ein Zeichen, das das Alte mit dem Neuen verbindet, das die ganze damals bekannte Welt umspannt, die letzten Reste des untergegangenen Römischen Reiches mit den neuen Herrschern und diese wiederum mit dem fernen Herrscher in Byzanz. Das Kreuz, das Zeichen des Sieges, das beständig sicher steht, auch wenn der Erdkreis sich dreht, Reiche entstehen und zerfallen, Menschen kommen und gehen.
Das Kreuz, an dem unser Schöpfer hing. Venantius Fortunatus dichtet eindrucksvoll: an dem im Fleisch des Fleisches Schöpfer hing, ausgestreckt an einem Balken. Der Schöpfer lässt sich von seinem Geschöpf kreuzigen. Wie groß ist die Brutalität der Menschen und wie groß ist die Barmherzigkeit des Schöpfers. Er antwortet dem Geschöpf nicht mit Vernichtung und Strafe, sondern mit grenzenlosem Verzeihen und mit der Macht der Auferstehung, mit der er alle in sein Reich führen will.
Wie groß ist die Brutalität der Menschen bis heute und diese wurde leider auch von Menschen ausgeübt, die mit dem Banner des Kreuzes vorangingen. Denken wir nur daran, wie viel Leid die Kreuzzüge, die dieses Banner missbraucht haben, gebracht haben, so viel Gewalt und nicht zuletzt die Trennung der Kirche in Ost und West. Können wir uns heute, wenn wir ehrlich sind, überhaupt noch unter das Banner des Kreuzes stellen?
Haben wir Mut, auch heute zum Kreuz zu stehen. Vertrauen wir seiner Kraft. Denken wir aber auch stets daran, dass es ein Zeichen der Einheit und des Friedens ist. Gemeinsam sollen wir hinter diesem Banner ziehen, Menschen aus Ost und West, Nord und Süd, Arme und Reiche, Starke und Schwache. Das Kreuz will alle Völker und Rassen vereinen. Wenn wir so dem Kreuz seine Ehre wiedergeben, dürfen wir es auch heute noch voll Stolz und Vertrauen tragen.

O crux, ave, spes unica,
Hoc passionis tempore,
Piis adauge gratiam
Reisque dona veniam.
O heil’ges Kreuz, sei uns gegrüßt,
du einz’ge Hoffnung dieser Welt.
Den Treuen schenke neue Kraft,
den Sündern tilge alle Schuld.
Ehre sei dir, o Herr! Du hast dein Kreuz wie eine Brücke über den Tod gespannt, damit die Menschen darüber vom Land des Todes in das des Lebens schreiten können.

Ephräm der Syrer