Jahreskreis A

17. Sonntag

Erste Lesung

1Kön 3,5.7-12

In jenen Tagen erschien der Herr dem Salomo nachts im Traum und forderte ihn auf: Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll.
Und Salomo sprach: Herr, mein Gott, du hast deinen Knecht anstelle meines Vaters David zum König gemacht. Doch ich bin noch sehr jung und weiß nicht, wie ich mich als König verhalten soll. Dein Knecht steht aber mitten in deinem Volk, das du erwählt hast: einem großen Volk, das man wegen seiner Menge nicht zählen und nicht schätzen kann.
Verleih daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht. Wer könnte sonst dieses mächtige Volk regieren?
Es gefiel dem Herrn, dass Salomo diese Bitte aussprach. Daher antwortete ihm Gott: Weil du gerade diese Bitte ausgesprochen hast und nicht um langes Leben, Reichtum oder um Tod deiner Feinde, sondern um Einsicht gebeten hast, um auf das Recht zu hören, werde ich deine Bitte erfüllen.
Sieh, ich gebe dir ein so weises und verständiges Herz, dass keiner vor dir war und keiner nach dir kommen wird, der dir gleicht.

Zweite Lesung

Röm 8,28-30

Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind; denn alle, die er im Voraus erkannt hat, hat er auch im Voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei.
Die aber, die er vorausbestimmt hat, hat er auch berufen, und die er berufen hat, hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht.

Evangelium

Mt 13,44-52

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Und in seiner Freude verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte den Acker.
Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte sie.
Weiter ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Netz, das man ins Meer warf, um Fische aller Art zu fangen. Als es voll war, zogen es die Fischer ans Ufer; sie setzten sich, lasen die guten Fische aus und legten sie in Körbe, die schlechten aber warfen sie weg.
So wird es auch am Ende der Welt sein: Die Engel werden kommen und die Bösen von den Gerechten trennen und in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen.
Habt ihr das alles verstanden? Sie antworteten: Ja.
Da sagte er zu ihnen: Jeder Schriftgelehrte also, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, gleicht einem Hausherrn, der aus seinem reichen Vorrat Neues und Altes hervorholt.
Schatz

Vom Schatz im Acker

Wir befinden uns mit dem heutigen Text in der großen Gleichnisrede Jesu, die das gesamte 13. Kapitel des Matthäusevangeliums umfasst. Diese Rede Jesu hat zwei Ebenen. Jesus redet zu einer Menschenmenge, die am Ufer des Sees seinen Worten zuhört. Diese Rede an die Menge wird unterbrochen durch Worte, die Jesus allein an die Jünger richtet, die sich in seiner unmittelbaren Nähe befinden. In 13,36 entlässt Jesus die Menge und auch der Ort des Geschehens wechselt. Jesus geht nun vom See wieder zurück in das Haus, begleitet von seinen Jüngern.

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Und in seiner Freude verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte den Acker. (Mt 13,44)

Die Gleichnisse vom Schatz im Acker und von der kostbaren Perle spricht Jesus nicht mehr zur Menge, sondern zum engeren Kreis seiner Jünger. Hier geht es um die ganz besondere Art der Nachfolge, die darin besteht, für Jesus alles herzugeben. Dieser Ruf in die engere Nachfolge Jesu begegnet uns öfter im Evangelium. Er richtet sich aber nur an die Jünger Jesu. An die Menge richtet Jesus zunächst den grundsätzlichen Ruf zur Umkehr, die Aufforderung, Jesu Wort zu hören und danach zu leben. Die Menschen müssen erst einmal Jesus und seine Botschaft kennenlernen und den Schritt der Umkehr vollziehen. Erst dann kann an sie der Ruf zu einer noch engeren Nachfolge Jesu ergehen.
Die Zweiteilung der Rede bedeutet also nicht eine Ausschließung, eine Aufteilung in eine Gruppe von besonderen Jüngern und gewöhnlichem Fußvolk. Sie bedeutet vielmehr, dass sich die Verkündigung auch am Stand der Hörer orientieren muss. "Einsteiger" brauchen eine andere Unterweisung als "Fortgeschrittene". Die Einführung muss Schritt für Schritt erfolgen. Nur so können aus Einsteigern einmal Fortgeschrittene werden, ohne dass die schon am Anfang mutlos aufgeben.

Schatz

Der Acker ist der Boden für das fruchtbare Wachsen der Saat und auch für das Unkraut, das hat Jesus uns in den beiden ersten Gleichnissen der Rede in Kapitel 13 gezeigt. In einem Acker kann aber noch mehr stecken: in ihm kann ein Schatz zu finden sein. Zugegeben, das kommt nicht sehr häufig vor. Ein solcher Schatz im Acker ist daher etwas ganz Besonderes. Jesus will seinen Jüngern sagen, dass sie zu den Glücklichen gehören, die einen solchen Schatz gefunden haben.
Um rechtmäßiger Besitzer dieses Schatzes zu werden, muss man erst einmal den ganzen Acker kaufen. Das erfordert einen hohen Einsatz. Auch das Leben nach Jesu Wort erfordert einen hohen Einsatz und verändert das Leben radikal. Doch man weiß, wofür man diesen Einsatz leistet: Der Wert des Schatzes liegt um ein Vieles höher als der Einsatz, der dafür nötig ist.
Doch ich habe noch eine andere Deutung für dieses Gleichnis. Ist nicht der Schatz, den jeder Acker birgt, gerade seine Fruchtbarkeit? Die Jünger Jesu sollen möglichst viel Ackerland für das Himmelreich gewinnen, damit möglichst viel Samen auf guten Boden fallen und fruchtbar sein kann.
"Die Armen sind der Schatz der Kirche", hat der Hl. Laurentius gesagt, als der heidnische Kaiser die Herausgabe des Kirchenschatzes gefordert hat. Der Schatz auf dem Acker sind die Menschen. Jeder Mensch trägt in sich den Samen, der ihn zum fruchtbaren Weizenkorn macht. Jeder Mensch ist ein Schatz, unheimlich bedeutsam und wertvoll. Um Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre Gaben voll zu entfalten, lohnt es sich alles zu geben.

Petrus Chrysologus

Petrus Chrysologus, der Gordredner, hat mit seinen Worten den Schatz der Heiligen Schrift zum Glänzen gebracht. Doch auch jeder Mensch ist vor Gott ein Schatz, ein Goldstück, jeder Mensch ist wertvoll vor Gott, egal woher er stammt und was er ist. Nur soll der Mensch sich nicht unter Wert verkaufen, indem er nach den niedrigen Dingen der Welt strebt. Seinen wahren Wert gewinnt der Mensch, wenn er sein Leben im Licht Gottes zum Glänzen bringt. So sagt er in einer Predigt:

Du Mensch, warum giltst du dir so wenig, da du doch für Gott so kostbar bist? Gott ehrt dich hoch. Warum entehrst du dich so sehr? Warum suchst du nach dem, woraus du geschaffen bist, und nicht nach dem, wofür du gemacht wurdest?

Was es bedeutet, alles aufzugeben und den einen Schatz zu besitzen, davon geben die Heiligen Zeugnis. Der hl. Franz von Assisi hat alles aufgegeben bis er nichts mehr hatte. Nicht. Nur Gott. Und so konnte er am Ende seines Lebens beten:

Mein Gott und mein Alles!

Mein Gott und mein alles, gib mir den Mut, alles für dich zu geben, weil ich weiß, dass ich so alles bekommen werde was nötig ist.

Ignatius von Loyola drückt das so aus:

Nimm, Herr, und empfange
meine ganze Freiheit, mein Gedächtnis,
meinen Verstand und meinen ganzen Willen,
all mein Haben und mein Besitzen.
Du hast es mir gegeben. Dir, Herr, gebe ich es zurück.
Alles ist dein, verfüge nach deinem ganzen Willen.
Gib mir deine Liebe und Gnade, denn diese genügt mir.
(Ignatius von Loyola)
Schatz

Die kostbare Perle - Risikogeschäft oder Liebhaberstück?

Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte sie. (Mt 13,45-46)

Was will uns Jesus mit dem Gleichnis von der kostbaren Perle sagen? Ist sie für den Kaufmann ein Liebhaberstück oder eher ein Risikogeschäft? Wer beispielsweise mit Aktien Geld machen will, muss schnell sein und den Markt immer im Blick haben. Aktien zur rechten Zeit eingekauft und zur rechten Zeit verkauft, können hohen Gewinn bringen. Die Entwicklung kann aber auch anders verlaufen und dann hat man mit solch einem Risikogeschäft viel Geld verloren.
Ist der Kauf der Perle, von der im heutigen Gleichnis die Rede ist, auch so ein Risikogeschäft? Ich denke nicht. Der Kaufmann ist kein Spekulant, er kann beim Perlenkauf nur gewinnen. Die Perle, die er nach langem Suchen endlich gefunden hat, ist für ihn ein Liebhaberstück und kostbarer als alles andere, was er bisher gesehen und erworben hat. Daher lohnt es sich, für sie alles andere zu geben, sie selbst aber will er für immer behalten.
Der Besitz dieser Perle bedeutet für ihn einen unermesslichen Wert und ein unermessliches Glück. Warum sollte er an Dingen festhalten, die für ihn nicht diesen Wert haben und nicht dieses Glück bedeuten? Leichten Herzens kann er das weniger Wertvolle gegen das Wertvollste, das es in seinen Augen gibt, eintauschen.
Wer nicht weiß, was er wirklich will, jagt im Leben allen möglichen Dingen hinterher, erwirbt das Eine, tauscht es gegen das Nächstbeste und hat am Ende vielleicht aus seinem Gold einen Haufen Steine gemacht, die man besser wegwirft, weil sie nur eine Last sind, wie wir es im Märchen von Hans in Glück schön erzählt bekommen.

Die Verkündigung des Evangeliums bringt nicht nur vielfachen Gewinn, wie ein Schatz, sondern ist auch kostbar wie eine Perle. (Johannes Chrysostomus)

Der Glaube an Jesus ist kein zusätzliches Steinchen im Sammelsurium religiöser Ideen, sondern er ist der, den wir mit ganzem Herzblut suchen und der uns die Erfüllung unserer Sehnsucht schenkt. Wie den Finder des Schatzes und den Kaufmann stellt uns Jesus vor eine Entscheidung. Entweder wir geben alles, was wir haben, um das Kostbarste zu besitzen, das uns wohl jemals im Leben begegnen wird, oder wir lassen alles beim Alten und vertun die Chance unseres Lebens.

Wer nämlich die Lieblichkeit des himmlischen Lebens, soweit es irgend möglich ist, vollkommen erkannt hat, der gibt alles, was er auf Erden geliebt hat, mit Freude auf. Im Vergleich zu ihr wird alles wertlos, er verzichtet auf seinen Besitz, verteilt, was er anhäufte, sein Geist entbrennt für das Himmlische, nichts Irdisches macht mehr Freude, unschön erscheint alles, was an irdischer Schönheit gefiel, da allein der Glanz der kostbaren Perle im Geist erstrahlt. (Gregor der Große)

Wenn es so eindeutig ist wie im Gleichnis, wofür man alles aufzugeben hat, scheint das recht einfach zu sein. Wie aber ist es damit, wenn wir für Gott alles aufgeben sollen, was wir haben? Ist uns Gott wirklich so wertvoll? Was werden wir bekommen? Jesus sagt uns, dass uns Gott nicht mit leeren Händen stehen lassen wird, sondern das auf uns etwas wartet, das so kostbar ist, dass es alle unsere bisherigen Vorstellungen übersteigt. Ist unser Vertrauen in Gott so groß, dass wir uns darauf einlassen?

Schatz
Weiter ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Netz, das man ins Meer warf, um Fische aller Art zu fangen. (Mt 13,47)

Jesus vergleicht das Himmelreich mit einem Netz, das ins Meer geworfen wird, um damit Fische aller Art zu fangen. Es wird nicht nur im See Gennesaret ausgeworfen, an dem Jesus seine ersten Jünger berufen hat und sie von Fischern vom See zu Menschenfischern gemacht hat. Die Fanggründe der Fischer des Himmelreiches sind nicht mehr in einem kleinen See im abgelegenen und unbedeutenden Galiläa, sondern im großen Meer dieser Welt.

Die heilige Kirche wird mit einem Netz verglichen, da sie Fischern anvertraut ist und durch sie ein jeder aus dem Gewoge der gegenwärtigen Welt ins ewige Reich gezogen wird, um nicht in der Tiefe des ewigen Todes zu versinken. (Gregor der Große)

Doch das Netz der Kirche wird nur noch selten ausgeworfen. Es hat Risse bekommen, und fängt nur noch wenige Fische, wenn es einmal wieder benutzt wird. Nahezu tatenlos sehen wir dabei zu, wie immer mehr Menschen die Kirche verlassen und wie ein Großteil der Menschen "in der Tiefe des ewigen Todes zu versinken" droht. Die linksgerichtete Philosophie, dass jeder Mensch selbst seinen Heilsweg bestimmen kann und daher jede Form der Mission verpönt ist, ist bis in das Herz der Kirche gedrungen.
Die Lehre vom ewigen Gericht wird als eine heute überwundene Denkform früherer Zeiten abgetan. Kein Mensch benötigt Erlösung und nach dem Tod wird entweder nichts mehr sein oder es wird allen gleich ergehen. Wichtig ist es, im hier und jetzt zu leben. Wozu sich also noch mit den Geboten der Kirche herumschlagen, die so viele Generationen geknechtet haben, wozu noch Mission und Bekehrungen?
Wir müssen lernen, das Evangelium mit neuen Worten zu verkünden, die auch den Menschen unserer Tage die Notwendigkeit der Umkehr vor Augen führen. Freilich sollen wir nicht zu den Worten einer Drohbotschaft zurückkehren, die Bekehrungen nur angesichts der Vermeidung einer ewigen Verdammnis als sinnvoll erscheinen lässt. Das Evangelium muss Frohbotschaft sein, die zeigt, dass der Glaube an Jesus Christus Glück und Heil schenkt, das sonst nirgendwo zu finden ist.

Jeder Schriftgelehrte also, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, gleicht einem Hausherrn, der aus seinem reichen Vorrat Neues und Altes hervorholt. (Mt 13,52)

Gregor der Große versteht das Alte als die Tatsache, "dass die Menschheit für ihre Schuld in ewiger Strafe zugrunde geht". Das Neue aber ist das Evangelium, die Botschaft davon, "dass, wer sich bekehrt, im Reich lebt". Das bedeutet für die Verkünder des Evangeliums:

Derjenige ist in der heiligen Kirche ein unterrichteter Verkündiger, der es versteht, Neues über die Schönheit des Reiches vorzubringen. (Gregor der Große)

Zwar fügt Gregor der Große auch noch an, dass dieser Verkünder ebenso "Altes über den Schrecken der Strafe" hervorzubringen weiß, jedoch muss heute das Neue über die Schönheit des Reiches im Vordergrund stehen. Wir leben in einer Zeit, die viele Annehmlichkeiten zu bieten hat. Was gibt es für einen Grund, auf diese um eines verborgenen Himmelreiches willen zu verzichten? Wir erkennen aber auch die Brüchigkeit dieses irdischen Glücks, wenn Beziehungen zerbrechen, eine plötzliche Krankheit das Leben verändert, oder plötzlich das Geld knapp wird. Wer oder was trägt uns auch durch schwere Zeiten? Gibt es ein unvergängliches Glück?
Menschen suchen und fragen. Wir dürfen nicht mit Antworten kommen, die hundert Jahre oder älter sind. Das Umfeld der Menschen verändert sich, heute schneller als je zuvor. Die Fragen und das Suchen der Menschen sind gleich geblieben, die Antworten aber müssen mit der Zeit gehen. Die Botschaft von Jesus Christus ist zeitlos. Man kann heute die Evangelien noch genauso gut lesen und verstehen wie vor 1000 Jahren. Wir brauchen Verkünder, die es verstehen, den Schatz des Evangeliums auch heute wieder zum Glänzen zu bringen, die ihn attraktiv sein lassen für die Menschen unserer Zeit.
Herr Jesus Christus, gib uns Phantasie und deinen Geist, damit wir die Botschaft vom Himmelreich auch heute so verkünden, dass sie die Menschen ins Herz trifft und dass sie in dir den Schatz sehen, der sie reich und glücklich macht.

Salomo Weisheit

Salomos Weisheit

Salomo aber liebte den Herrn und befolgte die Gebote seines Vaters David; nur brachte er auf den Kulthöhen Schlachtopfer und Rauchopfer dar. So ging der König nach Gibeon, um dort zu opfern; denn hier war die angesehenste Kulthöhe. Tausend Brandopfer legte Salomo auf ihren Altar. In Gibeon erschien der Herr dem Salomo nachts im Traum und forderte ihn auf: Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll. (1Kön 3,3-5)

In Israel gab es zu Beginn der Herrschaft Salomos noch kein zentrales Heiligtum. König David war es verwehrt, dem Herrn in Jerusalem einen Tempel zu bauen. Erst sein Sohn und Nachfolger Salomo wird den Tempel in Jerusalem errichten. Noch verehrt das Volk seinen Gott an verschiedenen heiligen Orten. Einer dieser Kultorte ist in Gibeon. Dorthin geht auch Salomo, um dem Herrn sein Opfer darzubringen. Dort erscheint der Herr dem König, der ganz am Beginn seiner Regierungszeit steht, im Traum. Träume sind seit alters her eine Form, wie Gott sich den Menschen offenbart.
Salomo hatte sich vorbereitet. Frisch gewaschen, kein einziger Fleck auf seiner Kleidung, ein Wohlgeruch umströmte ihn. So näherte er sich dem besonderen Ort. Was dann geschah, übertraf alle seine Erwartungen. Es kam zu einem traumhaften Gespräch zwischen ihm und Gott im Dunkel der Nacht. Ein unsichtbares Band zwischen Bitten und Erfüllen, ein Bund, zu Gottes Bedingungen, der gibt, worum du nicht gebeten hast, der aber erwartet, dass du das erbittest, was er als erstes geben will, das was hinter dem Vordergründigen steht und dieses übertrifft.

Salomo antwortete: Du hast deinem Knecht David, meinem Vater, große Huld erwiesen; denn er lebte vor dir in Treue, in Gerechtigkeit und mit aufrichtigem Herzen. Du hast ihm diese große Huld bewahrt und ihm einen Sohn geschenkt, der heute auf seinem Thron sitzt. So hast du jetzt, Herr, mein Gott, deinen Knecht anstelle meines Vaters David zum König gemacht. Doch ich bin noch sehr jung und weiß nicht, wie ich mich als König verhalten soll. ... Verleih daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht. Wer könnte sonst dieses mächtige Volk regieren? (1Kön 3,6-9)

Salomo darf vor Gott eine Bitte aussprechen. Zunächst aber dankt er Gott für das, was er an ihm getan hat. Gott hat seinem Vater David seine Huld erwiesen und ein Zeichen dieser Huld ist es, dass nun Davids Sohn Salomo auf dem Thron Israels sitzen darf. David galt als weiser und vorbildlicher Herrscher, der zwar nicht ohne Fehler war, aber doch immer wieder zu Reue und Umkehr bereit war. Die von der Tradition dem König David zugeschriebenen Psalmen geben Einblick in dessen tiefen Glauben an den Gott Israels.
Salomo will seinem Vater ähnlich sein. Er ist noch sehr jung, ihm fehlt es an Erfahrung. Er weiß, dass er nur dann vor Gott und für das Volk ein guter Herrscher sein kann, wenn er Weisheit besitzt, wenn er das Gute vom Bösen zu unterscheiden vermag. Um diese Weisheit zu erlangen, benötig er ein hörendes Herz. Er muss dazu bereit sein, zu lernen, darf sich nicht gleich mit seinem jugendlichen Elan und Tatendrang in die Regierungsgeschäfte stürzen. Er muss den Rat erfahrener Männer prüfen und er muss bereit sein, auf das zu hören, was Gott zu ihm sagt.
Salomo hat ein offenes Ohr und Herz für Gott, das zeigt sich bereits darin, dass Gott zu ihm im Traum sprechen kann. Diese Offenheit für Gott muss er sich bewahren und sie vertiefen. Er darf sich nicht von Macht, Reichtum und Erfolg blenden lassen. Er muss sich immer dessen bewusst sein, dass er dies nicht durch eigene Kraft erwerben und bewahren kann, sondern dass alles ein Geschenk Gottes ist, das er auch im Namen Gottes verwalten soll.
König Salomo wird hier zu einem idealen Herrscher stilisiert, zugleich aber zeigt die Bibel von Salomo ein ambivalentes Bild. Er macht Israel mächtig, aber nach seinem Tod zerfällt das Reich, der unermessliche Reichtum Salomos, von dem die Bibel berichtet, war nicht nur durch Weisheit, sondern zu einem großen Teil auch durch Ausbeutung erworben. Salomo besaß eine Autorität und Machtfülle, an die seine Nachfolger nie mehr herankamen.
Sicher wussten die Verfasser dieses Textes um diese Ambivalenz. Vielleicht sind die Worte, die sie Salomo in den Mund legen, eher Wunsch als Wirklichkeit, ein Wunsch an spätere Könige, dass sie so handeln mögen, wie es hier von Salomo heißt. Doch nicht nur Könige, sondern jeder Mensch sollte so vor Gott sein, wie dieser idealisierte König Salomo.
In Märchen und anderen Geschichten begegnet uns oft das Bild vom einen freien Wunsch oder den drei freien Wünschen. Nicht immer können die Menschen damit klug umgehen. Manche Wünsche erweisen sich, wenn sie in Erfüllung gehen, eher als Fluch denn als Segen. So wäre König Midas fast verhungert, weil sein Wunsch in Erfüllung ging, dass alles, was er berührt, zu Gold wird. Wenn wir wirklich sehnsüchtige Wünsche haben, gilt es tiefer zu blicken und die Folgen zu bedenken. Was kann uns wirklich glücklich machen?
Das hörende Herz, das sich König Salomo wünscht, kann ihn glücklich machen. Ein hörendes Herz, das bedeutet, dass er nicht von Anfang an alles weiß. Aber wenn er hören kann, zeigt ihm Gott durch seine innere Stimme stets das, was in einer Situation wichtig ist. Wir kennen diese innere Stimme. Plötzlich haben wir einen Geistesblitz und entdecken, wonach wir lange gesucht haben, oder wir werden vor einer Gefahr gewarnt, oder bei einer Entscheidung zeigt sich ein Weg. Doch da sind noch die vielen anderen Stimmen. Die Weisheit besteht darin, aus den vielen Stimmen die eine richtige zu hören und auch zu verstehen, was diese Stimme uns sagen will.
Ein hörendes Herz, das bezieht sich nicht nur auf unseren Umgang mit Gott, sondern auf den Umgang mit der Wirklichkeit überhaupt und mit anderen Menschen. Ein hörendes Herz heißt im Umgang mit anderen Menschen achtsame Liebe. Das bedeutet, die Andersheit des Anderen wirklich wahrzunehmen und ihn so zu verstehen, wie er ist. Nicht einfach nur gute Ratschläge zu erteilen, sondern zu erkennen, was ein anderer Mensch wirklich braucht. Ein hörendes Herz sieht die Welt nicht als Ziel der Ausbeutung des Menschen, sondern als Gottes gute Schöpfung, die es zu pflegen und zu bewahren gilt.

Röm 8

Gott hören

Herr, schenke auch mir ein hörendes Herz, das auf deine Stimme achtet. Lass mich nicht auf die Stimmen hören, die mich dazu drängen, immer mehr zu besitzen, lass mich nicht auf die Stimmen hören, die über andere lästern, lass mich nicht auf die Stimmen hören, die mir Angst machen wollen, vor dem was kommt. Lass mich auf deine Stimme hören, die mir zeigt, was wirklich wichtig ist im Leben, lass mich mit deinem Blick der Liebe auf die Menschen schauen und gib mir die Zuversicht, dass du in allem, was geschieht, zu mir sprichst und du alles zum Guten führen wirst, wenn ich auf dich vertraue. Amen.
Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt. (Röm 8,28)
Diese ganze Stelle, scheint mir, ist an solche gerichtet, die in Gefahren leben. ... Der Apostel belehrt sie, dass sie nicht immer das verlangen sollen, was ihnen zuträglich zu sein scheint, sondern das, was der Geist eingibt. Denn gar manches, was ihnen wünschenswert erscheint, bringt in Wirklichkeit nur Nachteil. So glaubten auch die damaligen Christen in Rom, ein ruhiges Leben, frei von Gefahren, gesichert vor Trübsalen und Sorgen, müsse ihnen zuträglich sein. ... Wenn er sagt "alles", so meint er damit auch das, was nach unserem Dafürhalten Unglück ist. Denn mag auch Drangsal, mag Not und Armut, mag Gefangenschaft oder Hunger oder selbst der Tod, kurz, mag was immer uns treffen, Gott ist mächtig genug, alles das ins Gegenteil zu verwandeln. Auch das gehört zu seiner Allmacht, dass er uns das, was uns schwer vorkommt, leicht machen und so fügen kann, dass es uns zum Heile wird. Darum sagt der Apostel nicht, dass denen, die Gott lieben, nichts Schlimmes zustößt, sondern dass "alles zum Guten führt", d.h. dass Gott sich auch des Schlimmen bedient, um diejenigen, die davon betroffen werden, zu verherrlichen. Das ist viel mehr, als wenn er die Leiden bloß nicht über sie kommen ließe oder sie wieder davon befreite, nachdem sie über sie gekommen sind. (Johannes Chrysostomus)