Weihnachtsgeschichte

Der Magier Chandan

Geschichte vom Magier Chandan

Der Magier Chandan - Eine etwas andere Geschichte der Heiligen Drei Könige

Geschichte vom Magier Chandan

Der Stern

Das Trompeten der Elefanten durchbricht die Stille des Palastes. Der Regen hat aufgehört und Chandan schaut hinab auf das wiedererwachende Treiben in den Gassen. Er blickt auf die goldenen Türme des Palastes und die Dächer der Häuser. Jedes Mal ist er fasziniert von der Schönheit seiner Heimatstadt Peschawar im äußersten Nordwesten Indiens.
Plötzlich hört er laute Schritte. Sie kommen die Treppe hinauf. Es ist die Palastwache. Sie werden Chandan ins Gefängnis werfen. Heute Nacht wurde dem König von Gandhara ein Kind geboren. Es war aber nicht, wie es die Wahrsager prophezeit hatten, der lange erwartete Sohn. Der König tobte vor Wut, weil er von seinen Wahrsagern getäuscht worden war. Chandan hatte versagt. Er war es, der alle Magier auf diese Lüge eingeschworen hatte, um der Gunst des Königs sicher zu sein.
Dunkel, kalt und feucht ist es in dem Loch, in das sie Chandan sperren. Kein Blick mehr über die schöne Stadt. Nur durch einen kleinen Spalt kann er einen winzigen Fleck Himmel sehen. Die Zeit vergeht langsam hier unten. Chandan freut sich auf die Nächte. Dann kann er durch den kleinen Spalt in den Himmel blicken und einige Sterne sehen. Er kennt die Sternbilder genau. Seit frühester Kindheit ist er mit ihnen vertraut, eine Kunst, die ihm sein Vater beigebracht hat und die dieser selbst von seinem Vater gelernt hat.
Chandan beobachtet auch heute wieder sehr angestrengt den Himmel. Seit einigen Tagen ist ihm dort ein Stern aufgefallen, den er bisher noch nie gesehen hatte. Er erinnert sich daran, dass sein Vater einmal von einem ganz besonderen Stern gesprochen hat. "Zu einer bestimmten Zeit wird er neuer Stern erscheinen", hat sein Vater damals gesagt. "Wenn du diesen Stern siehst, dann folge dem Weg, den er dir weist. Er wird dich zu einem mächtigen König führen."
Plötzlich hört Chandan Schritte, die Tür wird aufgerissen und der Hauptmann der Palastwache steht vor ihm. "Der König will deinen Leib heute den Tigern zum Fraß vorwerfen." Chandan erschaudert. Er denkt an den Stern. Er denkt an seinen Vater. In seinem Herzen seufzt er: Gott, steh mir bei, wenn ich jetzt vor den König trete, damit ich nicht sterben muss. Wenn du mich befreist, will ich dem Stern folgen, wohin er mich auch führt.

Aufbruch

Geschichte vom Magier Chandan

Der Königssaal ist eine riesige, lichtdurchflutete Halle, die mit bunten Kacheln und Bildern prächtig ausgeschmückt ist. Der Thron des Königs steht mehrere Meter erhöht und ist mit Vorhängen verhüllt. Wachen umstehen den Thron und ein Scharfrichter, der sofort das königliche Urteil in die Tat umsetzt. In Ketten führt man Chandan bis zum Fuß des königlichen Throns. Er fällt auf die Knie und verhüllt sein Gesicht.
Chandan hat Glück, der König erlaubt ihm, das Land zu verlassen und gibt ihm Begleiter und Gold mit. "Wenn dein Spruch wahr ist und du wirklich den großen König findest, dann entbiete ihm meinen Gruß und mach ihm Geschenke. Wenn du ebenso reich beschenkt zurückkehrst, dann will ich dich gnädig wieder aufnehmen. Hast du aber erneut gelogen, darfst du mir nie mehr unter die Augen treten."
Chandan ist nun der Anführer einer stolzen Karawane. Sie ziehen entlang der Seidenstraße in unbekannte Gegenden. Der Stern weist ihnen den Weg, immer weiter nach Westen. Nach mehreren Wochen kommen sie nach Ekbatana, einer bedeutenden Handelsstadt.
Nachdem sie ihr Nachtlager bezogen haben, beginnt Chandan wie gewohnt die Sterne zu beobachten. Plötzlich entdeckt er neben sich einen Mann, der ebenso wie er selbst angestrengt in den Himmel blickt. Vorsichtig nähert sich Chandan und legt dem Fremden die Hand auf die Schulter. Dieser fährt zusammen und blickt Chandan erschrocken an. Chandan zeigt auf den Stern. Der Fremde nickt. Er versteht, was Chandan ihm sagen will.
Belsazar ist ein Sterndeuter wie Chandan, der sich auf den Weg gemacht hat, um dem geheimnisvollen Stern zu folgen. Auch er kennt die Verheißung der Geburt eines großen Königs, die mir diesem Stern verbunden ist. Um diesem König zu huldigen, hat er den wertvollsten Schatz mitgebracht, den sein Land zu bieten hat: Weihrauch. Unzählige Kisten mit Weihrauch in den unterschiedlichsten Düften hat er auf seinen Kamelen geladen.

Auf dem Weg

Gemeinsam folgen Chandan und Belsazar dem Lauf der Seidenstraße bis zu den großen Flüssen Euphrat und Tigris. Eines Tages holen sie eine große Karawane ein, ihr voran reitet ein prächtig gekleideter Herr. Alle haben eine dunkle Hautfarbe. Dies weckt die Neugierde von Chandan und Belsazar und sie entbieten dem stolzen Führer ihren Gruß. "Ich bin Malichos aus Saba", antwortet dieser. "Ich bringe Geschenke für den großen König, dessen Stern ich gefolgt bin. Die heilende Kraft der Myrrhe soll den König vor allen Krankheiten schützen und die Wunden seiner Krieger heilen."
Chandan und Belsazar sind verblüfft. Noch ein Weiser, der dem Stern gefolgt ist. "So ist es also Gottes Wille, dass wir gemeinsam vor den großen König treten und ihm huldigen. So möge sich das Wort erfüllen:

Geschichte vom Magier Chandan
Es leuchtet der Stern, dem wir folgen.
Vieles haben wir zurückgelassen,
nur wenig konnten wir mitnehmen
auf den Weg,
und manches ging
unterwegs verloren.
Wir bringen Gold,
Weihrauch und Myrrhe.
Gold der Liebe,
Weihrauch der Sehnsucht,
Myrrhe der Schmerzen.
Er wird sie annehmen."

Gemeinsam folgen sie dem Stern, der sie auf der uralten Handelsroute über Palmyra und Damaskus nach Jerusalem führt. Es ist der Weg, auf dem einst auch Abraham in das gelobte Land gezogen ist.

Jerusalem

Geschichte vom Magier Chandan

Eines Abends stehen Chandan, Malichos und Belsazar mit ihrem Gefolge vor den Toren einer prächtigen Stadt. Jerusalem, die jüdische Königsstadt, ist zu dieser Zeit zwar nur mehr eine Provinzstadt des Römischen Reiches, aber sie wirkt immer noch imposant, wie sie in all ihrer Pracht in den Bergen thront. Sie birgt einen kostbaren Schatz: den Tempel Gottes, der hoch in ihr emporragt.
Der Stern leuchtet über Jerusalem heller als je zuvor, hier also muss der große König geboren sein. Die drei legen ihre prächtigsten Kleider an und schon stehen sie vor dem Palast des Herodes. Der König empfängt die drei Reisenden mit großen Ehren. "Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen." Bei diesen Worten erschrickt Herodes und mit ihm ganz Jerusalem.
Sofort lässt Herodes die Hohenpriester und vornehmsten Schriftgelehrten zu sich rufen. Geschlossen treten sie in den Königssaal und fallen vor ihm nieder. "Ehrwürdiger König, wenn dem Volk Israel ein neuer König geboren werden soll, dem die Verheißung der Schrift gilt, dann wird dieser nirgendwo anders als in Betlehem, der Stadt des Königs David, geboren, denn so steht es bei dem Propheten: Du, Betlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel."
Heimlich fasst Herodes den Beschluss, diesen Königssohn zu töten. Voller Hinterlist weist Herodes den drei Weisen den Weg nach Betlehem. Er bittet sie, dort sorgfältig nach dem neuen König zu suchen. Wenn sie ihn gefunden hätten, sollten sie Herodes genau davon in Kenntnis setzen, damit er selbst wie sie diesem großen König seine Huldigung erweisen könne.
Es ist schon spät, als Chandan, Malichos und Belsazar den Königspalast wieder verlassen. Plötzlich sehen sie den Stern, wie er im Süden Jerusalems ganz hell leuchtet. Ihre Freude ist groß. Das ist die Richtung nach Betlehem, die ihnen Herodes gezeigt hat. Bald sind sie am Ziel ihrer Reise.

Geschichte vom Magier Chandan

Betlehem

Als Chandan, Malichos und Belsazar in Betlehem ankommen, sind sie erst einmal enttäuscht und verwundert. Der Ort hat so gar nichts Besonderes vorzuweisen. Hier in diesen einfachen Hütten soll ein Königssohn leben? Die Bewohner Betlehems sind außer sich vor Staunen über die vornehmen Besucher. So etwas hatte man hier noch nie gesehen.
Über einen großen König aber weiß niemand etwas zu berichten. Nur einige Hirten erinnern sich an jene Nacht im letzten Winter, als sie ein helles Leuchten - manche sprechen sogar von Engeln - gesehen hatten. Ein großer Friede lag damals über der Stadt. In einem Stall hatte eine Frau ihr Kind zur Welt gebracht und die Hirten waren gekommen, um dieses wundersame Ereignis zu bestaunen. Diese Familie lebt seither in einer kleinen Hütte am Rande der Stadt. Aber dass ihr Kind ein Königssohn sein soll, das erscheint allen sehr ungewöhnlich.
Doch die drei Magier wissen sich am Ziel ihrer Reise. Jeder füllt etwas von seinen kostbaren Gaben in das schönste Gefäß, das er bei sich hat. Vorsichtig treten sie an die Tür des Hauses, und als ihnen Josef öffnet, gehen sie hinein und sehen das Kind und Maria, seine Mutter. Sie fallen nieder und huldigen dem Kind. Dann holen sie ihre Schätze hervor und bringen ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.

Geschichte vom Magier Chandan
Den Stern im Blick
Verheißung im Herzen
Drei Gaben im Gepäck
Weihrauch dem Gott
Berühr unsere Seele
Gold dem König
Verändere die Welt
Myrrhe dem Menschen
Versteh unsere Fragen
Und fehlen
Weihrauch, Myrrhe, Gold
Schenken wir uns
Dem König
Dem Kind
Schenken uns selbst

Sie spüren einen großen Frieden in ihren Herzen. Auch wenn sie etwas anderes gefunden haben als das, was sie erwartet hatten, eben keinen großen König in einem prächtigen Palast mit kostbaren Kleidern, so wissen sie doch, dass es mit diesem einfachen Kind in dem kleinen Haus etwas Besonderes auf sich hat.

Der Sohn Gottes

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Chandan, Malichos und Belsazar schlafen diese Nacht auf dem Boden der Hütte, neben dem göttlichen Kind. In der Nacht haben sie einen Traum. Gott zeigt ihnen die Hinterlist des Herodes und er zeigt ihnen auch, was sie mit ihren reichen Schätzen machen sollen.
Am Morgen erzählen ihnen Maria und Josef ihre Geschichte, wie der Engel zu Maria kam, um ihr die Geburt dieses Kindes zu verheißen, wie Josef Maria erst verlassen wollte, weil das Kind nicht von ihm war, wie ihm dann aber Gott im Traum gesagt hatte, dass dieses Kind der Sohn Gottes sei und dass es seine Aufgabe ist, zusammen mit Maria für dieses Kind zu sorgen.
"Es ist wirklich ein Königskind", sagt Josef zu den drei Weisen. "Ich bin ein Nachfahre des Königs David und so gehört auch dieses Kind in den königlichen Stammbaum. Jetzt leben wir unscheinbar in dieser Hütte. Aber wir wissen, dass dann, wenn die Zeit dafür da ist, dieses Kind eine ganz besondere Aufgabe haben wird. Er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen und wird allen Menschen zeigen, dass Gott mit uns ist."
Schließlich verabschieden sich Chandan, Malichos und Belsazar von der Heiligen Familie. In ihren Herzen tragen sie die Gewissheit, dass Gott allen Menschen in diesem Kind ein Zeichen geschenkt hat, dass er die Menschen retten möchte. Diese Botschaft von Gottes Liebe zu den Menschen wollen sie in ihre Heimat bringen.
Wie ihnen im Traum gezeigt worden war, teilen sie ihre Schätze untereinander, so dass nun jeder zu gleichen Teilen Gold, Weihrauch und Myrrhe besitzt. Einen Teil der Schätze werden sie auf dem Weg an Arme verteilen, den anderen Teil bringen sie ihren Königen als Zeichen dafür, dass ihre Geschichte wahr ist und sie nicht umsonst dem Stern gefolgt sind.

Die Rückkehr

Geschichte vom Magier Chandan

Auf ihrer Rückreise machen die drei Weisen einen großen Bogen um Jerusalem. Unterwegs trennen sich ihre Wege wieder. Drei Jahre war Chandan unterwegs, als er sich endlich Peschawar nähert. As die Karawane in Sichtweite der Stadt kommt, geraten alle in Aufregung: Es ist Chandan, er kommt zurück! Wahrlich, er ist es!
Der König von Gandhara ist in der Zwischenzeit krank geworden. Die Kunde davon kommt Chandan zu Ohren. Er lässt zum König schicken. "Sagt dem König von Gandhara: Spruch von Chandan dem großen Magier. Großer König, ihr habt mir das Leben geschenkt, ich gebe euch dafür das eure zurück. Ich bin wiedergekommen, um euch gesund zu machen!"
Als man dem König von den Worten Chandans berichtet, ist er zunächst erbost. "Einmal hat er gelogen, wer sollte ihm ein zweites Mal Glauben schenken?" Schließlich aber lässt er Chandan doch zu sich rufen. Chandan nimmt etwas von der Myrrhe und dem Weihrauch, den Weihrauch lässt er im Zimmer des Königs verbrennen, die Myrrhe auf die Wunden des Königs legen. Wie durch ein Wunder wird der König bald wieder gesund.
Nach einigen Monaten erfüllt sich auch die alte Prophezeiung Chandans: dem König wird der erhoffte Stammhalter geboren. Chandan aber erzählt allen Menschen, dass er in dem fernen Land einem Kind begegnet ist, durch das Gott Großes vollbringen wird und das allen Menschen zeigen wird, dass Gott mitten unter den Menschen ist.
Auch Chandan wird nach einiger Zeit ein Sohn geboren. Er lehrt ihn: "Sei wachsam und hör genau darauf, was die Kaufleute und Reisenden aus den fernen Ländern berichten. Wenn einmal welche kommen, die davon reden, dass Gottes Sohn in einem kleinen Ort im Land der Juden Mensch geworden ist und wenn sie von all dem berichten, was dieser Sohn Gottes getan hat, dann sag zu den Bewohnern von Peschawar und dem ganzen Königreich Gandhara: Mein Vater ist einem Stern gefolgt, und hat im Land Juda ein Kind gefunden, das Gottes Sohn ist. Nun hört, was aus diesem göttlichen Kind geworden ist und glaubt an diesen Gott, der mitten unter den Menschen gelebt hat, um allen das Heil zu schenken."