Heilige Woche

Montag

Dominus flevit

Dominus flevit

Mit dem Palmsonntag beginnt die "Heilige Woche". Wir sagen auch Karwoche, was Trauerwoche bedeutet. Denn wir erinnern uns an Jesu Weg des Leidens. Er führt durch den Tod am Kreuz zur Auferstehung am Ostertag.
Im Rückblick ist es uns leichter ums Herz. Endlich geschafft, denken wir, wenn wir durch eine Krankheit gegangen sind, eine Durststrecke überwunden haben, mit großer Anstrengung auf etwas hingearbeitet haben ... Hinterher sind wir erleichtert. Aber wenn wir auf dem Weg mittendurch sind, noch kein Ende absehen können, noch nicht sagen können, ob es gut ausgehen wird, dann sind solche Situationen belastend und zehren an unseren Kräften.
Auch Jesus musste mitten hindurch. Von Ostern her gesehen fällt ein verklärtes Licht auf Jesu Leiden, auf seine Wunden und die Dornenkrone. Doch als ihm diese Wunden geschlagen wurden, als er die Dornenkrone trug und das schwere Kreuz, da war es eine Last, die kaum zu tragen war, unmenschlich grausam.
Die Angst Jesu in Gethsemani war echt. Gott kennt unsere Ängste, nicht nur vom Anschauen, sondern er hat sie selbst durchlitten. All unsere Ängste sind in Gott geborgen und wir dürfen uns mit ihnen bei Gott bergen. Er geht mit uns durch die Nacht der Angst, in der wir noch kein Ende und kein Licht erkennen können.
Keiner weiß, wie lange ein Weg durch die Finsternis geht, wie oft wir auf ihm fallen, wie oft wir verzweifeln, doch wir werden immer eine Hand finden, die uns aufhilft und weiterführt, bis wir wieder zum Licht gelangen.

Herr, in dieser heiligen Woche werden wir deines Leidens und Sterbens und deiner Auferstehung gedenken. Wir wollen bei dir sein und Zeit mit dir verbringen. Hilf uns, aus dieser inneren Sammlung unseren Alltag zu leben.

Am Palmsonntag feiern wir den Einzug Jesu in Jerusalem. Nachdem Jesus lange Zeit in Galiläa gelehrt und dort viele Menschen geheilt hat, zieht er in die Stadt, die der Mittelpunkt der jüdischen Kultur ist. Dort steht der Tempel, in dem nach jüdischem Glauben die Herrlichkeit Gottes auf Erden wohnt.
Der Einzug Jesu in Jerusalem gleicht einem Triumphzug. Jesus wird wie ein König empfangen. Die Menschen legen Kleider und Palmzweige auf seinen Weg. Aber die religiösen Führer gehen deutlich auf Distanz zu Jesus. Jerusalem zeigt sich überwiegend unbeeindruckt von dem, der da kommt im Namen der Herrn. Enttäuscht ist Jesus auch vom Tempel. Das Heiligtum ist nicht bereit für den Einzug des Sohnes Gottes.

Als Jesus näher kam und die Stadt sah, weinte er über sie und sagte: Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was dir Frieden bringt. Jetzt aber bleibt es vor deinen Augen verborgen. Es wird eine Zeit für dich kommen, in der deine Feinde rings um dich einen Wall aufwerfen, dich einschließen und von allen Seiten bedrängen. Sie werden dich und deine Kinder zerschmettern und keinen Stein auf dem andern lassen; denn du hast die Zeit der Gnade nicht erkannt. (Lk 19,41-44)

Nur der Evangelist Lukas berichtet uns von einem ganz besonderen Ereignis im Zusammenhang mit dem Einzug Jesu in Jerusalem am Palmsonntag. Der prachtvolle Triumphzug des Herrn, den seine Jünger mit ihren Rufen begleiten, beginnt oben auf dem Ölberg. Von dort führt der Weg steil hinab nach Jerusalem und dann durch das Kidrontal hindurch wieder zur Stadtmauer hinauf. Immer hat man hier die imposante Kulisse der Stadt mit dem mächtigen Tempelkomplex vor Augen.
Tief erschüttert hält Jesus auf dem Weg vom Ölberg hinab inne. Er sieht deutlich vor Augen, wie diese prachtvolle Stadt zusammen mit dem Tempel zerstört werden wird. Jesus weint, weil er das Unheil sieht, das sich sicher kein anderer von denen, die mit Jesus den Ölberg hinabziehen, vorstellen kann.
Jesus weiß um das, was kommt, weil das Schicksal der Stadt zutiefst mit ihm selbst verknüpft ist. In Jesus Christus kommt Gott in seine Stadt, die seit Urzeiten im Tempel die Wohnung Gottes auf Erden birgt. Doch die Bewohner der Stadt nehmen Gott nicht auf, sondern werfen ihn aus der Stadt hinaus, indem sie ihn vor ihren Toren kreuzigen. Ein unfassbares Ereignis.

Wenn doch auch du erkannt hättest, was dir Frieden bringt ...

Wie oft hat es seither weitere unfassbare Ereignisse gegeben. Wie oft wurde seither die Heimat von Menschen zerstört, gerieten Menschen in Armut und Not und mussten gar ihr Leben lassen, weil die Menschen nicht erkennen, was den Frieden bringt und die Gier nach Macht und Reichtum einiger Weniger stärker ist als das Streben nach einer gerechten Ordnung, in der alle in Frieden leben können.
Der Herr weint auch heute über unsere Welt. Ihm ist das Schicksal so vieler, die Opfer von Kriegen, Terror und Gewalt werden, nicht verborgen. Beten wir um den Frieden in der Welt und dass die Menschen erkennen und umsetzen, was dem Frieden dient - im Großen wie im Kleinen, denn jeder Mensch kann in seiner Umgebung helfen, dem Frieden Raum zu schaffen.

Gott, du Quelle des Lebens,
und ewiger Strom der Liebe.
Öffne mit deiner Liebe die Herzen der Menschen.
Leite mit deiner Weisheit all jene,
die in unserer Gesellschaft Verantwortung tragen.
Segne sie mit deiner heilenden Gegenwart
und verhilf ihnen zu innerem Frieden,
damit sie friedvoll handeln können.
Schenke uns allen die Einsicht,
dass Frieden in uns selbst beginnt
und dass nur Gedanken der Liebe und Versöhnung
den Weltfrieden und das Überleben der Erde sichern.
Erfülle unser Denken, Fühlen und Handeln
mit deiner Liebe und dem Vertrauen
in deine machtvolle Gegenwart. Amen.
"Wenn das Gebet uns zu tieferer Einheit mit dem mitleidenden Christus führt, wird es immer konkretere Dienste nach sich ziehen.
Und wenn konkrete Dienste uns wirklich enger mit den Armen, den Hungernden, den Kranken, den Sterbenden und Unterdrückten solidarisieren, werden sie immer ins Gebet einmünden.
Betend begegnen wir Christus und in ihm allem menschlichen Leid.
Dienend begegnen wir den Menschen und in ihnen dem leidenden Christus."
(Henri Nouwen)
Sechs Tage vor dem Paschafest kam Jesus nach Betanien, wo Lazarus war, den er von den Toten auferweckt hatte. Dort bereiteten sie ihm ein Mahl; Marta bediente, und Lazarus war unter denen, die mit Jesus bei Tisch waren. Da nahm Maria ein Pfund echtes, kostbares Nardenöl, salbte Jesus die Füße und trocknete sie mit ihrem Haar.
Das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt. Doch einer von seinen Jüngern, Judas Iskariot, der ihn später verriet, sagte: Warum hat man dieses Öl nicht für dreihundert Denare verkauft und den Erlös den Armen gegeben? Das sagte er aber nicht, weil er ein Herz für die Armen gehabt hätte, sondern weil er ein Dieb war; er hatte nämlich die Kasse und veruntreute die Einkünfte.
Jesus erwiderte: Lass sie, damit sie es für den Tag meines Begräbnisses tue. Die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber habt ihr nicht immer bei euch.
Viele Juden hatten erfahren, dass Jesus dort war, und sie kamen, jedoch nicht nur um Jesu willen, sondern auch um Lazarus zu sehen, den er von den Toten auferweckt hatte. Die Hohenpriester aber beschlossen, auch Lazarus zu töten, weil viele Juden seinetwegen hingingen und an Jesus glaubten. (Joh 12,1-11)
Als Jesus in Betanien im Haus Simons des Aussätzigen bei Tisch war, kam eine Frau mit einem Alabastergefäß voll echtem, kostbarem Nardenöl, zerbrach es und goss das Öl über sein Haar. Einige aber wurden unwillig und sagten zueinander: Wozu diese Verschwendung? Man hätte das Öl um mehr als dreihundert Denare verkaufen und das Geld den Armen geben können. Und sie machten der Frau heftige Vorwürfe.
Jesus aber sagte: Hört auf! Warum lasst ihr sie nicht in Ruhe? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn die Armen habt ihr immer bei euch und ihr könnt ihnen Gutes tun, so oft ihr wollt; mich aber habt ihr nicht immer. Sie hat getan, was sie konnte. Sie hat im voraus meinen Leib für das Begräbnis gesalbt. Amen, ich sage euch: Überall auf der Welt, wo das Evangelium verkündet wird, wird man sich an sie erinnern und erzählen, was sie getan hat. (Mk 14,3-9)

Betanien

Betanien

Besonders im Markus-Evangelium finden wir eine detaillierte Chronologie der letzten Tage Jesu. Unter Tags hält sich Jesus jeweils in Jerusalem auf, nachts aber verlässt er die Stadt, um in Betanien bei Freunden zu übernachten. Johannes nennt uns die Namen der Freunde Jesu. Es sind Lazarus, Maria und Marta. Sicher werden sie bemerkt haben, dass sich bei Jesus etwas verändert hat. Nach all den Auseinandersetzungen mit seinen Gegnern war Jesus sicher erschöpft, wenn er sich am Abend bei seinen Freunden einfand.
Die Schwestern Maria und Marta meinen es gut mit Jesus. Sicher hat Marta gut gekocht für Jesus und seine Jünger. Maria zeigt ihre Fürsorge für Jesus auf eine andere Weise. Es wird berichtet, dass sie mit einem besonders kostbaren Öl Jesu Füße gesalbt und mit ihrem Haar getrocknet hat. Das passt einigen nicht. Sicher fanden es manche unschicklich, dass Jesus sich so von einer Frau berühren lässt, aber es ging auch um anderes.
Zwischen Judas Iskariot und Jesus muss es in den letzten Tagen zu Differenzen gekommen sein. Der Eiferer erwartete wohl, dass Jesus sich deutlicher als der neue König präsentiert. Das Verhalten Jesu erschien ihm vielleicht zu schwächlich. Und dann noch das mit dem Öl. Der Meister lässt sich von einer Frau die Füße salben. Das Öl hätte man besser für teures Geld verkauft und damit den Armen geholfen.
Doch nicht, weil er ein Herz für die Armen gehabt hätte, sagt Judas dies, sondern um Jesus zu kränken und vielleicht auch, weil er gerne selbst etwas von dem Erlös in die eigene Tasche gesteckt hätte. Jesus aber heißt die scheinbare Verschwendung Mariens gut.

Lass sie, damit sie es für den Tag meines Begräbnisses tue.

Es ist für Maria die letzte Möglichkeit, ihrem Freund und Meister die Ehre zu erweisen. Die Armen aber werden immer da sein. Ein seltsames Wort Jesu. Jesus will keine kleinlichen Bilanzrechnungen. Der Dienst an Jesus ist keine Verschwendung. Was wir Jesus geben, das nehmen wir anderen nicht weg. Nun ist die richtige Zeit für eine verschwenderische Salbung. Es ist die Königssalbung Jesu, die Salbung für den Tod, durch den der Tod vernichtet wird und Jesus als Herr des Lebens aus dem Grab aufersteht.
Die Salbung des Hauptes war Teil des Krönungsrituals für Könige. So kann man die Passion, die nun folgt, auch als Einsetzung Jesu als König deuten. Die Huldigung erfolgt durch die Soldaten, die ihren Spott mit Jesus treiben und als Thron wird er das Kreuz besteigen. Ein solcher König widerspricht allen menschlichen Vorstellungen. Doch wer sich auf ihn einlässt, der wird erkennen, dass seine Herrschaft unbezwingbar ist.
Am Tag nach seinem triumphalen Einzug geht Jesus wieder nach Jerusalem hinein und treibt die Händler aus dem Tempel. Er ist erbost über die Menschen, die aus dem Haus Gottes, das ein Haus des Gebetes sein sollte, eine Markthalle und Räuberhöhle gemacht haben.

Maria von Betanien salbt Jesus die Füße. Ein letzter Liebesdienst.
Es sind die letzten Tage Jesu mit seinen Jüngern und Freunden.
Doch Maria tut mehr an Jesus, als sie selbst erahnt: Sie huldigt in spontaner Liebe Jesus als dem König, der in den Tod gehen wird, um sein Volk zu erlösen.
Die Salbung Jesu - eine Verschwendung? Einige hätten das kostbare Öl lieber verkauft und das Geld den Armen gegeben. Aber beides ist wichtig, der Dienst an den Armen und der Dienst an Jesus. Man darf beides nicht gegeneinander ausspielen.
Tätigkeit ohne Gebet kann unfruchtbar bleiben, weil sie nicht aus der Mitte lebt, die Jesus Christus ist. Daher müssen wir auch immer wieder im Gebet beim Herrn verweilen, denn er gibt uns Kraft und zeigt uns, wie wir handeln sollen.