Heilige Woche

Mittwoch

Karwoche

Mit dem Einzug Jesu in Jerusalem, den wir am Palmsonntag feiern, beginnt die Zeit, die direkt hinführen wird zu seinem Tod am Kreuz. Wir gehen mit Jesus diesen Weg, begleiten ihn bei seinen letzten öffentlichen Auftritten in Jerusalem, feiern mit ihm das letzte Abendmahl, wie er es mit seinen Jüngern gefeiert hat, haben Teil an seinem Leiden, das mit dem Verrat des Judas und der Verhaftung im Garten Getsemani beginnt und mit dem qualvollen Tod am Kreuz endet. Doch wenn wir am Karfreitag und Karsamstag die Leere in der Kirche spüren, wenn die Altäre entblößt dastehen und nur das Heilige Grab bleibt, so wissen wir doch darum, dass wir in der Osternacht die Kirche wieder reich geschmückt und in neuem Licht erhellt sehen werden.
Jesus selbst hat oft darauf hingewiesen, dass dieser Leidensweg ihm vorgezeichnet ist, dass er ihn gehen muss, weil dies der Weg ist, auf dem Gott die Menschen erlösen wollte. Im letzten bleibt es unverständlich, warum Gott gerade diesen Weg gewählt hat. Warum muss der Weg zur Freude über das Leid führen? Gibt es keinen direkten Weg zu Heil und Erlösung, der uns die Süße des Osterfestes kosten lässt ohne die Bitterkeit des Karfreitags?
Das erste Lied vom Gottesknecht, das in diesen Tagen in der Liturgie gelesen wird, beginnt mit den Worten:

Seht, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Völkern das Recht. Jes 42,1

Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt. Dieser Geist ist es, der Jesus den Weg führt, den der Vater zu unserem Heil bestimmt hat. Jesus hat sich ganz dem Geist hingegeben und ist so ganz im Einklang mit dem Willen des Vaters. Hier können wir spüren, wie das Wirken der Dreifaltigkeit, die uns sonst so verborgen erscheint, konkret wird.
Unsere Berufung ist es, uns in dieses Wirken der Dreifaltigkeit hineinnehmen zu lassen. Das bedeutet mehr Hingabe und Loslassen, als aktives Tun. Wir sollen uns führen lassen, uns nicht von unseren eigenen Interessen bestimmen lassen, sondern dem Willen eines Höheren folgen, der weiß, was gut und richtig für uns ist, und womit wir ihm am meisten dienen können. So lassen wir uns führen zu dem Platz, der der beste für uns ist auf dieser Welt, an dem wir uns weit entfalten können und zu einer sprudelnden Quelle werden, die reichlich Wasser spendet.
Wir können das nicht selbst machen. Wir können uns nur führen lassen, wie sich auch Jesus vom Geist hat führen lassen in seinem Erdenleben. Und dann Ja sagen, auch wenn der Weg schwer erscheint, annehmen, was uns auf diesem Weg begegnet, offen sein für die Menschen, an denen dieser Weg vorbei führt. Es ist ein aktives sich führen lassen, hin zu einem erfüllten Leben, das nicht in der größtmöglichen Verwirklichung des eigenen Wollenes besteht, sondern in einer immer größeren Hingabe an den, der unser Heil wirkt.

In jener Zeit ging einer der Zwölf namens Judas Iskariot zu den Hohenpriestern und sagte: Was wollt ihr mir geben, wenn ich euch Jesus ausliefere? Und sie zahlten ihm dreißig Silberstücke. Von da an suchte er nach einer Gelegenheit, ihn auszuliefern.
Am ersten Tag des Festes der Ungesäuerten Brote gingen die Jünger zu Jesus und fragten: Wo sollen wir das Paschamahl für dich vorbereiten? Er antwortete: Geht in die Stadt zu dem und dem und sagt zu ihm: Der Meister lässt dir sagen: Meine Zeit ist da; bei dir will ich mit meinen Jüngern das Paschamahl feiern. Die Jünger taten, was Jesus ihnen aufgetragen hatte, und bereiteten das Paschamahl vor.
Als es Abend wurde, begab er sich mit den zwölf Jüngern zu Tisch. Und während sie aßen, sprach er: Amen, ich sage euch: Einer von euch wird mich verraten und ausliefern. Da waren sie sehr betroffen, und einer nach dem andern fragte ihn: Bin ich es etwa, Herr? Er antwortete: Der, der die Hand mit mir in die Schüssel getaucht hat, wird mich verraten. Der Menschensohn muss zwar seinen Weg gehen, wie die Schrift über ihn sagt. Doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre.
Da fragte Judas, der ihn verriet: Bin ich es etwa, Rabbi? Jesus sagte zu ihm: Du sagst es. (Mt 26, 14-25)

Verrat - Judas Iskariot

Ohne zu beschönigen beschreiben die Evangelien, dass es auch in nächster Nähe Jesu zu Verrat und Missgunst kommt. Selbst die vertraute Nähe des Herrn, das hautnahe Erleben seiner Wunder, das ständige Hören seines Wortes kann nicht verhindern, dass Menschen fallen. Petrus, den Jesus zum Felsen erwählt hat, wird schwach und verleugnet den Herrn. Jakobus und Johannes, die nach Petrus zu den führenden Köpfen des Apostelkollegiums zählen, gieren nach den ersten Plätzen im Himmelreich. Doch sie kommen zur Einsicht, lernen aus ihren Fehlern. Schwerer wiegt das, was Judas Iskariot dem Herrn antut:

Judas ging zu den Hohenpriestern und den Hauptleuten und beriet mit ihnen, wie er Jesus an sie ausliefern könnte. Da freuten sie sich und kamen mit ihm überein, ihm Geld dafür zu geben. Er sagte zu und suchte von da an nach einer Gelegenheit, ihn an sie auszuliefern, ohne dass das Volk es merkte. (Lk 22,4-6)

Was war es, das Judas zu diesem Schritt getrieben hat? Früher unterstellte man ihm oft allein Geldgier, eine Vermutung, die die Evangelien dadurch stützen, dass sie erwähnen, dass Judas Geld für seinen Verrat erhalten hat und dass Judas die Kasse hatte und dabei auch Geld unterschlagen hat (vgl. Joh 12,6). Wir wissen selbst gut genug, wozu Menschen fähig sind, die von der Geldgier beherrscht werden, so dass dieses Motiv des Judas durchaus denkbar ist.
Eine andere Erklärung wäre, dass Judas von Jesu Sanftmut enttäuscht war. Sein Beiname Iskariot könnte darauf hinweisen, dass Judas zu einer Gruppe von Befreiungskämpfern, den Sikariern gehört hat (Iskariot kann aber auch nur auf seine Herkunft "Mann aus Kariot" hinweisen). Vielleicht hat er gehofft, dass Jesus nach dem Einzug in Jerusalem die Römer vertreiben und ein neues Israel aufbauen wird. Er konnte nicht verstehen, dass Gott nicht auf dem Weg der Gewalt, sondern durch die tiefste Selbsterniedrigung sein neues Reich errichtet.

Jesus wusste um die Gedanken seines Apostels. Sicher hat er das vertraute Gespräch mit ihm gesucht, um ihn zur Einsicht zu bringen. Johannes Chrysostomus schreibt dazu:

Diese Handlungsweise des Herrn wollen auch wir beherzigen und wollen nichts unversucht lassen, um die Sünder und Nachlässigen zu ermahnen, zu belehren, zu ermuntern, anzuspornen, ihnen zu raten, selbst wenn wir nichts ausrichten sollten. Auch Christus wusste ja voraus, dass der Verräter unverbesserlich war; aber gleichwohl hört er nicht auf, das Seinige zu tun; er mahnt, droht, spricht Wehe über ihn, aber niemals offen und vor anderen, sondern im Geheimen. Ja, im Augenblick des Verrats lässt er sich von ihm sogar küssen; allein auch das macht keinen Eindruck auf Judas.

Selbst nach seiner Tat wäre Judas der Weg zur Umkehr offen gestanden. Judas hat die Barmherzigkeit Jesu so oft erlebt. Warum wagt er es nicht, Jesus um Verzeihung zu bitten? Nicht der Verrat an Jesus ist das Unrecht, das Judas begangen hat, sondern dass er nicht an die Barmherzigkeit des Herrn geglaubt hat.
So wird Judas auch für uns ein mahnendes Beispiel. Wie oft bleiben wir in uns selbst gefangen, wenn wir einen Fehler begangen haben und wagen es nicht, diesen offen auszusprechen und um Verzeihung zu bitten. So bohrt sich das Versagen tief in uns ein und lähmt uns immer mehr.

Judas Iskariot
Herr, gib uns den Mut, zu unseren Fehlern zu stehen und um Verzeihung zu bitten. Lass uns stets auf deine Barmherzigkeit vertrauen.

Johannes Chrysostomus gibt noch eine andere Ursache für das Verhalten des Judas an:

Wie konnte er so weit sinken, fragst du, da er doch von Christus zum Apostel berufen worden war? ... Weil er nachlässig wurde. Aus dieser Quelle erklären sich alle Wandlungen dieser Art, gleichwie aus dem Eifer die umgekehrten. ... Die Berufung Gottes zwingt und nötigt keinen, wider Willen die Tugend zu wählen, sondern mahnt und rät nur, lässt nichts unversucht und tut alles, um dem Menschen die Tugendhaftigkeit nahe zu legen; wenn sich der ein oder andere nicht daran kehrt, so wird er nicht gezwungen.

Auch das ist eine Mahnung an uns. Geben wir uns Mühe, die Pflichten des Alltags treu zu erfüllen? Sind wir achtsam für das, was jeder Augenblick von uns fordert? Nehmen wir die Zeiten des Gebetes ernst und versuchen wir uns bewusst in die Nähe des Herrn zu versetzten?
Judas lebte in der Nähe zum Herrn, aber er ließ zu, dass sich etwas zwischen ihm und Jesus gestellt hat. Wir kennen das auch, dass sich zwischen Menschen eine unsichtbare Wand aufbaut, die immer höher wird und Menschen voneinander trennt, die einander nahe waren. Wir wissen um die Wand, die Menschen zwischen sich und Gott errichten.

Herr, lass uns wachsam sein, wenn Mauern um uns entstehen, die uns von dir und unseren Mitmenschen trennen. Gib uns den Mut und die Kraft, diese Mauern niederzureißen, bevor sie eine Beziehung ganz zerstören. Lass uns stets auf dich blicken und in deiner Gegenwart leben.