Die Heiligen

Einführende Gedanken

Heilige
Allerheiligen

Wenn wir eine katholische Kirche betreten und nach dem ersten Gesamteindruck anfangen, die einzelnen Details wahrzunehmen, entdecken wir auch bald die Figuren und Bilder von Heiligen. Meist stehen sie auf Sockeln hoch über unseren Häuptern oder ihre Bilder hängen mit schwerem Goldrand verziert in scheinbar unerreichbarer Ferne. Zudem blicken viele der Heiligen oft weg vom Betrachter verzückt gen Himmel.
Die Kunst kann uns vieles zu diesen Plastiken und Bildern sagen, zumal dann, wenn sie von großen Künstlern stammen. Das ist sehr interessant und stillt unseren Wissensdurst, aber wissen wir dadurch auch schon etwas über die Personen, die hier dargestellt sind? Wer sind diese Menschen, die uns da so unübersehbar vor Augen geführt werden und warum legt die Kirche so großen Wert darauf, sie uns zu zeigen?
Viele Heilige stammen aus fernen Zeiten. Meist finden wir in den Kirchen schon einige Gestalten aus dem Alten Testament, die vor etwa 3000 Jahren gelebt haben, etwa Mose oder König David oder die Propheten, dann die Apostel, die mit Jesus einst vor etwa 2000 Jahren umhergezogen sind und erstmals den Glauben über die Grenzen des Heiligen Landes hinaus verkündet haben.
Oft sehen wir die vier Evangelisten dargestellt, die Jesu Botschaft in ihrer je eigenen Weise aufgezeichnet haben oder die großen Kirchenväter, die die Grundlagen der Theologie gelegt haben. Jedes Land und jede Stadt hat ihre Heiligen, die sie besonders verehrt und früher hatten auch alle Berufe ihren eigenen Heiligen als Patron.
Doch auch diese Informationen helfen uns noch nicht weiter, wenn wir verstehen wollen, was die Heiligen wirklich für Menschen waren. All das zeigt uns genauso wie Statuen und Bilder nur die verklärte Sicht späterer Zeiten auf diese Menschen. Wenn wir die Heiligen verstehen wollen, müssen wir sehen, wie sie gelebt haben. Und das ist die erste Erfahrung in der Begegnung mit den Heiligen: sie haben wirklich gelebt und waren zunächst ganz normale Menschen ihrer Zeit.
Hier stehen wir aber schon vor einem ersten Problem. Von vielen Heiligen wissen wir nur sehr wenig aus ihrem Leben. Spätere Legenden haben sie bereits zu Heroen stilisiert und sie sind dadurch alles Mögliche geworden, nur eines nicht: Menschen wie du und ich. So wird es immer vom Betrachter abhängen, was er gerade in den Bildern der Heiligen früherer Zeiten sieht. Es ist immer auch ein gewisses Maß an Deutung dabei, wenn wir versuchen, aus den wenigen Berichten den Kern der Persönlichkeit eines Heiligen herauszuschälen.
Leichter tun wir uns da schon bei den neuzeitlichen Heiligen. Heilige haben ja nicht nur in fernen Zeiten gelebt, es gibt sie zu allen Zeiten, auch heute. Von vielen haben wir eigene schriftliche Zeugnisse oder die Berichte von Augenzeugen. Oft erkennen wir darin das Ringen um ihre Berufung. Wir sehen, dass sie nicht schon als fertige Heilige zur Welt gekommen sind. Auch wenn man im Nachhinein oft ihre Kindheit verklärte, so waren sie doch meist einfach ganz normale Kinder.
Doch irgendwann in seinem Leben hat jeder der Heiligen eine bewusste Entscheidung getroffen, manche sehr früh, manche erst spät in ihrem Leben. Sie wollten Jesus folgen, wollten ihr Leben ganz nach ihm ausrichten, jeder an seinem Platz. Die Lebensbilder der Heiligen sind so vielfältig wie ihre Zahl. Ein Heiliger, das ist nicht einer, der sich in ein bestimmtes Schema pressen lässt, sondern einer, der ganz individuell in seinem Leben den Ruf Gottes erkannt hat und ihm an seinem konkreten Ort mit seiner ihm eigenen Persönlichkeit gefolgt ist.
Jeder Heilige ist so zu einem lebendigen Bild für Jesus Christus geworden, hat das Wirken Jesu Christi in seiner Zeit an einem ganz konkreten Ort gegenwärtig gesetzt. Darum zeigt uns die Kirche die Heiligen, weil sie uns Christus zeigen.
Heiligkeit, das ist kein Privileg einiger weniger. In den Kirchen finden wir die Heiligen, deren Heiligkeit von der Kirche offiziell bestätigt wurde. Aber Heilige, das sind auch die Menschen mitten unter uns, die in ihrem Leben auf den Ruf Gottes hören und ihm folgen, die Gottes Liebe konkret werden lassen in ihren Familien, bei den Menschen, denen sie begegnen, an ihrem Arbeitsplatz und unter ihren Freunden. Von Christian Morgenstern stammt der Satz:

"Es ist schön, zu denken, dass so viele Menschen heilig sind in den Augen derer, die sie lieben."

Heilige, das sind Menschen wie du und ich. Jeder Mensch ist zur Heiligkeit berufen. Jeder Mensch ist auch gerufen in die Gemeinschaft der Heiligen. Wir glauben, dass mit dem Tod nicht alles zu Ende ist, sondern dass wir berufen sind zu einem neuen Leben bei Gott. Es sind also nicht die Toten, die uns die Kirche in den Heiligen vor Augen stellt. Sie zeigt uns Menschen, die schon in diese andere Welt hinübergegangen sind, Menschen, die so gelebt haben, dass sie dieses neuen Lebens würdig sind.
Mit den Statuen und Bildern umgibt uns somit eine lebendige Gemeinschaft der Heiligen, in die auch wir gerufen sind. Wir stehen mit den Heiligen vor Gott, um ihn zu Lieben und zu Loben. Wir gehen mit den Heiligen hinaus in die Welt, um den Menschen die Liebe Gottes zu zeigen. Wir verstehen die Heiligen nur, wenn wir sie von den Sockeln und Bildern weg in unser Herz holen. Dann können wir ihnen begegnen und dann können sie uns auch etwas sagen, eine Botschaft, die unser Leben auf jeden Fall bereichert.

Ich möchte hier auf meiner Homepage einige Heilige vorstellen. Im Wesentlichen sind das offiziell von der katholischen Kirche kanonisierte Heilige, die ihren eigenen festen Gedenktag im Kirchenjahr haben. Es sind aber auch einige der Gerechten des Alten Bundes und Zeugen des Glaubens aus anderen Konfessionen darunter. Sowohl die Anzahl der Heiligen als auch die Inhalte der Seiten werden fortlaufend ergänzt. Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit, weder was die Liste der Heiligen betrifft, noch bezüglich ihrer Lebensbeschreibungen. Hier sei der Leser auf die vielfältige, im Handel erhältliche Literatur verwiesen. Heiligenlexika gibt es in den unterschiedlichsten Preiskategorien vom Taschenbuch bis hin zu teuren, reich bebilderten Ausgaben. Hier im Netz findet sich unter www.heiligenlexikon.de eine sehr brauchbare Übersicht mit umfangreichen Erklärungen.

Allerheiligen

Die Heiligen

Hoch auf Sockeln erhoben
den Häuptern entrückt
mit leuchtendem Blick
verklärt gen Himmel - verzückt

So stehn sie und schauen
tagein und tagaus
auf alle die kommen
und gehen hinaus

Und stehst du vor ihnen
schaust fragend sie an
können sie Antwort dir geben
wie alles begann?

Willst einem Heilgen begegnen
und Antwort von ihm hörn
musst vom Sockel ihn reißen
und seine Ruhe störn

Schaust du ihm dann ins Auge
wird wandeln sich sein Blick
vom verklärten Träumen
kehrt er ins Leben zurück

Willst du ihm begegnen
musst du mit ihm gehn
ihn aus der Kirche tragen
mit ihm im Leben stehn

Dann wird er dir zeigen
wie er einst gelebt
wird Weisung dir geben
die dich selbst erhebt

Er kennt ja das Leben
hat selbst geliebt und gelitten
mal wankenden Muts
mal mit tapferen Schritten

In Freuden und Nöten
wird er bei dir sein
deine Liebe dein Leiden
sie sind dann auch sein

Und kommst du dann wieder
in die Kirche hinein
siehst du über den Häuptern
die Freunde dein

Sie blicken nicht mehr
von ferne dich an
du bist einer von ihnen
der heilig sein kann
Herr Jesus, lass uns unsere Verantwortung erkennen,
die wir für unsere Mitmenschen und die ganze Welt haben,
und schenke uns in deiner Gnade,
dass wir dein Licht in der Welt erstrahlen lassen.
Gott unser Vater,
die Heiligen haben ihr Ziel erreicht.
Sie sind bei dir. Wir sind noch unterwegs.
Wir bitten dich:
Lass alle Menschen dich als ihr Ziel erkennen.
Lass alle Menschen den Weg zu dir finden.
Lass alle Menschen, die Irrwege gehen, umkehren.
Lass uns deinen Willen erkennen und befolgen.
Lass uns Menschen sein, die es anderen leichter machen,
an dich zu glauben.
Lass uns Menschen begegnen, die für uns Wegweiser sind.
Lass uns erkennen, worin die Heiligen und besonders
unsere Namenspatrone uns Vorbild sein können.
Mach uns würdig, Herr,
unseren Mitmenschen überall zu dienen,
die in Armut und Hunger leben und sterben.
Gib ihnen durch unsere Hände heute ihr täglich Brot,
schenke ihnen durch unsere Liebe Frieden und Freude.
Amen.
(Mutter Teresa)

Allerheiligen

Zeugen der Liebe Gottes

Der Heilige Geist beruft in die verschiedensten Dienste und teilt seine Gnadengaben aus. Doch wo ist mein Platz? Jeder soll in seinem Herzen spüren, wohin der Geist die Sehnsucht des einzelnen ruft.
Auch die heilige Therese von Lisieux stellte sich diese Frage nach ihrem Platz in der Kirche. Doch über ihre Berufung als Karmelitin hinaus spürte sie plötzlich noch andere Berufungen. Sie wäre gerne Krieger, Kreuzfahrer, Priester, Apostel, Kirchenlehrer, Märtyrer ... geworden. Sie fragt sich, wie sie diese vielen Berufungen leben könne.
Da liest sie im Ersten Korintherbrief, dass nicht alle alles zugleich sein können, sondern dass es im Leib der Kirche viele verschiedene Glieder geben muss. Doch sie liest dort auch von den vollkommensten Gaben, nach denen man streben soll. Und sie erkennt, dass die Liebe als höchste aller Gaben alles in sich umschließt. Denn alles andere ist nichts, wenn es nicht in der Liebe geschieht, wie Paulus im Hohenlied der Liebe sagt. So fand sie Ruhe. Sie sagt:

Ich begriff, dass die Liebe alle Berufungen in sich schließt, dass die Liebe alles ist, dass sie alle Zeiten und Orte umspannt, mit einem Wort: dass sie ewig ist!

Da rief sie:

O Jesus, meine Liebe, endlich habe ich meine Berufung gefunden, meine Berufung ist die Liebe! Ja, ich habe meinen Platz in der Kirche gefunden, und dieser Platz, mein Gott, den hast du mir geschenkt. Im Herzen der Kirche, meiner Mutter, werde ich die Liebe sein, so werde ich alles sein!

Der Heilige Geist macht uns zu Zeugen für Christus. Aber schon der heilige Augustinus muss seine Hörer auf die Bedeutung dieses Wortes hinweisen:

Vielleicht ist es einigen, die der griechischen Sprache unkundig sind, unbekannt, was Zeugen auf Griechisch bedeutet. Dabei ist es ein allgemein gebräuchliches und ehrwürdiges Wort. Die wir nämlich Zeugen nennen, das sind griechisch die Martyres. Wer aber hat nicht von Märtyrern gehört?

Zeugnis für Christus, das kann blutiges Martyrium bedeuten. Das ist das höchste Zeugnis. Aber das Zeugnis für Christus fängt schon im Kleinen an. Dazu ein Text aus einer Predigt von P. Rupert Mayer:

Bedenken wir doch, dass die Märtyrer ganz gewiss auch im Kleinen und Kleinsten treu und gewissenhaft waren und dass gerade dies ihnen vielleicht die Gnade des Martyriums erwirkte. Denn das Martyrium ist eine Gnade! Machen wir uns das recht klar! Darum wäre es verkehrt, wenn wir uns jetzt immer vorstellen würden, wie das jetzt wäre, wenn wir eingesperrt oder lebendig verbrannt würden.
,Ach,' denken wir, ,das könnte ich nicht aushalten, da würde ich verzweifeln.' Ja freilich könnten wir das nicht aushalten, aber wenn Gott die Gnade dazu schenkt, dann halten wir es aus als Märtyrer. Und die Vorbereitung für diese Gnade besteht in der treuen und gewissenhaften und pünktlichen Erfüllung unserer kleinen und kleinsten Pflichten.

Die Heiligen sind nicht deshalb heilig, weil sie hoch über unseren Häuptern auf Sockeln stehen, sondern sie stehen dort, weil sie sich in ihrem Leben bewährt haben. Sie waren Menschen wie du und ich, aber sie haben erkannt, worauf es im Leben ankommt und dies mit Entschiedenheit erfüllt.
Bitten wir die Heiligen um ihre Fürsprache für unseren Weg mit Gott, dass wir seinen Willen immer deutlicher erkennen und den Mut und die Kraft finden, ihn zu erfüllen.

Eine besondere "Lehre" über den Weg zur Heiligkeit zeigt uns die heilige Therese von Lisieux besteht in dem "kleinen Weg", dem Weg der Liebe in den kleinen Dingen des Alltag.

Ich habe immer danach verlangt, eine Heilige zu werden; aber ach! wenn ich mich mit den Heiligen verglich, stellte ich fest, dass zwischen ihnen und mir derselbe Unterschied besteht wie zwischen einem Berg, dessen Gipfel sich in die Himmel verliert, und einem unscheinbaren Sandkorn, über das die Füße der Leute achtlos hinwegschreiten; statt zu verzagen, sagte ich mir:
Der Liebe Gott flößt keine unerfüllbaren Wünsche ein, ich darf also trotz meiner Kleinheit nach Heiligkeit streben; mich größer machen ist unmöglich; ich muss mich ertragen, wie ich bin, mit all meinen Unvollkommenheiten; aber ich will ein Mittel suchen, in den Himmel zu kommen, auf einem kleinen Weg, einem recht geraden, recht kurzen, einem ganz neuen kleinen Weg.
Wir leben in einem Jahrhundert der Erfindungen, man nimmt sich jetzt die Mühe nicht mehr, die Stufen einer Treppe emporzusteigen, bei den Reichen ersetzt ein Fahrstuhl die Treppe aufs vorteilhafteste. Auch ich möchte einen Aufzug finden, der zu Jesus emporhebt, denn ich bin zu klein, um die beschwerliche Treppe der Vollkommenheit hinaufzusteigen.
Ich suchte daher in den heiligen Büchern nach einem Hinweis auf den Fahrstuhl, den ich begehrte, und ich stieß auf die aus dem Munde der Ewigen Weisheit kommenden Worte: "Ist jemand ganz klein, so komme er zu mir." (Spr 9,4) So kam ich denn, ahnend, dass ich gefunden hatte, was ich suchte.
Weil ich wissen wollte, o mein Gott! was du dem ganz Kleinen tätest, der deinem Ruf folgen würde, setzte ich meine Erkundungen fort und fand: - "Wie eine Mutter ihr Kind liebkost, so will ich euch trösten; an meiner Brust will ich euch tragen und auf meinen Knien wiegen!" (Jes 66,13.12)
Ach! niemals sind zartere, lieblichere Worte erfreuend an meine Seele gedrungen; der Fahrstuhl, der mich bis zum Himmel emporheben soll, Deine Arme sind es, o Jesus!
(aus: Therese von Lisieux, Selbstbiographie, 2003, S. 214 f.)
Allerheiligen

Bedeutung der Heiligen

Als Christen sind wir davon überzeugt, dass mit dem Tod, dem Ende des irdischen Lebens, für den Menschen nicht alles zu Ende ist. Gott wird uns durch den Tod hindurch führen und uns in der Auferstehung das ewige Leben schenken in seiner Herrlichkeit. Wir werden zu Bewohnern des Himmels, des himmlischen Jerusalem, das erleuchtet ist von der Herrlichkeit Gottes und wo es keine Trauer und Mühsal und keinen Tod mehr gibt. Dort wird die ewige Schau Gottes für die Erlösten das höchste Glück sein, wie es uns auf Erden unvorstellbar ist. Alle werden dann eins sein in Liebe mit Gott und untereinander.
In dieses himmlische Jerusalem sind uns die Gerechten aller Zeiten bereits vorangegangen. Sie bleiben aber auch weiterhin mit den Menschen auf Erden verbunden. Gerade deshalb zieren unsere Kirchen die Bilder und Statuen der Heiligen, weil wir uns bei jedem Gottesdienst mit ihnen verbunden wissen. Im Gebet sind wir jetzt schon - wenn auch im Verborgenen - Teil dieser himmlischen Welt. Die Heiligen tragen unsere Gebete vor Gott und zusammen mit ihnen und allen Engeln stimmen wir hier auf Erden ein in den himmlischen Lobgesang, der ewig vor Gottes Thron erklingt. Die Heiligen sind uns Fürsprecher bei Gott. Sie sind uns aber auch hier auf Erden Helfer und Vorbild, indem sie uns dazu ermutigen und dabei helfen, ihrem Beispiel zu folgen.
Heilige im engeren Sinn sind all jene Heiligen, die - teilweise nach einem langwierigen Heiligsprechungsverfahren, in dem ihr tadelloses Leben und die Wunder, die sie gewirkt haben, überprüft werden - offiziell von der Kirche zu Heiligen erklärt worden sind. Das bedeutet, dass sie in der Liturgie erwähnt werden dürfen und öffentlich um ihre Fürsprache angerufen werden können. Jeder dieser Heiligen hat einen eigenen Gedenktag im Jahr. Dies ist oft der Todestag als der Geburtstag des neuen Lebens bei Gott.
Es gibt in der Kirche aber auch noch einen weiteren Begriff von Heiligkeit. So nennt beispielsweise Paulus alle Christen in seinen Gemeinden Heilige. Jeder Christ, der in der Taufe zu neuem Leben geboren ist und dieses neue Leben als Christ lebt, ist ein Heiliger. Unter diesen weiten Begriff von Heiligkeit fallen auch die Gerechten des Alten Bundes, die, obwohl sie Christus nicht kannten, ihr Leben ganz im Vertrauen auf Gott gelebt haben.
Jeder Mensch ist zur Heiligkeit berufen. Jeder Mensch hat seine eigene Berufung, seinen je eigenen Platz in der Welt, an dem er für Gott Zeugnis geben kann. So unterschiedlich wie die Menschen aller Zeiten sind auch die Heiligen. Es gibt kein Grundschema, in das alle passen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie alle in ihrem Leben Gott gesucht haben, dass sie bereit waren, ganz seinen Willen zu tun, jeder gemäß seiner Berufung und an seinem Platz. Das macht es so spannend, das Leben der Heiligen zu erforschen. So wird auch jeder seinen Lieblingsheiligen finden, einen Heiligen, der vielleicht seiner eigenen Berufung, den Weg, den jeder selbst als den von Gott vorherbestimmten sieht, ähnlich ist. Hier können uns die Heiligen in unserer Berufung bestärken. Aber nicht nur ihr Mut und ihr tugendhaftes Leben sind uns Vorbild. Alle Heiligen hatten auch ihre menschlichen Schwächen und es kostete vielen eine große Anstrengung, diese zu überwinden. So können sie auch uns Vorbild darin sein, unsere Schwächen geduldig zu ertragen und im Vertrauen auf Gottes Hilfe zu überwinden.

Was geschieht nun, wenn ein Mensch völlig im göttlichen Leben, das in ihm ist, aufgeht? - Diese Vollkommenheit erreichen nur jene Menschen, die wir Heilige nennen - oder vielmehr jene, die wahrhaft heilig sind und im Lichte Gottes leben. Denn jene, die nach menschlichen Begriffen auf Erden Heilige genannt werden, können ebensogut Teufel sein, und ihr Licht könnte der Finsternis angehören. Denn vor dem Lichte Gottes sind wir Eulen. Es blendet uns, und sobald es uns trifft, sind wir im Dunkel. Oft sehen wir Menschen für Heilige an, die es nicht sind, und andere, die es keineswegs zu sein scheinen, sind es. Die größten Heiligen sind zuweilen die verborgensten - denken wir nur an die Muttergottes, den heiligen Josef.

Christus hat seine Kirche unter anderem zu dem Zwecke eingesetzt, damit die Menschen einander zu ihm hinführen und dadurch sich selbst sowie die Mitmenschen heiligen. Auf diese Weise zieht uns Christus selbst durch die Tat unserer Mitmenschen an sich.
(Thomas Merton)