Verschiedenes

Mit allen Sinnen

sehen

Mit meinen Sinnen nehme ich die Welt um mich herum wahr. Ich will aufmerksam sein für das, was mir begegnet. Ich will nicht nur mit den äußeren Sinnen wahrnehmen, sondern tiefer gehen, um die verborgene Wirklichkeit in den Dingen zu sehen, um andere Menschen zu verstehen, und um dich, mein Gott, in allen Dingen zu erkennen.

Sehen

Das Auge gibt dem Körper Licht. Wenn dein Auge gesund ist, dann wird dein ganzer Körper hell sein. Wenn aber dein Auge krank ist, dann wird dein ganzer Körper finster sein.

So spricht Jesus in der Bergpredigt (Mt 6,22f). Das Auge ist für viele Menschen das wichtigste Sinnesorgan. Mit den Augen nehmen wir die Bilder unserer Umwelt in uns auf, können die Schönheit der Schöpfung bewundern und die Menschen um uns herum sehen, können Kunstwerke betrachten oder lesen. Aber auch viel Leid sehen wir mit unseren Augen, Bilder von Katastrophen und verwundeten Menschen.
Wir glauben, dass auch Gott dies alles sieht. Das kann tröstlich sein, weil wir wissen, dass Gott kein Leid verborgen bleibt. Manchmal kann es uns aber auch Angst machen, wenn wir Gottes Blick auf uns ruhen sehen, besonders dann, wenn wir nicht glauben können, dass Gottes Blick der Blick der Liebe ist.
In den Evangelien lesen wir oft, dass Jesus die Menschen angeblickt hat. In Markus 10,21, als der reiche Jüngling mit Jesus spricht, heißt es: "Jesus sah ihn an und weil er ihn liebte, sagte er ...". Oder der Blick Jesu auf Petrus, nachdem dieser ihn dreimal verraten hat (Lk 22,61f): "Da wandte sich der Herr um und blickte Petrus an ... Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich." In einem alten Hymnus heißt es:

Herr, wenn wir fallen, sieh uns an
und heile uns durch deinen Blick.
Dein Blick löscht Fehl und Sünde aus,
in Tränen löst sich unsre Schuld.

Herr, lass mich deinen Blick immer als einen Blick der Liebe erfahren. Lass mich darauf achten, was ich mir ansehe, damit nicht schlechte Bilder meinen Sinn verwirren. Lass mich an dem Schönen freuen, das ich sehen darf, aber auch meine Augen nicht vor dem Leid verschließen. Lass mich in allem dich erkennen und dein verborgenes Wirken an den Menschen.

hören

Hören

Viele Klänge dringen den ganzen Tag an mein Ohr, schöne und weniger schöne. Mit meinen Ohren kann ich die Stimme der Menschen hören, der Musik lauschen, den Klang der Schöpfung vernehmen, aber ich höre auch Lärm und Missklang und Worte, die mir nicht gefallen.
Nur wer aufmerksam zuhört, kann den anderen verstehen. Auch Gott mahnt den Menschen immer wieder, auf ihn zu hören. Das bekannteste der Worte Gottes sind die Zehn Gebote. Sie beginnen mit dem berühmten Schma Israel - Höre Israel (Dtn 6,4-6):

Höre Israel:
ER unser Gott, ER Einer!
Liebe denn IHN deinen Gott
mit all deinem Herzen,
mit all deiner Seele, mit all deiner Macht.
Es seien diese Reden, die ich heute dir gebiete, auf deinem Herzen.

Um Gottes Stimme in uns zu vernehmen, müssen wir still werden, damit seine Stimme nicht von all den anderen Klängen in uns und um uns herum erdrückt wird. Doch Gott will nicht nur, dass wir ihn hören, sondern er hört auch uns, er kennt unsere Worte und unsere Gedanken, hört unsere Gebete, unseren Dank und unsere Bitten.
Herr, höre mein Beten und lass auch mich auf deine Stimme hören. Ich will mich freuen an den schönen Klängen dieser Welt, aber hilf du mir auch, dass ich nicht den stummen Schrei derer überhöre, die nach meiner Hilfe rufen. Herr, lass mich in allem deine Melodie vernehmen.

riechen

Riechen

Gerüche können von weit her in unsere Nase dringen. Wir können uns ihnen nur schwer entziehen, denn Atmen ist für uns lebenswichtig. Mit meiner Nase kann ich den Duft der Natur in mich aufnehmen, der Blumen, des Waldes, eines guten Parfüms. Doch manchmal ist die Luft verpestet durch Abgase und Gestank.
Unsere Nase ist nicht so sensibel wie z.B. die eines Hundes, der Vieles allein am Geruch erkennen kann. Aber auch wir sagen von anderen Menschen: ich kann dich riechen - ich kann dich nicht riechen, und das nicht nur im übertragenen Sinn.
Auch in der Liturgie soll der Geruchssinn angesprochen werden, der Weihrauch soll die Kirche mit himmlischem Wohlgeruch erfüllen. Von vielen Heiligen heißt es, dass ihren Gräbern - anstatt des zu erwartenden Modergeruchs - ein lieblicher Duft entströmte.
Paulus nennt die Christen den Wohlgeruch Gottes unter den Menschen (2Kor 2,14f):

Dank sei Gott, der uns stets im Siegeszug Christi mitführt und durch uns den Wohlgeruch der Erkenntnis Christi an allen Orten verbreitet. Denn wir sind Christi Wohlgeruch für Gott unter denen, die gerettet werden, wie unter denen, die verlorengehen.

Herr, lass mich dein Wohlgeruch unter den Menschen sein und den Duft deiner Liebe durch mein Leben verströmen.

schmecken

Schmecken

Mit meiner Zunge schmecke ich den guten Geschmack der Speisen, aber manchmal schmecke ich auch tiefe Bitterkeit.
Um Dinge schmecken zu können, muss ich sie ganz nahe an mich herankommen lassen, muss sie in den Mund nehmen. Daher gibt es nur weniges außer unserer Nahrung, das wir schmecken. Wie sprechen im übertragenen Sinne davon, dass wir von etwas kosten, wenn wir uns intensiv mit etwas Schönem beschäftigen.
Jesus wollte uns sein Gedächtnis dadurch hinterlassen, dass wir ihn essen können. Die Eucharistie ist Leib und Blut Jesu. Nichts kann deutlicher zeigen, wie nahe Gott uns sein möchte, als die Eucharistie. Der hl. Thomas von Aquin hat im Mittelalter dazu einen berühmten Hymnus, das Adoro te devote, geschrieben. Zunächst sagt er: Sehen, Tasten, Schmecken täuschen sich in dir. Der Mensch sieht, tastet uns schmeckt Brot, aber es ist der Leib des Herrn. Dann heißt es weiter:

Denkmal, das uns mahnet an des Herren Tod!
Du gibst uns das Leben, o lebendig Brot.
Werde gnädig Nahrung meinem Geiste du,
dass er deine Wonnen koste immerzu.

Herr, ich darf dich schmecken im Brot des Lebens, in der Eucharistie. Sei du die Nahrung für mein Leben und wandle du die Bitterkeit mancher Stunden in die Süße deiner Freude.

tasten

Tasten

Tastend kann ich Vieles entdecken. Oft sind Augen und Ohren dominanter, nur wenn ich ganz feinfühlig bin, kann ich die Dinge auch erspüren und sie damit noch tiefer erfassen. Ich empfinde die liebevolle Zärtlichkeit, wenn nahe Menschen mich berühren, aber auch den Schmerz, wenn ich verletzt werde.
Auch nach Gott müssen wir feinfühlig tasten, wenn wir ihn kennenlernen möchten. Wir können nicht mit unserer Hand nach ihm greifen, aber wir können seine Nähe spüren. Gut passt dazu die berühmte Darstellung von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle, die zeigt, wie Gott und Adam sich mit ihren Fingerspitzen nahe kommen.
In seiner Areopagrede hat der Apostel Paulus gesagt (Apg 17,27):

Die Menschen sollten Gott suchen, ob sie ihn ertasten und finden könnten, denn keinem von uns ist er fern.

Mit Gott in Berührung kommen, mit Gott in Berührung bleiben, immer mehr ihn tastend erforschen, seine Nähe immer mehr erspüren.
Herr, lass mich auch aufmerksam sein für die Zärtlichkeit deiner Liebe, mit der du mich umfangen und trösten willst.

Herr, lass mich mit allen Sinnen erkennen, die Welt um mich herum, die Menschen und auch dich.

Aus einem Gebet der hl. Mystikerin Gertrud von Helfta:

Selig die Augen, die dich schauen, o Gott-Liebe.
O wann, wann werde ich dorthin gelangen,
wo du bist, Gott, wahres Licht, Gott und Lamm?
Ich weiß, dass ich dich endlich schauen werde
mit meinen eigenen Augen,
o Jesus, Gott, du mein Heil.

Selig die Ohren, die dich hören, o Gott-Liebe,
du Wort des Lebens.
O wann, wann wird deine Stimme,
von Honig fließend und voll Süßigkeit,
mir Tröstung geben, wenn sie mich ruft zu dir?
Eia, vor bösem Hörensagen
möge ich mich nicht fürchten,
sondern schnell möge ich hören
deine ruhmvolle Stimme.
Amen, so geschehe es.

Selig die Nase, die dich atmet, o Gott-Liebe,
du des Lebens süßester würziger Duft.
O wann, wann wird zu mir hin atmen
deiner honigfließenden Gottheit duftender Wohlgeruch?
Eia, schnell möge ich kommen
zu den fetten Weiden voller Anmut,
wo ich immerdar dich schaue.
Amen, so geschehe es.

Selig der Mund, der kostet, o Gott-Liebe,
deine trostreichen Worte,
süßer als Honig und Honigwabe.
O wann, wann wird erfüllt werden
meine Seele mit deiner Gottheit nährendem Fett,
und trunken werden
durch die reiche Fülle deiner Lust?
Eia, so möge ich hier schon kosten,
wie lieblich du bist, Herre mein,
dass ich in ewigem Glück dich,
o Gott meines Lebens,
voll genieße dort.
Amen, so geschehe es.

Selig die Seele, die in der Umarmung
unzertrennlicher Liebe sich hingeschmiegt hat an dich,
und selig das Herz,
das spürt deines Herzens Kuss,
o Gott-Liebe,
und mit dir eingeht den Bund
unauflöslicher liebender Freundschaft.
O wann, wann soll ich
durch deine seligen Arme fest umschlungen werden,
und dich, o Gott meines Herzens,
ganz unmittelbar anblicken?
Eia, schnell doch, schnell möge ich,
dem Verbanntsein hier entrissen,
dein honigfließendes Angesicht schauen im Jubilus.
Amen, so geschehe es.