Die Zeit des Advent

Adventbetrachtung

Licht

Wo finde ich Advent?

Wo finde ich Advent? Wenn ich im Dezember durch die Stadt gehe, sehe ich, wie überall versucht wird, eine besondere Stimmung zu verbreiten. Es gibt bald keinen Platz mehr, auf dem es keinen Weihnachtsmarkt gibt. Was finde ich dort? Zum einen jede Menge zu Essen und zu Trinken. Nicht nur Glühwein, sondern alle möglichen und unmöglichen warmen und kalten Getränke und Speisen aus nah und fern, öko, bio und vegan. Es gibt Mützen, Pantoffel, Schmuck, heilende Steine, vielleicht sogar Krippenfiguren. Und jede Menge Lichter.
Ist das Advent? Klar, Adventsmärkte bieten eine wunderbare Möglichkeit, sich zu treffen, sich zu unterhalten und ein wenig zu verweilen. Aber ist das schon Advent? In den Geschäften wird überall das perfekte Weihnachtsgeschenk angepriesen. Schnell noch dies und jenes besorgen für das Fest und ja genau das darf auch nicht fehlen. Kaufen, kaufen, kaufen. Ist das Advent?
In Kirchen und Konzertsälen aber auch auf öffentlichen Plätzen gibt es viele Konzerte mit besinnlicher Musik. Ich kann mich von den erhebenden Klängen einstimmen lassen in diese besondere Zeit, zur Ruhe kommen. Zuhause zünde ich dann eine Kerze an und trinke gemütlich einen Tee. Ist das jetzt Advent?
Im Advent möchten wir in eine besondere Stimmung versetzt werden. Wir suchen mehr als zu anderen Zeiten im Jahr nach einer tiefen Zufriedenheit, vielleicht auch Geborgenheit. Schließlich steht ja das große Fest bevor, an dem wir eine heile Welt haben möchten mit Geschenken und gutem Essen unterm Tannenbaum im Kreis der Familie. Und dann kommt an Silvester der große Knall und das neue Jahr beginnt und wir stehen wieder in der alten Tretmühle von Leistung und Gelderwerb. Was ist dann geblieben vom Advent?
Vielleicht finden wir den Advent, wenn wir eine Tür nach innen öffnen. Advent ist nicht draußen, sondern beginnt in mir. Advent bedeutet den Mut, mich anzusehen, so wie ich bin. Was finde ich toll an mir? Was könnte noch etwas besser werden? Bin ich bereit dazu, Advent zu sein? Advent ist dort, wo ich ihn in die Welt bringe. Ich bin Advent. Tiefe Adventsstimmung kommt nicht von außen durch Schmuck, Lichter und Musik. Sie entsteht durch Menschen, die den Advent in die Welt tragen.
Advent, das ist ein kleines Lächeln inmitten der Hektik, wenn anonyme Menschenmassen durch die Straßen drängeln. Advent, das ist eine aufgehaltene Tür am Kaufhauseingang. Advent ist ein Anruf oder gar Besuch bei einem Menschen, für den ich schon lange keine Zeit mehr hatte. Ich halte einen Moment inne und überlege mir eine Handlung, in der ich Advent konkret werden lassen kann. Dabei kann mich das folgende Gebet begleiten:

Segen sei mit dir,
der Segen strahlenden Lichtes,
Licht um dich her
und innen in deinem Herzen.
Aus deinen Augen strahle
gesegnetes Licht
wie zwei Kerzen
in den Fenstern deines Hauses,
die den Wanderer locken,
Schutz zu suchen dort drinnen
vor der stürmischen Nacht.
Wem du auch begegnest,
wenn du über die Straße gehst,
ein freundlicher Blick von dir
möge ihn treffen.

Altirischer Segenswunsch

Advent - Licht im Dunkel

Die Lichtsymbolik prägt das religiöse Brauchtum des Advent. Jeden Sonntag entzünden wir ein neues Licht an unserem Kranz. Die Texte des Advent sprechen von der Sehnsucht nach dem, der von sich sagt, dass er das Licht der Welt ist, Jesus Christus. Er hat Licht und Heil in die Welt gebracht hat, er will das Licht und das Heil meines Lebens sein.
Beten wir darum, dass in dieser Adventszeit das Licht Jesu Christi wieder neu in uns hell wird und dass dieses Licht auch für andere scheint, damit die Adventszeit eine segensreiche Zeit werde für uns und alle Menschen.

In der Adventszeit werden die Tage immer kürzer und die Nächte immer länger. Erst mit dem Weichnachtsfest kehrt sich diese Entwicklung um, werden die Tage wieder länger. Weihnachten als Sieg des Lichtes über die Finsternis.
Wir machen kaum mehr die Erfahrung, wie es sich anfühlt, wenn es stockdunkel ist. Meist ist irgendwo ein Licht in der Nähe. In unseren Häusern machen wir das Licht an, wenn es dunkel wird, unsere Straßen werden von Laternen beleuchtet, Autos und Fahrräder fahren selbstverständlich mit Licht. Licht ist eigentlich nichts besonderes für uns.
Wie mag es aber Menschen gehen, bei denen es weit und breit keinen Lichtschalter, kein Feuer, kein Auto oder sonst etwas gibt? Sie müssen die Nacht aushalten und auf den neuen Morgen warten, bis es wieder hell wird.
Versuchen wir uns einmal vorzustellen, wie schön es dann ist, ein Licht zu haben, eine Kerze, die nicht nur Licht, sondern auch etwas Wärme gibt, die durch ihr Flackern auch etwas Lebendiges ist.

Hoffnung

Advent - Hoffnung

Wenn wir auf unsere Welt blicken, so möchten wir manchmal schier verzweifeln. Wo ist der Friede, den wir uns so sehr wünschen? Wo ist die Liebe? Wo ist die Sehnsucht nach Gott? Und doch bleibt uns die Hoffnung, dass Friede möglich ist, dass die Liebe stärker ist als der Hass, dass Menschen warten auf Gott, der uns begegnen möchte. So heißt es in einer bekannten Geschichte:

Vier Kerzen brannten am Adventskranz. So still, dass man hörte, wie die Kerzen zu reden begannen.
Die erste Kerze seufzte und sagte: "Ich heiße Frieden. Mein Licht leuchtet, aber die Menschen halten keinen Frieden." - Ihr Licht wurde immer kleiner und verlosch schließlich ganz.
Die zweite Kerze flackerte und sagte: "Ich heiße Glauben. Aber ich bin überflüssig. Die Menschen wollen von Gott nichts wissen. Es hat keinen Sinn mehr, dass ich brenne." - Ein Luftzug wehte durch den Raum, und die zweite Kerze war aus.
Leise und traurig meldete sich nun die dritte Kerze zu Wort. "Ich heiße Liebe. Ich habe keine Kraft mehr zu brennen. Die Menschen stellen mich an die Seite. Sie sehen nur sich selbst und nicht die anderen, die sie lieb haben sollen." - Und mit einem letzten Aufflackern war auch dieses Licht ausgelöscht.
Da kam ein Kind in das Zimmer. Es schaute die Kerzen an und sagte: "Aber, aber, ihr sollt doch brennen und nicht aus sein!" - Und fast fing es an zu weinen.
Da meldete sich auch die vierte Kerze zu Wort. Sie sagte: "Hab keine Angst! Solange ich brenne, können wir auch die anderen Kerzen wieder anzünden. Ich heiße Hoffnung." - Mit einem Streichholz nahm das Kind Licht von dieser Kerze und zündete die anderen Lichter wieder an.
Dicite, Pusillanimes confortamini:
ecce Dominus Deus noster veniet!

Sagt: Verzagte habt Mut!
Seht es naht der Herr unser Gott!

Die Adventszeit ist eine Zeit der Hoffnung, eine Zeit der Erwartung. Gott naht sich, ja er ist uns schon nahe gekommen. Appropinquavit enim regnum caelorum. Das Reich Gottes hat sich herangenaht, so ruft Johannes der Täufer. Mit dem Kommen Jesu Christi ist das Reich Gottes schon mitten unter uns. Gott ist zu uns gekommen, keinem von uns ist er fern. In der Adventszeit machen wir uns wieder ganz neu bewußt was dies für uns bedeutet, wie reich wir von Gott beschenkt wurden. Wir blicken auf die Zeugen des Alten Bundes, die das Verheißene ersehnten, aber nicht erlangt haben, das Einzigartige, das Gott für uns vorgesehen hatte. Wir blicken aber auch auf die vielen Menschen heute, die sich nach Frieden und Erlösung sehnen, aber den Weg dorthin nicht finden.

Domine, quid est homo, quod memor es eius,
aut filius hominis quoniam visitas eum.

Herr, was ist der Mensch, dass Du an ihn denkst,
des Menschen Kind, dass Du es besuchst?

Wir sind in Sünde gefallen, wir sind schwach und armselig, und doch sind wir nach Deinem Bild geschaffen. Deine Liebe, o Gott, sehnt sich nach uns Menschen, diese Liebe, die all unsere Vorstellungen von Liebe übersteigt. Sie brennt für uns Menschen, sie hat die Mauer unserer Sünden niedergebrannt, die den Weg zum Licht versperrte.

Per viscera misericordiae Dei nostri
visitavit nos oriens ex alto.
Illuminare his, qui in tenebris et in umbra mortis sedent.

Durch die barmherzige Liebe unseres Gottes,
hat uns besucht das aufstrahlende Licht aus der Höhe,
um allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen
und im Schatten des Todes.

Gott wird Mensch in seinem Sohn Jesus Christus. In ihm haben wir die Erlösung. Er ist unser Friede. Das Licht leuchtet in der Finsternis. Christus ist unser Licht. Wissen wir eigentlich, wie sehr uns dieses Licht Leben und Wärme schenkt und was für ein Geschenk dieses Licht für uns ist? Wie groß die Finsternis wäre, ohne dieses Licht? Wer könnte unsere Sehnsucht stillen, wer könnte uns befreien, wer uns nahe sein in Verlassenheit und Not?

Ecce veniet desideratus cunctis gentibus.

Seht es kommt der,
den alle Völker ersehnen.

Jesus Christus ist zu uns gekommen, er hat sich uns geschenkt. Wir tragen seinen Schatz in zerbrechlichen Gefäßen. Lassen wir unsere Lampen brennen. Werden wir durch ihn Licht und tragen wir sein Licht zu jenen in der Finsternis, denen Gott so unendlich fern erscheint. Laßt uns nicht trauern, als hätten wir keine Hoffnung. Auch in den unergründlichen Abgründen des Leids ist Gott uns nahe, auch wenn wir seinen Weg mit uns nicht immer verstehen.

Levate capita vestra:
ecce appropinquabit redemtio vestra.

Erhebt eure Häupter!
Ihr seid erlöst!

Gott hat seinen Sohn für uns dahingegeben, wie sollte er uns in ihm nicht alles schenken! Herr, ich will mich Dir ganz schenken, nimm mich an und mach mich neu in Dir!

Veni - komm!

Komm, Herr! Reiß doch den Himmel auf und komm herab!

Dieser Ruf des Propheten Jesaja (Jes 63,19) steht als Überschrift über dem ganzen Advent. Es ist die Zeit der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest, an dem wir in besonderer Weise die Geburt des Sohnes Gottes auf Erden feiern. Doch wir denken nicht nur an ein Ereignis, das vor über 2000 Jahren stattgefunden hat. Die Geburt Jesu Christi wird unter uns immer neu Gegenwart. Christus ist auch heute mitten unter uns, zwar nicht mehr als das Kind von Betlehem oder als der Prediger von Galiläa, aber doch als der auferstandene und lebendige Herr.
Immer neu ereignet sich die Christusgeburt auch in meinem Leben. Ich bin dazu berufen, Christus immer ähnlicher zu werden, immer mehr zu einem Bild Jesu Christi zu werden, Christus durch mich für andere erfahrbar werden zu lassen. Dazu braucht es immer wieder die Besinnung auf das Wesentliche, ich muss mir immer wieder die Frage stellen, ob ich so leben möchte, wie Jesus Christus es von mir erwartet und wie ich den Willen Gottes in meinem Leben konkret werden lassen kann. Romano Guardini sagt:

"Was einmal in der Geschichte geschehen ist, soll sich im Leben der Glaubenden immer wieder ereignen. Damals ist der Herr gekommen, für Alle; Er muss aber immer neu kommen, für Jeden. Jeder von uns soll das Warten, Jeder die Ankunft des Herrn erfahren, damit ihm daraus Heil werde."

Wie können wir den Advent, die Zeit des Wartens, sinnvoll nutzen, damit wir die Ankunft des Herrn wieder neu erfahren? Romano Guardini empfiehlt drei Dinge:

"Vor allem sollen wir uns darum bemühen, etwas von ihm zu erfahren."

Das Lesen ist wichtig. Aus der Heiligen Schrift und guten religiösen Büchern erfahren wir etwas von Jesus Christus, das uns helfen kann, ihn für uns wieder neu zu entdecken.

"Doch es ist mehr nötig als bloßes Lesen und Denken. ... Wir müssen auch beten."

Wenn Jesus Christus in mir lebendig werden soll, dann muss ich mit ihm in Beziehung treten. Es genügt nicht, sich Jesus nur gedanklich vorzustellen. Jesus selbst will Einlass finden in mein Leben, mit seiner Liebe, mit seiner Kraft. Durch das Gebet kann ich in eine lebendige Beziehung treten mit Gott und seine Nähe erfahren.

"Ich glaube aber, wir müssen noch ein Drittes hinzunehmen, nämlich dass wir die Liebe üben."

Die Beziehung zwischen mir und Gott ereignet sich nicht in einem abgeschlossenen Raum. Sie drängt auch außen. Weil Gott ein Gott für alle Menschen ist, will er auch, dass die Menschen miteinander in Beziehung treten. Die Begegnung mit Gott wird erfahrbar in der Begegnung mit anderen Menschen. Die Liebe Gottes drängt mich, diese Liebe auch an andere Menschen weiterzuschenken.
Diese drei Dinge sind es, in die wir uns in diesem Advent wieder neu einüben können, um so das Kommen des Herrn in unserem Leben ganz neu zu erfahren. Dabei wollen uns auch die Texte der Adventszeit eine Hilfe sein. Wir hören in den Sonntagslesungen von den Verheißungen des Alten Bundes und wie sie sich in Jesus Christus erfüllt haben. Wir begegnen den Heiligen, die in ihrem Leben die Begegnung mit Jesus Christus haben lebendig werden lassen und die uns Vorbild sind im Tun der Liebe.
Lassen wir uns ein auf diese Texte, lassen wir Jesus neu lebendig werden in uns!