Die Heiligen

23.7. Birgitta v.Schweden

Birgitta v.Schweden

Birgitta von Schweden
1303-1373
Ordensgrüngerin
Schutzpatronin Europas

Birgitta v.Schweden

Einführung

Birgitta gilt als einzige kanonisierte Heilige des Nordens. Sie war eine große Seherin und wird oft als "Sprachrohr Gottes" bezeichnet. Ihre Berufung lässt sich mit folgenden Worten kennzeichnen, die Gott zu ihr gesprochen hat:

Ich bin der Herr, dein Gott, der zu dir redet. Sei ohne Furcht. Was du siehst ist kein Trugbild des Feindes. Ich bin es, der Schöpfer aller Dinge, der nicht trügen noch betrogen werden kann. Wisse, dass ich nicht nur um deinetwillen zu dir rede, sondern es geschieht zur Rettung der ganzen Christenheit; darum vernimm, was ich sage!
Du sollst meine Braut sein und das Sprachrohr für meine Worte sein. Du wirst geistige und himmlische Geheimnisse zu schauen bekommen, und mein Geist wird auf dir ruhen bis zu deinem Lebensende. Darum glaube fest, dass ich es selbst bin, der im Geist mit dir spricht, der ich für das Heil aller Seelen gelitten und den Tod erduldet habe, der ich von den Toten auferstanden und in den Himmel aufgefahren bin.
Es wundern sich viele, warum ich zu dir und nicht zu anderen rede, deren Leben vollkommener ist und die mir schon längere Zeit dienen. Aber weil es mir so gefiel, darum habe ich dir meinen Geist der Weissagungen verliehen, nicht weil du besser bist als jene oder würdiger als sie an Verdiensten, sondern weil es mir so gefällt, der ich aus Unweisen Weise und aus Sündern Gerechte mache. Und indem ich dir solche Gnade erweise, achte ich die anderen nicht für geringer; sondern ich bewahre sie für meine Absichten und meine Ehre, wie es meine Gerechtigkeit erfordern wird. Darum übe in allen Dingen die Demut und lass dich durch nichts betrüben als durch deine Sünden.

Ihre Visionen galten nicht ihr allein, sondern dem Heil vieler Menschen. Birgitta hat Zeit ihres Lebens den Menschen in ihrer Umgebung und den Großen ihrer Zeit die Botschaften Gottes überbracht. Diese beinhalten neben manchem Lob vor allem Tadel für das Verhalten dieser Menschen und geben ihnen Weisung für ein gottgefälliges Tun. Päpste und Könige hat sie mit ihren Worten ermahnt, ganz besonders lag ihr die Rückkehr der Päpste von Avignon nach Rom am Herzen.
Birgitta wurde wegen ihrer Herkunft von den Persönlichkeiten, denen sie oft deutliche Worte sagte, geachtet, wegen ihrer häufigen Kritik machte sie sich aber nicht bei ihnen beliebt. Viele zweifelten die Echtheit ihrer Botschaften an. Besonders ihre Beichtväter, die teilweise sehr bedeutende Positionen in der Kirche inne hatten, bestätigten aber die göttliche Herkunft ihrer Visionen.
Nicht zuletzt die Reformation ließ Birgitta in Vergessenheit geraten und nicht wenige waren überrascht, als Johannes Paul II. sie 1999 zusammen mit Katharina von Siena und Edith Stein zur Schutzheiligen Europas erklärte. Das Europa, das Birgitta erlebte, war nicht weniger zerrissen, als wir es heute sehen. Schon damals kannte man so etwas wie eine Schuldenkrise. Schwedens Königshaus war ebenso wie andere Herrscherhäuser, notorisch pleite. Viele rivalisierende Parteien lähmten die Kraft des Abendlandes und zwischen England und Frankreich begann damals der Hundertjährige Krieg. Auch die Kirche zeigte oft nicht die Heiligkeit, die ihr zukommen sollte. Besonders die "Babylonische Gefangenschaft" des Papsttums in Avignon und das sich anbahnende abendländische Schisma warfen tiefe Schatten auf die Kirche.
In dieser Zeit tritt Birgitta als Mahnerin Gottes auf und verkündet ihre Botschaften, ob gelegen oder ungelegen. Ihre Worte sind für uns keine leichte Kost. Sie mögen uns an die Offenbarung des Johannes erinnern, in der sich oft drastische Worte über das Gericht Gottes über diejenigen finden, die Gottes Willen nicht gehorchen. Können das die Worte eines barmherzigen Gottes sein? Doch der Ruf zur Umkehr ergeht auch heute und ohne diese bewusste Umkehr der Menschen zu Gott bleibt alles Christentum lau. Eine bewusste Entscheidung, nach dem Willen Gottes zu leben, ist von jedem gefordert, der sich Christ nennt und nach dem Heil strebt.

Heute scheint die Stimme verstummt, welche gerufen hat: Seid bereit! Mein Weg ist wie verschüttet. Es steht ja geschrieben: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! Aber selig auch die, welche jetzt diesen meinen Worten Glauben schenken und sie durch die Tat erfüllen!
Aber ihr Glaube ist schwach, er hängt nur äußerlich an ihnen und droht jeden Augenblick abzufallen, weil sie nur solange glauben, wie sie nicht versucht werden; sie verzagen aber sogleich, sobald sie eine Widerwärtigkeit trifft. Ihre Hoffnung ist eitel, weil sie auf die Vergebung ihrer Sünden rechnen, ohne meiner Gerechtigkeit und der Rechenschaft zu gedenken, die sie in Wahrheit vor mir ablegen müssen. Das Reich der Himmel hoffen sie umsonst erlangen zu können; darum erwarten sie von mir Barmherzigkeit mit Ausschluß meiner Gerechtigkeit. Ihre Liebe zu mir ist ganz und gar erkaltet; denn sie fühlen sich nicht angetrieben, mich zu suchen, wenn sie nicht durch Trübsal dazu gezwungen werden.

Schon als Kind zeigte sich Birgitta der Gekreuzigte und sagte, dass er immer noch leiden müsse, wegen all jener, "die ihn verachten und sich nicht um seine Liebe kümmern." Es ist der Dienst der Mahner zu allen Zeiten, die Menschen dazu aufzurufen, nach der größeren Liebe zu streben, die eine Leben nach Gottes Willen erfahrbar macht, auch wenn dieses zunächst nur als schmerzvoller Verzicht erscheint. Gottes Wege erscheinen uns oft dunkel und unwegsam, doch wenn wir sie betreten, öffnet sich der Pfad und führt uns in ein wundervolles Licht.

Das Leben der hl. Birgitta

Kindheit und erste Visionen

Birgitta Birgersdotter wurde 1302 oder 1303 auf dem Gut Finsta im uppländischen Roslagen geboren. Ihr Vater Birger Petersson oder Persson war "Lagman" von Uppsala, oberster Richter und Gesetzgeber in Uppland und einer der reichsten und mächtigsten Männer Schwedens zur damaligen Zeit, ihre Mutter Ingeborg Bengtsdotter entstammte einer Seitenlinie der schwedischen Königsfamilie. Birgitta war also ein Kind des Hochadels und somit verwandt mit vielen einflussreichen Persönlichkeiten Schwedens.
Birgittas Eltern waren fromm, es wird von reichen Schenkungen an die Kirche und Pilgerfahrten berichtet. So wundert es nicht, dass Birgitta bereits als Kind von großer Frömmigkeit gewesen ist. 1314 verstarb die Mutter und Birgitta wuchs bei ihrer Tante, einer stolzen und vornehmen Adelsfrau, auf.
Mit zwölf Jahren hatte Birgitta ihre erste Vision. Ihr Tante fand sie nachts neben ihrem Bett kniend, wie sie unter Tränen betete. Die Tante wollte Birgitta mit dem Stock züchtigen, weil sie dachte, man hätte dem Kind trügerische Gebete gelehrt. Doch der Stock zerbrach und erschrocken fragte die Tante Birgitta, was es mit ihrem Gebet auf sich habe. Birgitta sagte, sie sei aufgestanden, "um ihn zu preisen, der mir immer beständig zu helfen pflegt." - "Ihn, den Gekreuzigten, den ich gesehen habe."
Später erschien ihr wiederum der Gekreuzigte. Er zeigte Birgitta, dass er immer noch leiden müsse, wegen all jener, "die ihn verachten und sich nicht um seine Liebe kümmern." Birgitta selbst wollte sich daraufhin ganz dem Herrn als Jungfrau weihen, doch das ließ ihr Vater nicht zu. Birgitta fügte sich dem Willen des Vaters und war zu einer Heirat bereit "non voluptas, sed paternae voluntatis causae - nicht aus begehrlicher Lust, sondern wegen des väterlichen Willens", wie es in einer Lebensbeschreibung heißt.

Ehefrau, Mutter und Visionärin

Birgitta und ihre Schwester Katharina sollten die beiden Söhne eines einflussreichen Reichsrates heiraten. Es kam zu einer Doppelhochzeit und Birgitta wurde 1316 mit dem 18-jährigen Ulf Gudmarsson vermählt. Die Ehe währte 28 Jahre, bis zum Tod ihres Gatten. Es war allem Anschein nach eine glückliche Ehe mit allen Höhen und Tiefen, die das Eheleben mit sich bringt. Ulf war ebenso an einem christlichen Leben interessiert wie Birgitta, und seine Ehefrau scheint diese Anlage bei ihm noch gefördert zu haben. Er war dazu bereit, auf Wunsch Birgittas in den ersten beiden Ehejahren enthaltsam zu leben. Für Birgitta bedeutete eheliche Gemeinschaft vor allem "geistige Liebe, wechselseitige Hingebung und fleischliche Vereinigung ohne Wollust." Acht Kinder gingen aus dieser Ehe hervor, von denen zwei früh verstorben sind. Birgittas Lieblingstochter war Katharina, die später das Werk der Klostergründung ihrer Mutter fortführte.
Ulf wurde eine einflussreiche Stellung in Schweden zuteil. 1335 wurde er zum Reichsrat am Hof von König Magnus II. Eriksson berufen. Birgitta aber wurde erste Hofdame der Grafentochter Blanka von Namur, der Gemahlin des noch sehr jungen Königs Magnus II. Stets jedoch suchte Birgitta nach dem einfachen Leben. Besonders während der Abwesenheit ihres Mannes lebte sie asketisch, fastete und schlief nicht im bequemen Ehebett, sondern auf dem Fußboden. Sie kümmerte sich um die Armen und bedachte sie mit reichen Spenden. Täglich soll sie zwölf Arme an ihren Tisch geladen haben. Sie hat den Kranken die Füße gewaschen und sich nicht davor geekelt, ihre Geschwüre zu pflegen. Auch für Prostituierte setze sie sich ein und versuchte, ihnen ein neues Leben zu ermöglichen. Birgitta sorgte sich um die Spitäler und versah selbst den Dienst an den Kranken. Auch ihre Kinder nahm sie mit in die Spitäler und lehrte sie, den Kranken zu dienen.
Sie erfüllte damit, was sie selbst als Ideal geschaut hat:

Ein vernünftiger Gebrauch des Zeitlichen besteht darin, sein Eigentum zu seinem mäßigen Unterhalt, aber nicht zu einem Leben in Überfluss zu haben. Wenn du sagst, dass zeitliches Gut dir gehört, sage ich dir die sichere Wahrheit, dass du dir alles, was du über das Nötige hinaus besitzt, mit Gewalt angeeignet hast. Denn alles zeitliche Gut soll gemeinsam und für alle Bedürftigen gleich sein; so gebietet es die Liebe. Aber du eignest dir um deines Überflusses willen an, was du aus Mitleid anderen verleihen solltest.
Die, welche Würden und Regierungsaufträge um ihrer weltlichen Ehre willen erstreben, sind nicht die wahren Fürsten, sondern die schlimmsten Tyrannen.
Jeder, der anderen Gutes tut, und nicht nach der Vergeltung der Menschen fragt, sondern bloß nach der, welche ich, ihm geben will, der wird das Größte für das Kleine, das Ewige für das Zeitliche bekommen; dagegen wird der, welcher das Irdische im Austausch gegen das Zeitliche sucht, bekommen, was er begehrt, aber das Unvergängliche verlieren.
So münden viele Tugenden in der Liebe zum Nächsten. Wenn aber ein liebevoller Mensch seinen Nächsten betrübt sieht, dann soll er ihn mit liebreichen Worten und Taten trösten, er soll den verteidigen, der ungerecht angegriffen wird, er soll die Kranken besuchen, die Gefangenen freikaufen, sich der Armen nicht schämen, immer die Wahrheit lieben, nichts vor die Liebe zu Gott stellen und niemals vom Wege der Gerechtigkeit abweichen.

Birgitta v.Schweden

Ein einschneidendes Geschehen im Leben der Eheleute stellte die gemeinsame Wallfahrt nach Santiago de Compostella in den Jahren 1341-43 dar. Nach dieser Wallfahrt trat Ulf in das Zisterzienserkloster in Alvastra ein, doch noch bevor er die Profess ablegen konnte, starb er dort im Jahr 1344 im Alter von 46 Jahren. Für Birgitta begann nun eine neue Zeit. Sie verteilte ihre Besitzungen an die Armen und an ihre Kinder. Nachdem sie eine Zeit lang in der Nähe des Klosters Alvastra gelebt hatte, stellte ihr König Magnus 1346 das Gut Vadstena am Vätternsee zum Bau eines eigenen Klosters zur Verfügung. Es wird sie lange Zeit kosten, bis sie für ihren Orden die päpstliche Zustimmung erlangt.
1342 begann Birgitta auch, mit ihren Offenbarungen an die Öffentlichkeit zu treten. Zunächst einmal war es wichtig zu klären, ob diese Offenbarungen wirklich von Gott stammten und nicht Blendwerk des Teufels waren. Birgitta selbst war sich darüber nicht immer im Klaren und überließ demütig das Urteil darüber ihrem Beichtvater, dem Prior Petrus von Alvastra und Magister Mathias. Birgitta, die nur sehr geringe Lateinkenntnisse besaß, schrieb oder diktierte ihre Visionen auf Schwedisch und sie wurden von den Geistlichen ins Lateinische übersetzt. Prior Petrus hatte zunächst kein großes Interesse an den Visionen Birgittas, er spricht aber selbst davon, dass er durch eine göttliche Ohrfeige dazu ermahnt wurde, sich ihrer Visionen anzunehmen.

In Rom und Jerusalem

Im Herbst 1349 begab sich Birgitta mit einem kleinem Gefolge nach Rom. Damit begann für sie ein neuer Lebensabschnitt, in ihre Heimat Schweden sollte sie nicht mehr zurückkehren. In Rom nahm sie 1350 an den Feiern zum Heiligen Jahr teil. Birgittas Haus an der Piazza Farnese in Rom wurde zur Herberge für Pilger aus dem Norden, sie kümmerte sich um Obdachlose und unterstützte Arme. Mehrere Reisen führten sie auch in andere Städte Italiens. Ihre anhaltenden Offenbarungen belegen ihr Ergriffensein von der Gerechtigkeit Gottes und der übergroßen Kraft der Liebe. Birgittas politische Offenbarungen wurden nachträglich von Bischof Alfons von Jaen gesammelt.
Birgitta erlebte vier Päpste, denen sie deutlich ins Gewissen redete. Papst Clemens VI. (1342-52) nahm sie nicht wirklich ernst und weigerte sich, ihre Ordensregel zu bestätigen. Auch Innozenz VI. (1352-62) schenkte ihr wenig Gehör. Erst Urban V. (1362-70) bestätigte Birgittas Ordensregel und machte Ernst mit der in Birgittas Visionen geforderten Rückkehr von Avignon nach Rom. Starker Widerstand veranlasste ihn jedoch 1370 zu einer Rückkehr nach Avignon, wo er bald darauf starb. Gregor XI. (1370-78) kehrte wieder nach Rom zurück, bald darauf aber kam es zu dem unheilvollen abendländischen Schisma, der Zeit der Gegenpäpste in Avignon.
Als Krönung ihres Lebens unternahm Birgitta 1371-73 eine Pilgerreise ins Heilige Land. Dort wurden ihr an den Heiligen Stätten mehrere Visionen zuteil über das Leben und Sterben Jesu Christi und über Maria. Die Schau der Passionsgeschichte, die sie in einer Offenbarung in der Grabeskirche erfuhr, gehört wohl zu ihren beeindruckendsten Schilderungen.
Birgitta starb kurz nach ihrer Rückkehr von der Pilgerreise nach Jerusalem in ihrem Haus in Rom mit den Worten: "Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist." Ihre Vision von einem Kloster in Schweden hatte sich bis dahin noch nicht endgültig erfüllt. Erst ihre Tochter Katharina realisierte diese Absicht, weshalb sie als eigentliche Gründerin des Birgittenorden (Ordo Sanctissimi Salvatoris = OSSalv, deutsch "Orden des Allerheiligsten Erlösers") angesehen werden kann.
Birgittas Leichnam wurde unter großem Menschenandrang in der Kirche San Lorenzo in Rom beigesetzt. Auf Veranlassung der kleinen schwedischen Gemeinde in Rom und besonders ihrer Tochter Katharina wurde Birgittas Leichnam in ihre Heimat überführt. In Vadstena fand sie in der sogenannten "Blaukirche" ihre letzte Ruhestätte.

Auszüge aus den Worten der hl. Birgitta

Die niedergeschriebenen Visionen der heiligen Birgitta sind sehr umfangreich. Wetere Zitate finden sich oben im Text und in der rechten Spalte. Hier habe ich versucht, einige Zitate aus ihren Visionen in eine logische Reihenfolge zu bringen.

Ich bin der Schöpfer des Himmels und der Erde, der Eine wahre Gott mit dem Vater und dem Heiligen Geist. Der Vater ist Gott, der Sohn ist Gott, der Heilige Geist ist Gott. Nicht aber sind drei Götter, sondern ein Gott in drei Personen. Gott ist nicht etwas anderes als die Allmacht selbst, die Weisheit selbst, die Güte selbst, von der alle Macht unter dem Himmel und über dem Himmel und alle Weisheit und alle Gütigkeit ist, die sich denken lässt.

Ich nahm Fleisch an, ohne aufzuhören, Gott zu sein. Ich habe mir aus allen Geschöpfen Maria zur Mutter erwählt und sie mehr als alle geliebt. Und obwohl sich ihre Liebe erst gegen Ende der Zeiten offenbarte und kundgab, so war sie doch schon vor Anbeginn der Welt von Gott erwählt. Und es war in der Gottheit von Ewigkeit beschlossen, dass, weil kein Geschöpf Maria an Liebe zu Gott gleichkommt, sie auch alle an Gnade und Segensfülle übertreffen solle.

Maria wird als Mutter der Barmherzigkeit gepriesen und sie ist es, denn sie schaut alles Elend und bewegt mich zur Barmherzigkeit. Begehre also, was du willst. Deine Liebe und dein Gebet kann nicht vergebens sein.

Ich habe mich aus Barmherzigkeit dem Menschen in einer ihm gleichförmigen Gestalt gezeigt, auf dass es ihm leichter würde, mich zu hören. Denn da ich als Gott nicht körperlich bin, auch nicht körperlich darstellbar, so wurde ich durch die Annahme der Menschheit für die Menschen leichter zu ertragen, zu hören und anzusehen. Würde ich meine Glorie einem sterblichen Menschen zeigen, wie sie ist, so würde sein vergänglicher Leib vor Schwäche vergehen. Auch die Augen der Apostel vermochten den Anblick meiner Glorie auf dem Berg Tabor nicht zu ertragen.

Ich starb und wurde begraben, aber meine Gottheit blieb unverletzt. Hätte ich aber bei meinem Tod die Macht meiner Gottheit offen gezeigt, wer hätte noch gewagt, mich vom Kreuz abzunehmen und ins Grab zu legen? Es wäre für mich etwas sehr Geringes gewesen, vom Kreuz herabzusteigen und meine Kreuziger niederzuschlagen, wie aber wäre dann die Weissagung erfüllt worden, oder wo wäre die Größe meiner Geduld gewesen? Und wäre ich in Wirklichkeit vom Kreuz herabgestiegen, hätten dann alle geglaubt? Hätten sie nicht gesprochen: Ich handle aus zauberischer Kraft? Wenn sie schon daran Anstoß genommen hatten, dass ich Tote erweckte und Kranke heilte, so hätten sie noch viel Ärgeres gesagt, wenn ich vom Kreuz herabgestiegen wäre.

Mein Leiden war mir bitterer als ein Stich dem Auge, doch wollte ich es aus Liebe erdulden. Die Schmerzen meiner Mutter taten mir viel mehr weh als meine eigenen. Doch entzog ich mich dem Leiden nicht und wich nicht zurück. So stand ich vor den Sündern, die mir nun den Rücken zuwenden, die mich vergessen und verachten.

Bedenke, dass mein von Dornen durchbohrtes Haupt sich für dich am Kreuz in den Tod geneigt hat, auf dass dein Haupt lerne, sich in Demut zu neigen. Meine Augen waren voll Blut und Zähren, damit deine Augen sich aller Augenlust enthalten. Auch meine Ohren waren voll Blut und hatten zahllose Worte der Beschimpfung und Lästerung zu hören, damit deine Ohren sich abwenden, wenn sündhafte Reden geführt werden.

Wie ich also in allen Gliedern meines Leibes für dich gelitten habe, so sei auch du bereit, mir mit allen deinen Gliedern zu dienen!

In meiner Langmut rede ich jetzt durch dich, meine Tochter, diese Worte und mache durch dich meine Liebe kund, auf dass die Verirrten sich wieder mir zuwenden und mich als ihren Herrn und Erlöser erkennen, den sie vergessen haben. Wer meine Stimme hören will, wird Rettung finden.
Was ist Gott anderes als
Leben und Lieblichkeit,
leuchtendes Licht,
unvergängliche Güte,
richtende Gerechtigkeit
und heilendes Erbarmen?

Der gute Geist rät dem Menschen, des zukünftigen Himmlischen zu gedenken und nicht das Zeitliche zu lieben. Der böse Geist rät dem Menschen, das Sichtbare zu lieben, er macht es, dass die Sünde leicht aussieht, sendet Schwächen und stellt das Beispiel schwacher Menschen als Vorbild auf. Deshalb ist es sicherer, Ehre und Reichtümer zur rechten Zeit zu verlassen als an ihnen bis zum Schluss festzuhalten, denn es kann geschehen, dass man die Erinnerung an die Sünden vergisst, wenn der Schmerz bis zum Äußersten zunimmt.

Jeder, der den Nächsten liebt, soll vor allem darüber trauern, dass nicht alle, die durch Jesu Christi Blut erlöst sind, Gott die Liebe zurückgeben.

Keiner in dieser Welt ist so im Teufel verwurzelt, dass der gute Geist nicht zuweilen sein Herz besucht und es berührt, und ebenso ist keiner so gut, dass nicht der Teufel wagte, ihm mit Versuchung nahe zu kommen. Viele Gute und Rechtschaffene werden ja mit Gottes Erlaubnis vom Teufel versucht, und dies nicht deshalb, weil sie etwas Böses getan haben, sondern damit ihre Ehre größer werden möge.

Wenn es deshalb Gott gefällt, mir Betrübnis zu senden, so wird dies mir zu größerem Verdienst gereichen.

Gott tut wie eine geschickte Wäscherin, die unreine Kleider in die Wellen legt, dass sie von der Wasserströmung reiner und weißer werden. Und gleichwohl gibt sie sorgfältig acht auf den Wellenschlag, so dass die Kleider nicht sinken. So legt Gott in der Welt seine Freunde in die Wogen der Betrübnis und Armut, worin sie für das ewige Leben gereinigt werden, und bewahrt sie behutsam, dass sie nicht vor zuviel Sorge und untragbaren Schmerzen sinken.