Die Heiligen

10.11. Leo der Große

Papst Leo der Große

Leo der Große
um 400-461
Papst
Kirchenlehrer

Papst Leo der Große

Leo wurde um das Jahr 400 in Tuszien, der heutigen Toskana, geboren. Um das Jahr 430 wurde er Diakon der Kirche von Rom und erlangte dort bald eine einflussreiche Position. Nach dem Tod von Papst Sixtus III. wurde Leo im Jahr 440 auf den Stuhl Petri berufen.

Sein Pontifikat, das mehr als einundzwanzig Jahre lang dauerte, war zweifellos eines der wichtigsten Pontifikate in der Geschichte der Kirche. (Benedikt XVI.)

Das Pontifikat Leos des Großen fällt in die unruhige Zeit der Völkerwanderung. In dieser Zeit kommt es Leo zu, sowohl den überlieferten Glauben zu bewahren, als auch die Stadt Rom und die Gläubigen zu beschützen.
"Defensor civitatis", Verteidiger Italiens und Roms, diesen Titel haben spätere Zeiten dem großen Papst verliehen. Nichts ist mehr geblieben von der einstigen Macht und dem Glanz Roms. Als der Hunnenkönig Attila 452 in Italien einmarschiert, scheint ihm das Land schutzlos ausgeliefert. Doch Leo tritt den wilden Horden der Hunnen unbewaffnet mit einigen Begleitern entgegen und erreicht, dass Land und Stadt von Plünderung und Zerstörung verschont bleiben. Prosper von Aquitanien, ein Zeitgenosse Leos, erwähnt dieses Ereignis in seiner Weltchronik:

Der selige Papst Leo nahm diesen Auftrag im Vertrauen auf Gottes Hilfe an, da er wusste, dass diese bei frommen Werken niemals fehlt. Es traf dann auch nicht anders ein, als der Glaube erwartet hatte. Denn die ganze Delegation wurde gebührend empfangen, ja der König freute sich so sehr, den Papst zu treffen, dass er nicht nur versprach, den Feldzug nicht zu unternehmen, sondern sogar, nachdem er seine Friedensbereitschaft versicherte, sich über die Donau zurückzuziehen.

Weniger Erfolg war Leo beschieden, als im Jahr 455 die Vandalen unter ihrem Anführer Geiserich bis vor die Tore Roms gelangt waren und in die schutzlose Stadt einfielen. Das mutige Auftreten des Papstes konnte nicht verhindern, dass die Stadt zwei Wochen lang geplündert wurde, aber er erreichte, dass Rom nicht in Brand gesetzt wurde und dass die Basiliken Sankt Peter, Sankt Paul und Sankt Johannes, in die sich ein Teil der verschreckten Bevölkerung geflüchtet hatte, von der Plünderung verschont blieben.

Doch Gefahr drohte nicht nur von außen. Auch innerhalb der Kirche gab es Irrlehrer, die gegen den wahren Glauben kämpften. Es ging um nichts Geringeres als um die Frage, wer Jesus Christus ist. Schon auf den Konzilien von Nikäa (325) und Konstantinopel (381) und dann auch in Ephesus (431) war das Verhältnis von Gottheit und Menschheit in der Person Jesu Christi und seine Stellung in der Dreifaltigkeit definiert worden. Doch das Ringen um das rechte Verständnis dieses Geheimnisses ging weiter und erreichte schließlich im Konzil von Chalzedon im Jahr 451 einen gewissen Abschluss.
Auf die genauen Abläufe und Inhalte dieser Konzilien einzugehen ist hier nicht möglich. Der Großteil der Streitigkeiten spielte sich im Ostteil des Römischen Reiches ab und der Streit wurde nicht immer mit fairen Mitteln geführt. Bereits im Jahr 449 wurde in Ephesus eine Bischofsversammlung abgehalten, die als Räubersynode in die Geschichte eingegangen ist. Dorthin hatte auch Papst Leo hochrangige Vertreter Roms entsandt, die ein Schreiben des Papstes, den sogenannten Tomus Leonis, verlesen sollten. Doch diese kamen nicht zu Wort, ja wurden sogar brutal aus dem Konzilssaal geworfen.
Der Protest gegen diese Bischofsversammlung war groß, ihre Beschlüsse wurden von der Kirche nicht übernommen und man einigte sich darauf, im Jahr 451 in Chalzedon bei Konstantinopel erneut ein Konzil einzuberufen. Hier nun kamen auch die Gesandten Roms zu Wort. Der Tomus Leonis, in dem das Verhältnis von Gottheit und Menschheit in Jesus Christus definiert wurde, kam zur Verlesung und wurde mit großer Zustimmung von den anderen Bischöfen angenommen. Darin heißt es unter anderem:

Wenn man glaubt, Gott sei allmächtig und Vater, so erklärt man den Sohn für gleichewig mit ihm, der sich in nichts vom Vater unterscheidet, weil er Gott von Gott, allmächtig von dem Allmächtigen, gleichewig von dem Ewigen ist, nicht später der Zeit nach, nicht niedriger der Macht nach, nicht ungleich der Herrlichkeit nach, nicht getrennt der Wesenheit nach; dieser aber des ewigen Vaters eingeborene ewige Sohn ist vom Heiligen Geist und von Maria der Jungfrau geboren. Diese zeitliche Geburt hat jener göttlichen und ewigen Geburt nichts genommen, nichts hinzugefügt, sondern war ganz auf die Erlösung des verführten Menschen gerichtet, um den Tod zu besiegen und den Teufel, der des Todes Gewalt hatte, durch ihre Kraft zu überwinden. Denn wir könnten den Urheber der Sünde und des Todes nicht überwinden, wenn nicht jener unsere Natur angenommen und zu der seinigen gemacht hätte, den weder eine Sünde beflecken noch der Tod festhalten konnte. ...
Indem also die Eigentümlichkeit beider Naturen und Substanzen unbeeinträchtigt blieb und in eine Person zusammenging, ist von der Majestät die Niedrigkeit, von der Kraft die Schwäche, von der Ewigkeit die Sterblichkeit aufgenommen worden; und um unsere Schuld zu bezahlen, vereinigte sich die unverletzbare Natur mit der leidensfähigen, damit, wie es unsere Rettung erforderte, der eine Mittler zwischen Gott und den Menschen, der Mensch Jesus Christus, auf der einen Seite sterben, auf der andern nicht sterben konnte. In der unversehrten und vollkommenen Natur eines wahren Menschen ist der wahre Gott geboren, vollkommen in dem Seinigen, vollkommen in dem Unsrigen.

Die Konzilsteilnehmer riefen damals:

Petrus hat durch Leo gesprochen!

Die Autorität Roms in Fragen des Glaubens wurde somit von den anwesenden Bischöfen bestätigt.

In der Kraft dieses christologischen Glaubens konnte er Frieden und Liebe vermitteln. So zeigt er uns den Weg: im Glauben lernen wir die Liebe. Lernen wir also mit Leo dem Großen an Christus, der wahrer Gott und wahrer Mensch ist, zu glauben und diesen Glauben jeden Tag zu leben, indem wir unserem Nächsten Frieden und Liebe schenken. (Benedikt XVI.)

Leo der Große war vor allem auch eines: Hirte und Seelsorger für die ihm anvertraute Herde. Eine Sammlung von etwa 100 Predigten ist uns von ihm überliefert. In einem prächtigen und klaren Latein abgefasst, zeigen sie uns den Papst in seiner ganzen Größe, wie er sich durch die unermüdliche Verkündigung des Wortes, die ihn gleichzeitig als Theologen und als Hirten zeigt, dem Dienst der Wahrheit in der Liebe zuwendet. In einem Rom, das unter Hungersnot, dem Zustrom von Flüchtlingen, unter Ungerechtigkeit und Armut zu leiden hatte, ermunterte er zu tätiger Nächstenliebe und zu einem wahrhaft christlichen Leben.

Bei seinem Tod am 10. November 461 wurde er beim Grab des heiligen Petrus beigesetzt. Seine Reliquien werden auch heute noch in einem der Altäre der Vatikanbasilika bewahrt.

Darum ist der Erlöser der Sohn eines Menschen geworden, damit wir Söhne Gottes werden können.

Die Teilnahme am Leibe und Blute Christi will nichts anderes, als dass wir uns in das verwandeln, was wir empfangen.

Der Geburtstag des Herrn ist der Geburtstag des Friedens.

Wäre Christus nicht wahrer Gott, so brächte er keine Erlösung; wäre er nicht wahrer Mensch, so böte er uns kein Beispiel.

Papst Leo der Große

Aus einer Weihnachtspredigt

Lasst uns frohlocken, denn heute ist uns der Heiland geboren! Es darf doch dort keine Trauer aufkommen, wo das Leben selbst zur Welt kommt, das die Furcht vor dem Tod nimmt und uns durch die Verheißung ewigen Lebens mit Freude erfüllt.
Niemand wird von der Teilnahme an dieser Jubelfeier ausgeschlossen, alle haben den gleichen Grund, in festlicher Stimmung zu sein, denn da unser Herr, der die Sünde und den Tod vernichtet, niemand findet, der ohne Schuld ist, so kommt er, um alle zu befreien. Es jauchze der Heilige, weil er sich der Siegespalme naht, es frohlocke der Sünder, weil ihm Verzeihung winkt und neuer Mut belebe den Heiden, weil ihn das Leben ruft!
Denn als die Zeit erfüllt war, welche die unerforschliche Tiefe des göttlichen Ratschlusses dazu bestimmt hat, nahm der Sohn Gottes die Natur des Menschengeschlechtes an, das wieder mit seinem Schöpfer versöhnt werden sollte, damit der Teufel, der den Tod in die Welt gebracht hat, gerade durch die menschliche Natur, die er bezwungen hatte, wieder bezwungen würde. ...
So ist also das Wort Gottes, Gott, Gottes Sohn, der im Anfang bei Gott war, durch den alles gemacht worden ist, und ohne den nichts gemacht wurde, Mensch geworden, um den Menschen vom ewigen Tod zu befreien. Dabei hat er sich ohne Minderung seiner Majestät in der Weise zur Annahme unserer Niedrigkeit herabgelassen, dass er die wahre Knechtsgestalt mit jener verband, worin er Gott dem Vater gleich ist. Er blieb, was er war, und nahm an, was er nicht war. In dieser Weise hat er sich herabgelassen, dass er beide Naturen so miteinander vereinte, dass weder die Erhebung der niedrigeren Natur diese aufgehen ließ, noch ihre Annahme der höheren Abbruch tat. Indem also die Eigenart beider Wesenheiten gewahrt bleibt und sich zu ein und derselben Person verbindet, bekleidet sich die Majestät mit Niedrigkeit, die Stärke mit Schwachheit, die Ewigkeit mit Sterblichkeit. ...
Wäre er nicht wahrer Gott, so brächte er keine Erlösung, wäre er nicht wahrer Mensch, so böte er uns kein Beispiel. Darum wird auch von den jauchzenden Engeln bei der Geburt des Herrn gesungen: "Ehre sei Gott in der Höhe!" Darum wird auch den Menschen auf Erden, die guten Willens sind, Friede verheißen. Sehen sie doch, wie sich das himmlische Jerusalem aus allen Völkern der Erde erbaut. Wie sehr muss sich da menschliche Niedrigkeit über dieses unbeschreibliche Werk der göttlichen Liebe freuen, wenn die hehren Engel darüber in solchen Jubel ausbrechen!
Lasst uns also Gott dem Vater durch seinen Sohn im Heiligen Geist danken! Hat er doch um seiner reichen Barmherzigkeit willen, mit der er uns liebte, sich unser erbarmt, und obgleich wir tot waren durch Sünden, uns lebendig gemacht mit Christus, auf dass wir in ihm ein neues Geschöpf, ein neues Gebilde würden. Lasst uns also ablegen den alten Menschen mit seinen Handlungen, und nachdem wir an der Menschwerdung Christi Anteil erhielten, den Werken des Fleisches entsagen!
Erkenne, o Christ, deine Würde! Kehre nicht, nachdem du der göttlichen Natur teilhaftig geworden, durch entartete Sitten zur alten Niedrigkeit zurück! Denke daran, welchen Hauptes, welchen Leibes Glied du bist! Vergegenwärtige dir, dass du der Macht der Finsternis entrissen und in Gottes lichtvolles Reich versetzt worden bist! Durch das Sakrament der Taufe wurdest du zu einem Tempel des Heiligen Geistes. Vertreibe nicht durch schlechte Handlungen einen so hohen Gast aus deinem Herzen! Unterwirf dich nicht aufs Neue der Knechtschaft des Satans! Ist doch das Blut Christi dein Kaufpreis. Wird dich doch der in Wahrheit richten, der dich in Barmherzigkeit erlöst hat, der mit dem Vater und dem Heiligen Geist waltet in Ewigkeit. Amen.

Über Petrus und Paulus

Nie hat der gütige, gerechte und allmächtige Gott dem Menschengeschlecht sein Erbarmen versagt. Immerfort hat er sich den Sterblichen insgesamt durch seine in so reicher Fülle gespendeten Wohltaten zu erkennen gegeben. So erbarmte er sich auch, ... indem er den Menschen das "Wort" schickte, das ihm gleich ist und seine Ewigkeit teilt. Dieses Fleisch gewordene Wort hat seine göttliche Natur so mit der menschlichen vereint, dass es durch sein Herabsteigen zur tiefsten Stufe uns auf die höchste erhob.
Damit sich nun die Wirkung dieser unbeschreiblichen Gnade über die ganze Welt ausbreiten konnte, ließ die göttliche Vorsehung das Römische Reich erstehen, dessen Grenzen sich so erweiterten, dass die Völker aller Länder auf allen Seiten Grenznachbarn der Römer wurden. ... So konnte die Kunde unserer Erlösung rasch und ungehindert ihren Weg nehmen. ...
Als die zwölf Apostel durch den Heiligen Geist die Gabe erlangt hatten, in allen Zungen zu reden, und nun, um der Welt das Evangelium zu bringen, die Länder der Erde unter sich verteilten, wurde der hochselige Petrus, das Haupt der Apostel, für die Hautstadt des Römischen Reiches ausersehen. Das Licht der Wahrheit, das zum Heil aller Völker enthüllt wurde, sollte gerade von der Hauptstadt aus über den ganzen Erdball verbreitet werden, um rascher zu wirken. ...
Furchtlos wanderst du, hochseliger Petrus, nach dieser Stadt. Und während der Gefährte deines Ruhmes, der Apostel Paulus, noch mit der Gründung anderer Kirchen beschäftigt ist, betrittst du diese Brutstätte wütender Bestien und wagst du dich auf dieses tiefe, stürmische Meer, von größerem Mute beseelt als damals, als du auf den Wogen des Sees dahingingst. Du fürchtest jetzt nicht einmal Rom, die Gebieterin der Welt, obgleich du im Hause des Kajaphas vor einer Magd des Hohenpriesters gezittert hattest.
Die Gewalt der Liebe war es, die keine Angst in dir aufkommen ließ. Du glaubtest, die nicht fürchten zu müssen, die du lieben wolltest. Dieser furchtlose, opferfreudige Sinn war dir in Wahrheit schon damals ins Herz gelegt worden, als der Herr durch sein dreimaliges bedeutungsvolles Fragen das Bekenntnis deiner Liebe stärkte. Nichts anderes wurde ja von deiner Fürsorge verlangt, als dass du mit der Speise, die dich gesättigt hatte, auch die Schäflein dessen nährtest, den du liebtest.
Viele wunderbare Zeichen, Gnadengeschenke und Proben deiner Kraft stärkten dein Vertrauen, ... auch die Kirche von Antiochia, wo zuerst der Name "Christ" zu Ehren kam, war schon gegründet. In Pontus, Galatien und Kappadokien, in Asien und Bithynien bekannte man sich durch dich zur Lehre des Evangeliums. Von dem Erfolg deines Wirkens überzeugt, und erfüllt von dem Vertrauen, dass deine Lebenstage ausreichen würden, trugst du das Siegesbanner des Kreuzes Christi in die Hochburg des Römertums hinein, wo nach Gottes Bestimmung Ehre und Macht und die Glorie des Leidens auf dich warteten.
Hierher kam auch der heilige Paulus, dein Mitapostel, das Gefäß der Auserwählung, der besondere Lehrer der Heiden. Er verband sich mit dir zu einer Zeit, als unter der Herrschaft des Nero alle Ehrbarkeit, alles Schamgefühl und alle Freiheit dahinsiechte. Eine durch unerhörte Laster aller Art aufgestachelte Grausamkeit stürzte diesen Kaiser in einen solchen Strudel des Wahnsinnes, dass er zuerst gegen alle, die sich Christen nannten, eine allgemeine, furchtbare Verfolgung begann. Er wähnte, die Gnade Gottes ausrotten zu können, wenn er die Heiligen morden ließ, während ihnen doch gerade dadurch der reichste Lohn zuteilwurde; denn die Verachtung dieses dem Tode gehörenden Lebens brachte ihnen ewiges Glück.
"Kostbar ist in den Augen des Herrn das Sterben seiner Heiligen." Keine Grausamkeit kann die Religion vernichten, die auf dem geheimnisvollen Leiden Christi aufgebaut ist. Durch Verfolgungen wird die Kirche nicht geschwächt, sondern gestärkt. Von Tag zu Tag schmückt sich der Acker des Herrn mit neuen Ähren; denn jedes Korn, das auf seinen Boden fällt, sprießt hundertfach empor. Wie groß also der Nachwuchs jener beiden herrlichen Sprösslinge des göttlichen Samens war, das bewiesen die vielen Tausende heiliger Märtyrer, die sich den Triumph der Apostel zum Vorbild nahmen. In purpurroten, weithin leuchtenden Gewändern umstehen sie in Scharen unsere Stadt, für die sie sozusagen eine einzige, aus der Zier vieler kostbarer Steine zusammengesetzte Krone bilden.