Die Heiligen

28.6. Irenäus v. Lyon

Irenäus von Lyon

Irenäus von Lyon
um 135-202
Bischof, Kirchenvater

Irenäus von Lyon

Irenäus wurde um das Jahr 135 in Smyrna in Kleinasien (dem heutigen Izmir in der Türkei) geboren und war Schüler des berühmten Polycarp von Smyrna, der wiederum Schüler des Apostels Johannes gewesen ist. Die Verbindung zur Generation der Apostel ist also bei ihm noch greifbar.
Wann genau Irenäus in das gallische Lyon gezogen ist, wissen wir nicht. Im Jahr 177 finden wir ihn dort im Kollegium der Priester verzeichnet. Im selben Jahr wurde er von der Gemeinde mit einem Schreiben an den Papst nach Rom gesandt. Während er als Gesandter in Rom weilte, starben in Lyon viele Christen, unter ihnen der Bischof der Stadt, den Märtyrertod. Nach seiner Rückkehr erhob die Gemeinde Irenäus zu ihrem Bischof.

Irenäus von Lyon ist einer der großen Lehrer der Kirche des 2. Jahrhunderts. In seinen Schriften lässt Irenäus die Wahrheit wie eine Sonne leuchten und wärmen. Er hat die Geduld der Reife, und beide Worte, Geduld und Reife, kehren an den entscheidenden Stellen immer wieder. (Erasmus)

Die Welt als gute Schöpfung Gottes

In seinen Schriften geht es Irenäus vor allem um die Widerlegung der damals mächtigen Gnosis und um die Darlegung des wahren Glaubens. Die Gnosis stellte eine der größten Gefahren für die Kirche dar. Aus ihrer Sicht ist die offizielle Lehre der Kirche zwar gut für das einfache Volk, wahre Erkenntnis sei aber allein durch eine von den Gnostikern verkündete Geheimlehre, die nur einem kleinen Kreis von Erleuchteten zugänglich ist, möglich.
Diese Erleuchteten streben danach, die materielle Welt, die sie als Werk eines bösen Demiurgen sehen, hinter sich zu lassen, und in die rein geistige Welt des guten Gottes zu gelangen. Die Gnosis konstruiert so einen Dualismus zwischen einer vollkommenen geistigen Welt, die allein mit dem guten Gott in Beziehung steht, und einer unvollkommenen materiellen Welt, die im Gegensatz steht zu Gott und nicht Gottes Werk, sondern das eines minderwertigen Schöpfers ist.

Irenäus von Lyon
Gegen den die Wirklichkeit auseinander reißenden und so ihren Glanz verdunkelnden Dualismus der Gnosis stellt Irenäus entschieden das alles bestimmende Prinzip der Einheit; und wie bei den Gnostikern das dualistische Gottesbild den Kern ihrer Weltsicht bildet, so steht bei Irenäus umgekehrt die Einheit Gottes als des Schöpfers, Erlösers und Vollenders im Zentrum: Ein und derselbe Gott schafft die sichtbare und unsichtbare, die materielle und geistige Welt, die darum im Ganzen gut und bejahenswert ist; er ist es auch, der die Geschichte aus dem vom Menschen verschuldeten Unheil erlöst und sie schließlich zu dem ihr am Ende zugedachten Heil führt. (Medard Kehl)

Für Irenäus ist die Schöpfung in ihrer Gesamtheit gut und das Werk des einen guten Gottes.

Gott, der Weltschöpfer, hat Himmel und Erde und alles darin gemacht. Weder über noch nach ihm ist etwas und er hat auf eigenen Entschluss und völlig frei alles gemacht. Er allein ist ja Gott, er allein Herr, er allein Schöpfer, er allein Vater, er allein, der alles umfasst und allem das Dasein gewährt.

Gott hat die Schöpfung gemacht, um den Menschen seine Liebe zu zeigen. Sie ist Ort der Begegnung mit Gott. Der Mensch ist dazu gerufen, in der Welt in Gemeinschaft mit Gott zu leben, nicht weil Gott davon einen Nutzen hätte, sondern weil der Mensch nur so sein Glück und Heil finden kann.

Die Freundschaft mit Gott ist es, die uns Unsterblichkeit schenkt, wenn wir uns um sie bemühen. Am Anfang hat Gott den Adam erschaffen, nicht etwa, weil er den Menschen brauchte. Er tat es, um jemanden zu haben, den er mit seinen Wohltaten überhäufen konnte. ... So verlangt auch Jesus unsere Nachfolge nicht deshalb, weil er unseren Dienst etwa brauchte, sondern um uns das Heil zu schenken. Denn dem Herrn folgen, heißt am Heil teilhaben, und dem Licht folgen, heißt Licht empfangen. Die im Licht sind, machen nicht das Licht leuchten, sondern werden selbst vom Licht erleuchtet und erhellt. Sie geben dem Licht nichts, sondern sind nur Empfänger, wenn das Licht ihnen die Wohltat der Erleuchtung spendet.
So bietet auch der Gottesdienst Gott nichts. Gott braucht den Dienst der Menschen nicht, sondern schenkt allen, die ihm folgen und dienen, das Leben, die Unvergänglichkeit und die ewige Herrlichkeit. Allen, die ihm dienen, erweist er Wohltaten dafür, dass sie ihm dienen, und denen, die ihm folgen, tut er wohl dafür, dass sie ihm nachfolgen. Er ist reich und vollkommen und kennt keinen Mangel. Gott verlangt von den Menschen Dienst, weil er gütig und barmherzig ist und denen gut sein will, die in seinem Dienst ausharren.

Die Menschwerdung Gottes als Weg zur wahren Erkenntnis

Die Freundschaft mit Gott, zu der jeder Mensch berufen ist, wird gestört durch die Sünde. Nach dem Sündenfall im Paradies ist die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch gestört. Gott aber sucht immer wieder Wege, sich zu offenbaren, um den Menschen zu sich zu rufen, und ihm seine Liebe zu erweisen. Der vortrefflichste Weg der Offenbarung aber ist die Menschwerdung Gottes.

Es gab für uns keinen anderen Weg, zu erlernen, was Gottes ist, als dass unser Lehrer, da er Wort war, zum Menschen wurde. Denn es konnte uns ja kein anderer darstellen, was des Vaters ist, als sein eigenes Wort.

Die höchste Form der Offenbarung erfolgte durch Gottes Wort, den Sohn, der dem Vater gleich ist in seiner Gottheit, der aber um der Menschen willen die Menschheit angenommen hat, damit die Menschen so Gottes Wort verstehen können. So zeigt Gott den Menschen seine unendliche Liebe und offenbart, dass er in seinem tiefsten Wesen Liebe ist.

Irenäus von Lyon
Zwar ist Gott in seiner Majestät unbekannt für alle, die von ihm geschaffen wurden, aber in seiner Liebe wird er immerdar durch den erkannt, durch den er alles erschuf. Dieser ist sein Wort, unser Herr Jesus Christus, der am Ende der Zeiten Mensch unter Menschen wurde, um das Ende mit dem Anfang zu verknüpfen, das heißt den Menschen mit Gott.

Wahre Erkenntnis geschieht nicht, wie es die Gnosis lehrt, dadurch, dass der Mensch die materielle Welt verlässt und in die geistige Welt Gottes eindringt, sondern vielmehr dadurch, dass Gott sich in die materielle Welt begibt, selbst Mensch wird, und sich so dem Menschen auf menschliche Weise offenbart. So sollte es dem Menschen möglich sein, Gott zu erkennen und zu ihm zu gelangen.

Die Menschwerdung des Sohnes macht uns zu Kindern Gottes

Dadurch, dass der Sohn Gottes wahrhaft als Mensch gelebt hat und in seinem Tod die Macht des Todes vernichtet hat, konnte er den Menschen das Heil und das Leben bringen. Somit ist Christus auch der neue Adam, der das ursprüngliche Bild des Menschen als Bild Gottes wiederherstellt.

Der Mensch wurde von der Sünde in die Sklaverei verschleppt und vom Tod darin festgehalten. Doch durch einen Menschen sollte die Sünde getötet werden und so der Mensch aus dem Tod hervorgehen. Auf diese Weise vollbrachte er das Anhängen und Einswerden des Menschen mit Gott.
Hätte nicht ein Mensch den Feind des Menschen besiegt, so wäre der Feind nicht wirklich besiegt worden. Hätte aber zugleich nicht Gott das Heil geschenkt, so besäßen wir es nicht unverrückbar. Und wäre der Mensch nicht mit Gott vereint worden, so hätte er der Unvergänglichkeit nicht teilhaft werden können.
So bedurfte es des Mittlers Gottes und der Menschen, der durch seine Gleichheit mit beiden sie zu Freundschaft und gleicher Gesinnung zurückführe und der die Menschen Gott vorstellte, Gott aber für den Menschen erkennbar machte.

Die Kirche als Garant der Offenbarung Gottes

Gegen die Gnostiker, die sich auf eine Geheimlehre berufen, die angeblich auf die Apostel zurückgeht, macht Irenäus deutlich, dass die Kirche in ihrer Lehre die ganze Verkündigung umfasst, welche die Apostel überliefert haben. Dabei zeigt er, wie nach dem Glauben der frühen Kirche die Evangelien entstanden sind. Sie enthalten die gesamte Wahrheit über Christus und lassen keinen Platz für irgendwelche Geheimoffenbarungen.

Irenäus von Lyon
Nachdem aber unser Herr von den Toten auferstanden war und sie die Kraft des Heiligen Geistes empfangen hatten, der über sie kam, zogen sie (die Evangelisten) aus bis an die Enden der Erde, um allen die frohe Botschaft zu bringen und den Menschen den himmlischen Frieden zu verkünden. Dadurch empfingen sie die Fülle von allem und die vollkommene Erkenntnis, und so besitzt auch jeder einzelne von ihnen das Evangelium Gottes. Matthäus verfasste sein Evangelium bei den Hebräern in hebräischer Sprache, als Petrus und Paulus zu Rom das Evangelium verkündeten und die Kirche gründeten. Nach deren Tod zeichnete Markus, der Schüler und Dolmetscher Petri, dessen Predigt für uns auf. Ähnlich hat Lukas, der Begleiter des Paulus, das von diesem verkündete Evangelium in einem Buch niedergelegt. Zuletzt verfasste Johannes, der Schüler des Herrn, der an seiner Brust ruhte, während seines Aufenthaltes zu Ephesus in Asien sein Evangelium.

Garant für die Verlässlichkeit der Lehre und die Verbindung zu den Aposteln sind die Bischöfe, die durch apostolische Sukzession die rechtmäßigen Nachfolger der Apostel sind. Die Bischöfe stehen dazu noch in Einheit mit dem Bischof und der Kirche von Rom, die auf Grund ihres Alters und weil sie ihren Ursprung auf Petrus und Paulus, die Säulen des Apostelkollegiums, zurückführt, die höchste Apostolizität besitzt.

Die Tradition der Apostel, die in aller Welt kundgetan wurde, kann in der ganzen Kirche wahrgenommen werden von jedem, der die Wahrheit einsehen will. Wir können die Bischöfe aufzählen, die von den Aposteln in den Kirchen eingesetzt wurden, und ihre Nachfolger bis herab auf uns. ...
Aber da es zu weit führen würde, die Nachfolgelisten aller Kirchen aufzuführen, greifen wir nur die eine heraus, die der größten und ältesten und jedermann bekannten, von den beiden glorreichsten Aposteln Petrus und Paulus zu Rom gegründeten und eingerichteten Kirche. Denn mit dieser Kirche müssen, auf Grund ihres hervorragenden Ursprungs, alle Kirchen übereinstimmen, das heißt die Gläubigen überall auf der Welt. Darin liegt ein vollständiger Beweis, dass der lebenspendende Glaube ein einziger, sich immer gleichbleibender ist, der in der Kirche seit den Aposteln bis heute sich in der Wahrheit erhalten und überliefert hat.

Die Lehre der Kirche geht über die Apostel auf Jesus Christus und damit auf Gott selbst zurück. Somit ist die Lehre der Kirche verlässlich und allumfassend. Der Mensch kann sich darauf verlassen, dass die Kirche alles lehrt, was zum Heil notwendig ist, das Gott allen Menschen schenken will.

Die Herrlichkeit Gottes verleiht Leben. Die Gott schauen, erhalten Anteil am Leben. Deswegen macht sich der unfassbare, unbegreifliche Gott sichtbar, begreifbar und fassbar für die Menschen, um ihnen Leben zu schenken, wenn sie ihn durch den Glauben aufnehmen und sehen.