Joel
4. Jhd.v.Chr.?
Prophet
Das Wort des Herrn, das an Joel, den Sohn Petuels, erging. (Joel 1,1)
Mit diesen Worten beginnt das Buch des Propheten Joel. Sein Name bedeutet: "Der Herr ist Gott" oder "Der Herr ist sein Gott".
Mehr wissen wir nicht zur historischen Gestalt dieses Propheten, der im Kanon der Heiligen Schrift zu den Kleinen Propheten gezählt wird. Wir finden auch nicht die sonst bei Propheten oft übliche Einordnung der Zeit des Auftretens durch Angabe der zu dieser Zeit amtierenden Könige. Die Datierung der Zeit seines Auftretens wird von einigen Exegeten sehr früh angesetzt, etwa um das Jahr 840, andere gehen von einem späteren Auftreten im frühen 4. Jahrhundert vor Christus aus.
Joel ruft anlässlich einer Dürre- und Heuschreckenplage zu einer Bußfeier auf. Daraufhin wird der Herr das Geschick des Volkes wenden. Joel verheißt den Tag des Herrn als Tag des Weltgerichts. Das Gericht wird Heil über diejenigen bringen, die zu Gott umkehren, ihre Feinde werden für immer besiegt. Joel spricht vom Gericht über die Völker und kehrt hier das Friedenswort aus Micha 4,3 um, wenn er sagt
Schmiedet eure Pflugscharen zu Schwertern und eure Rebmesser zu Spießen! (Joel 4,10)
Der Tag des Herrn bildet das Zentrum der Verheißung Joels. Nach dem Gericht wird Gott seinen Geist aussenden:
Danach aber wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgieße über alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein, eure Alten werden Träume haben und eure jungen Männer haben Visionen. Auch über Knechte und Mägde werde ich meinen Geist ausgießen in jenen Tagen. (Joel 3,1f)
Mit diesen Worten wird Petrus seine Pfingstpredigt in Apg 2,14-36 beginnen.
Seine Aufforderung zur Buße macht Joel zu einem beliebten Propheten für die Österliche Bußzeit. Am Aschermittwoch hören wir folgende Worte von ihm:
So spricht der Herr:
Kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, Weinen und Klagen. Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider, und kehrt um zum Herrn, eurem Gott! Denn er ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Güte, und es reut ihn, dass er das Unheil verhängt hat. Vielleicht kehrt er um, und es reut ihn, und er lässt Segen zurück, so dass ihr Speise- und Trankopfer darbringen könnt für den Herrn, euren Gott.
Auf dem Zion stoßt in das Horn, ordnet ein heiliges Fasten an, ruft einen Gottesdienst aus! Versammelt das Volk, heiligt die Gemeinde! Versammelt die Alten, holt die Kinder zusammen, auch die Säuglinge! Der Bräutigam verlasse seine Kammer und die Braut ihr Gemach.
Zwischen Vorhalle und Altar sollen die Priester klagen, die Diener des Herrn sollen sprechen: Hab Mitleid, Herr, mit deinem Volk, und überlass dein Erbe nicht der Schande, damit die Völker nicht über uns spotten. Warum soll man bei den Völkern sagen: Wo ist denn ihr Gott?
Da erwachte im Herrn die Leidenschaft für sein Land, und er hatte Erbarmen mit seinem Volk. (Joel 2, 12-18)
Was bedeutet das?
Das Zerreißen der Kleider ist im jüdischen Kulturraum Zeichen für Trauer und Schmerz, es drückt die Trauer um des Verlust eines lieben Menschen aus, aber auch das Entsetzen über eine unheilvolle Situation.
Wir wissen, dass orientalische Menschen oft impulsiv sind und ihren Empfindungen durch laute Gesten Ausdruck verleihen, damals wie heute. Wir kennen aus den Nachrichten Szenen, wie eine Menschenmenge nach einem Unheilsereignis laut klagend um die Verwundeten und Toten herum steht. Bei uns sieht man bei ähnlichen Ereignissen die Menschen eher in betroffenem Schweigen erstarrt.
Es ist gut, wenn Menschen ihren Emotionen Ausdruck verleihen können. Es hilft, schmerzliche Situationen zu verarbeiten. Das Leid dringt nach außen und das kann dabei helfen, dass es den Menschen nicht von innen her auffrisst. Dennoch kann es vorkommen, dass ein nach außen sichtbarer starker emotionaler Ausdruck nichts anderes ist als eine Maske, ein eingeübtes Verhalten, das sich dem Handeln der Menge anschließt und nicht aus dem Herzen kommt. Man macht es einfach so, weil es so üblich ist. Auch die Gesten des Fastens, das Bestreuen mit Asche und das Anlegen von Bußgewändern, können rein äußerliche Zeichen bleiben, wenn das, was mit diesen Gesten ausgedrückt wird, nicht wirklich das Herz erreicht.
Dies hat der Prophet Joel vor Augen. Er will, dass die Menschen wirklich von ganzem Herzen zu Gott umkehren, und nicht nur ein Schauspiel aufführen und dann doch so weiter leben wie bisher.
Sicher hat das Volk allen Grund dazu, sich zu bekehren. Gott hat dem Volk Israel seine Gebote gegeben, aber sie zu halten fällt den Menschen schwer. Auch die Götter der Völker ringsum üben eine Anziehungskraft auf die Menschen aus und nicht selten wenden sich große Teile des Volkes vom Gott Israels ab und diesen Göttern zu. Die Folge ist, dass das Volk Israel dadurch in die Abhängigkeit der anderen Völker zu geraten und seine Eigenständigkeit zu verlieren droht. Kriege erschüttern das Land. Doch auch Ungerechtigkeit im Inneren, die Habgier der Reichen, die Unterdrückung der Armen, kann den Zorn Gottes hervorrufen.
Wenn das Volk durch ein solches Verhalten in eine missliche Lage gerät, treten oft Propheten auf, die zur Umkehr rufen. Sie führen dem Volk sein falsches Verhalten vor Augen und zeigen den Weg zu einer Versöhnung mit dem Gott, den sie verlassen haben. Wenn im Alten Testament von Fasten die Rede ist, dann dient ein solches oft dazu, Gott um Verzeihung für getanes Unrecht zu bitten und seine Hilfe in einer unheilvollen Situation zu erflehen. Durch Fasten machen die Menschen deutlich, dass sie sich ihres Fehlverhaltens bewusst sind und bereit sind, sich zu ändern. Es wird erwartet, dass Gott so von seinem gerechten Zorn ablässt und sich dem Volk wieder zuwendet.
Wahre Umkehr aber darf nicht bei den äußeren Zeichen stehen bleiben, sie muss vom Herzen kommen. Ein finsteres Gesicht und trübseliges Aussehen, Asche am Haupt und zerrissene Kleider allein sind noch kein Fasten. Die äußeren Zeichen taugen nur dann etwas, wenn sie wirklich Ausdruck geben von einer inneren Gesinnung.
Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider. Heute neigen wir eher dazu, alle äußerlichen Ausdrucksformen zu meiden, weil sie uns als Heuchelei ausgelegt werden könnten. Jeder wird schon in seinem Herzen das Rechte tun, denken wir. Aber ist das nicht genau das andere Extrem von dem, was Jesus und die Propheten anprangern? Ist es nicht oft so, dass dann, wenn die äußeren Formen wegfallen, am Ende gar nichts mehr bleibt?
Der richtige Weg ist wie immer ein gesundes Mittelmaß. Wir brauchen äußere Formen des Fastens. Sicher ist es bei uns nicht üblich, mit zerrissenen Kleidern und Asche auf dem Haupt durch die Straßen zu gehen. Wir müssen andere Formen des Fastens finden, Formen, die sich auch mit den Anforderungen unserer Gesellschaft und Arbeitswelt vereinbaren lassen. Es gilt einen Mittelweg zu finden, zwischen einem "zu wenig" und einem "zu viel". Wo kann ich verzichten, dass es ein wahrer Verzicht ist, der auch spürbar ist, aber mich doch auch nicht daran hindert, meinen alltäglichen Pflichten gerecht zu werden?
Sicher kann man erst einmal daran denken, seinen Konsum von Alkohol und Süssigkeiten einzuschränken. Doch man braucht nicht nur auf das Essen zu sehen. Es gibt heute so viele Dinge, die wir oft unnötig konsumieren. Die verschiedensten Medien liefern uns ständige Unterhaltungsmöglichkeiten. Kann ich vielleicht auf einen geliebten Fernsehfilm verzichten und statt dessen das Gespräch mit einem Menschen suchen - oder mir einmal Zeit nehmen, eine Bibelstelle zu betrachten?
Wenn wir so aufmerksam auf die Dinge unseres Alltags sehen, werden wir vielleicht so manche Abhängigkeiten entdecken, in die wir ganz unbemerkt geraten sind. Vieles hat im Laufe der Zeit vielleicht ganz unbewusst unsere Freiheit eingeschränkt. Das Fasten will uns zu mehr Freiheit führen. Viele wollen uns heute glauben machen, dass Gott unsere Freiheit einschränken möchte. Doch wenn wir Gott und seine Gebote in rechter Weise betrachten, so wollen sie uns gerade zu einem Leben in Freiheit führen. Das, was Gott von uns will, ist nichts anderes als das, wonach wir selbst im Tiefsten verlangen.
Fasten kann uns helfen, den Blick wieder frei zu bekommen für das Wesentliche, sie kann uns helfen, den Weg zu unserem Herzen freizuräumen, damit Gott zu uns kommen kann. Manchmal ist unser Herz vielleicht verschlossen wie mit einem Korken. Den gilt es zu ziehen, dass der Lebenssaft fließen kann, der unser Leben frei und glücklich macht. Oft sind es auch Bosheiten und Groll, die unser Herz verschlossen halten. Wenn wir solche Steine in unserem Herzen nicht aufbrechen lassen - denn letztlich ist es oft nicht in unserer Macht, diese Steine zu zerstören, sondern sie können nur brechen, wenn wir sie offen und ehrlich Gott hinhalten und ihn um Verzeihung und Heilung bitten - dann schaden wir uns selbst.
Öffnen wir unsere Herzen für den, der sie mit dem Strom seiner Liebe füllen möchte.