Texte über Maria

Tota pulchra es Maria

Maria

Maria - die schöne und reine Jungfrau

Maria

Tota pulchra es Maria et macula originalis non est in te.

Maria die Schöne

Tota pulchra es, Maria
et macula originalis non est in te.
Vestimentum tuum candidum quasi nix,
et facies tua sicut sol.
Tota pulchra es, Maria,
et macula originalis non est in te.
Tu gloria Hierusalem, tu laetitia Israel,
tu honorificentia populi nostri.
Tota pulchra es, Maria.
Ganz schön bist du, Maria,
und der Makel der Erbünde haftet dir nicht an.
Dein Gewand ist leuchtend weiß wie Schnee,
und dein Gesicht wie die Sonne.
Ganz schön bist du, Maria,
und der Makel der Erbünde haftet dir nicht an.
Du bist der Ruhm Jerusalems, du die Freude Israels,
du die Ehre unseres Volkes.
Ganz schön bist du, Maria.

Das "Tota pulchra" ist ein altes christliches Gebet, das bereits im vierten Jahrhundert belegt ist. Es zeigt, wie schon sehr früh die Verse aus dem Hohenlied auf Maria bezogen wurden. Dort heißt es (Hld 4,7): "Alles an dir ist schön, meine Freundin, kein Makel haftet dir an. - Tota pulchra es, amica mea, et macula non est in te."
Diese Schönheit Mariens wollen wir betrachten. Es gibt viele Bilder von Maria. Die Gottesmutter hat durch alle Jahrhunderte hindurch Künstler in ganz besonderer Weise inspiriert. Der Legende nach soll der Evangelist Lukas der erste gewesen sein, der ein Bild der Gottesmutter gemalt hat. Ich habe mich in diesen Tagen in dieses Bild von Maria verliebt, als ich es zu ersten Mal in dem Buch "Maria voll der Gnade" von Papst Benedikt XVI. sah. Es wurde um das Jahr 1475 von Antonello da Messina gemalt. Es zeigt Maria als wunderschöne junge Frau, ganz wie es in der Antiphon heißt: Lauter Schönheit bist du, Maria!
Mir kamen auch die Worte Abaelards, des großen, aber auch sehr umstrittenen Theologen des 12. Jahrhunderts in den Sinn, die er über seine geliebte Heloise schreibt: "Quae cum per faciem non esset infima, per abundantiam litterarum erat suprema. - Sie war von ihrem Aussehen her nicht zu verachten, in ihrer ungeheueren Bildung aber übertraf sie alle anderen Frauen." Für mich ist dies das schönste Kompliment, das man einer Frau machen kann. Die wahre Schönheit kommt von innen heraus, aus der Bildung, aus dem Glauben. Auch die Schönheit Mariens geht tiefer, viel tiefer noch, als es Abaelard seiner Heloise zum Kompliment macht.

Maria
Pulchra es et decora, filia Jerusalem: terribilis ut castrorum acies ordinata.

Schön bist du und anmutig, Tochter Jerusalems, furchterregend wie die geordnete Schlachtreihe eines Heeres.

So betet die Kirche in einer alten Antiphon zum Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel. Als ich versuchte, diese Antiphon aus dem Lateinischen ins Deutsche zu übersetzen, kam ich ins Stocken. So ungewohnt klang der Text. Er stammt aus der lateinischen Fassung des Hohenliedes (Hld 6,4), dessen Text oft in den marianischen Kontext übernommen worden ist.
Das Hohelied, auch "Lied der Lieder" genannt, wird König Salomo zugeschrieben und besingt die Liebe zwischen Mann und Frau. Geliebter und Geliebte suchen einander und können sich nicht finden, in ihren Liedern beschreiben sie die Schönheit des anderen und bringen ihre Sehnsucht zum Ausdruck.
Die Schönheit der Geliebten hat christliche Frömmigkeit auf Maria übertragen. Mit dem Geliebten singt die Kirche das Lob Mariens. Maria ist wunderschön. Der Ausdruck Tochter Jerusalems wird gerne im Hohenlied als Bezeichnung der Geliebten verwendet.
Doch dann dies: wo wir aus der Einheitsübersetzung die Formulierung "prächtig wie Himmelbilder" gewohnt sind, steht im lateinischen Text etwas ganz anderes. Es ist nicht nachzuvollziehen, woher die Einheitsübersetzung diese zwar liebliche, jedoch mit dem Text der Schrift nicht vereinbare Übersetzung mit Himmelsbildern nimmt. Alle Übersetzungen nahe am Urtext von Martin Luther über Martin Buber bis hin zu modernen Kommentatoren stellen den Text in den militärischen Kontext. Bestärkt wird dies auch durch die Erwähnung der Stadt Tirza im ersten Teil des Verses. Tirza war eine alte, befestigte Königsstadt im Nordreich Israels.
Die Geliebte aus dem Hohenlied und ebenso Maria werden verglichen mit der geordneten Schlachtreihe eines Heeres. Ich stelle mit hierbei ein antikes Heer vor, dessen Anführer prächtige Rüstungen tragen und dem Fahnenträger mit wallenden Standarten vorangehen. Die Soldaten stehen in Reih und Glied. Es handelt sich nicht um eine wüste Kriegshorde, die sich schreiend auf den Gegner stürzt, sondern um ein Heer, das nach zuvor präzise exerzierten Regeln in die Schlacht zieht.
Sicher ein Bild, das herausfordert. Wir leben in einer Zeit des Pazifismus, das Bild des Krieges soll spätestens seit dem brutalen Vietnamkrieg aus den Köpfen der Menschen in der zivilisierten westlichen Welt verschwinden. Aber dennoch sind die Kriege auf der Erde nicht verschwunden. Überall toben Kämpfe, von den Medien beachtet wie beispielsweise in Syrien und Afghanistan, oder weitgehend unbeachtet in den ärmsten Ländern der Dritten Welt. Zudem hat sich der Kriegsschauplatz der Welt durch den militanten Terrorismus bereits bis in das Herz unserer Gesellschaft verlagert.
Als Christen müssen wir kampfbereit sein, um die Freiheit unserer Gesellschaft und mit ihr die Freiheit unseres Glaubens zu verteidigen. Doch unsere Waffen sind nicht Gewehre und Panzer, sind nicht Autobomben und Sprenggürtel. Unsere stärkste Waffe ist der Glaube an den einen Gott, den Herrn des Himmels und der Erde und an seinen Sohn Jesus Christus, der den Tod besiegt hat. Unser Übungsplatz sind nicht die Kasernen, sondern der Alltag unseres Lebens. Hier gilt es, die Reinheit des Herzens zu bewahren und den Verlockungen des Bösen zu widerstehen.
Uns voran zieht die Standarte des Kreuzes, wie wir im Hymnus "Vexilla Regis" am Fest Kreuzerhöhung singen und Maria kämpft mit uns in den Schlachtreihen des Heeres. Sie ist unsere Fürsprecherin bei ihrem Sohn, dass wir im Kampf nicht erliegen, sondern siegreich daraus hervorgehen. Wir tun gut daran, uns dieses Bild zu eigen zu machen in den Kämpfen, die wir im Leben zu bestehen haben. Maria kämpft mit uns, sie kämpft für uns, sie ist die Frau der Apokalypse, die den Drachen bezwungen hat, der gegen die Kinder Gottes Krieg führt. Vertrauen wir uns ihrer Fürsprache an:

Wer ist es, die da aufsteigt wie die Morgenröte, schön wie der Mond, leuchtend wie die Sonne, furchtbar wie ein Heer in Schlachtbereitschaft?
O Maria, ohne Sünde empfangen, bitte für uns, die wir zu dir unsre Zuflucht nehmen.
Herr Jesus Christus, unser Mittler beim Vater, dir hat es gefallen, die allerseligste Jungfrau Maria, deine Mutter, auch uns zur Mutter zu geben, damit sie unsere Mittlerin bei dir sei. Gewähre denen, die von dir Gnaden erbitten, die Freude, alles durch Maria zu erlangen. Amen.

Maria ist die Makellose, der Makel der Erbsünde haftet ihr nicht an, so heißt es auch in dem alten Mariengebet. Die Schönheit Mariens kommt letztlich allein von Gott, weil er sie von Anfang an von der Erbsünde, mit der alle Menschen geboren werden, befreit hat. An ihr wirkte die Gnade der Taufe, die ja von der Erbsünde und jeder anderen Sünde befreit, schon vor Christus. Das macht Maria zur schönsten Frau der Welt, ja zum Bild des Menschen überhaupt, zum Bild des Menschen, wie Gott ihn am Anfang geschaffen hat, wunderschön und frei von aller Sünde.
Dann fragte ich mich aber, ob es recht ist, gerade dieses Bild von Maria so hoch zu schätzen. Maria will uns doch zu ihrem Sohn hinführen, hier aber ist nur sie allein zu sehen. Und doch ist Jesus schon da. Das Bild zeigt Maria im Augenblick der Verkündigung. Man muß sich den Engel vor Maria vorstellen, als er ihr die Botschaft bringt: "Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir!" Daher auch die leicht erschrockene Handhaltung Mariens. Aber ihr Blick ist gefaßt und sicher. Aus voller Überzeugung wird sie das Ja sprechen zum Willen Gottes, den der Engel ihr kundtut: "Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden." Maria ist auch deshalb das Bild des Menschen, weil sie so gelebt hat, wie Gott es vom Menschen will, bereit, den Willen Gottes zu tun: "Siehe ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort."
So wird dieses Bild zu einem Bild vom Brennpunkt der Zeiten. Gott wird Mensch durch diese Frau, die schönste aller Frauen, die ihr Leben ganz Gott schenkt und so dem Sohn Gottes das Leben auf dieser Erde schenken kann. Die Menschwerdung Gottes geschieht ja nicht erst an Weihnachten, sondern schon zum Zeitpunkt der Verkündigung, denn wie jeder Mensch vom Zeitpunkt der Zeugung an wirklich Mensch ist, so ist auch Jesus Christus vom Zeitpunkt der Verkündigung an, als Gott auf wunderbare Weise an Maria gewirkt hat, wirklich Mensch. Die Hoffnung Israels hat sich erfüllt. Maria, die Frau aus Israel, die Repräsentantin des ganzen Volkes der Juden, erlaubt durch ihr Ja, Gott seinen Heilsplan an Israel und an allen Völkern dieser Welt zu verwirklichen. Der Ewige kommt in die Zeit, Gott wird Mensch. Der Messias Israels wird zum Heiland der Völker.
So zeigt uns Maria, was wahres Menschsein bedeutet. Frei von der Sünde sich ganz öffnen für den Willen Gottes. Gott wirken lassen, der mit uns einen Plan hat, der das Beste aus unserem Leben machen möchte, auch wenn wir es oft nicht verstehen. Maria zeigt uns den Weg, wie wir ihm ähnlich werden und das Leben in Fülle erlangen. Maria nimmt uns auf in die Heilige Familie, in der wir in der vertrauten Freundschaft mit Jesus leben können.

Bitten wir die Mutter, dass sie uns helfe, ihren Sohn zu finden. Bitten wir sie, dass sie uns Jesus zeige. Bitten wir sie um ihre Fürsprache, dass der Heilige Geist uns die Liebe eingieße zu Jesus Christus, zu Maria und zu allen Menschen.

Maria

Maria die Reine

In einem Gebet aus dem Mittelalter, am Sockel der Marienstatue oben, heißt es:

Haec est illa dulcis rosa
pulchra nimis et formosa
quae est nostra advocata
apud deum virgo grata
eam devote salutate
illa rogo inclinate

Ja sie ist's, die edle Rose
die überaus Schöne, die Makellose,
die reinste Jungfrau.
Maria, auf deine Fürsprache
bei Gott ich vertrau,
ich grüße dich von Herzen,
und bringe dir meine
Bitten und Schmerzen.

Der Sündenfall

Die Geschichte Gottes mit Maria fängt schon an, bevor der Engel bei ihr eintrat, um ihr die Geburt Jesu zu verkünden. Wir können sie nur verstehen, wenn wir zunächst die Geschichte Gottes mit den Menschen überhaupt betrachten. Warum wurde Gott Mensch? Warum wollte Gott Mensch werden? Warum mußte Gott Mensch werden?
Musste Gott Mensch werden? Ist das nicht eine unerhörte Formulierung? Gott ist allmächtig und völlig frei. Er muss doch rein gar nichts. Doch ich bleibe dabei: Gott musste Mensch werden. Weil Gott allmächtig ist, geschieht mit Notwendigkeit das, was er will und all sein Tun ist Liebe. Weil der Allmächtige zugleich der unbegrenzt Liebende ist, musste er Mensch werden, weil dies die höchste Form darstellt, wie Gott den Menschen seine Liebe zeigen konnte.
Aus geistlicher Sicht können wir nur vom Menschen reden, wenn wir bei Adam und Eva beginnen. Natürlich will ich damit nicht sagen, dass wir in der Schilderung der ersten Kapitel des Buches Genesis eine Lebensbeschreibung von Adam und Eva vor uns haben. Doch selbst wenn jemand die Existenz eines ersten Menschenpaares, das durch Gottes Gnade über alle anderen irdischen Geschöpfe erhoben wurde, gänzlich leugnet, lohnt es sich, bei Adam und Eva zu beginnen. Man könnte sich darauf einigen, dass in Adam und Eva etwas Grundlegendes über den Menschen an sich ausgesagt wird. Auf jeden Fall müssen wir als gemeinsame Grundlage für unsere weiteren Überlegungen akzeptieren, dass Gott den Menschen, wie alles andere auch, geschaffen hat. Darüber hinaus hat Gott dem Menschen eine besondere Würde zukommen lassen, die darin besteht, dass er Bild Gottes ist.
Der Mensch ist mit Geist und Verstand begabt und hat so eine Vorrangstellung vor allen anderen Geschöpfen auf der Erde. Alle anderen Geschöpfe verkünden allein durch ihre Existenz das Lob des Schöpfers und sind geschaffen zur Freude und zum Nutzen des Menschen. Der Mensch aber ist durch den rechten Gebrauch seiner Gaben fähig, Gott zu erkennen, ihn zu loben, seinen Willen zu tun und dadurch glücklich zu werden. Doch dazu muss sich der Mensch in Freiheit entscheiden.
Der Mensch findet nur in Gott die Erfüllung seines Strebens nach Glück. Alles Irdische kann ihn nicht vollkommen und auf Dauer glücklich machen. Dennoch ist der Mensch ständig der Versuchung ausgesetzt, die Schöpfung mehr zu lieben als den Schöpfer, mehr nach seinem eigenen Willen zu handeln als nach dem Willen Gottes, mehr der Begierde zu folgen als der Liebe. Dieser Versuchung sind schon Adam und Eva erlegen. Obwohl sie noch in besonderer Nähe zu Gott lebten, konnte sie der Versucher dazu überreden, ein eindeutiges Gebot Gottes zu übertreten. Diese erste Sünde der Menschen, der erste freie, bewusste und willentliche Verstoß gegen ein Gebot Gottes, hatte sozusagen kosmische Auswirkungen. Die Sünde stand von nun an wie ein Keil zwischen Gott und seiner Schöpfung. Gott konnte seine Liebe nicht mehr unvermittelt schenken, weil der Mensch sich gegen sie gestellt hat.

Maria, die neue Eva

Das ist in aller Kürze das, was die Erbsündenlehre besagt. Die Sünde herrscht seither über den Menschen, der Mensch steht schon mit der Geburt in einem allgemeinen Schuldzusammenhang, unabhängig davon, ob er selbst gesündigt hat. Auch ohne diese kirchliche Lehre wird man erkennen, dass jeder Mensch anfällig ist für die Sünde, jeder Mensch in eine sündige Umwelt hineingeboren wird und dadurch Anteil bekommt an einem Schuldzusammenhang, der durch die Sünde der Menschen entsteht. Der Mensch kann sich aus diesem Netz der Sünde nicht aus eigener Kraft befreien.
Gott aber liebt den Menschen und es ihm natürlich nicht gleichgültig, wenn die Menschheit in Sünde versinkt. Doch er will auch nicht gegen die Freiheit der Menschen handeln. Die Menschen müssen sich selbst entscheiden für das neue Leben, das Gott schenken will. Dann kann Gott dem Menschen das geben, was er nicht von sich aus erreichen kann. Um den Menschen dieses neue Leben zu schenken, hat er beschlossen, in seinem Sohn selbst Mensch zu werden, doch auch für diesen Heilsplan bedurfte Gott der Mitwirkung der Menschen.
Gott hat die Welt auf vielfältige Weise auf das Kommen seines Sohnes, der allen Menschen wieder neu den Zugang zum Heil und zum Leben in Gott bringen sollte, vorbereitet. Ich meine, dass man dazu auch die heidnische Philosophie rechnen darf, oder die Ausbreitung des Römerreiches, durch die erst eine so weiträumige Verkündigung des Glaubens möglich war. In ganz besonderer Weise geschah diese Vorbereitung aber in der Erwählung des Volkes Israel. Durch das auserwählte Volk wurde der Glaube an den einen Gott durch die Zeiten der Weltgeschichte getragen. Immer tiefer erkannten die Juden das Geheimnis Gottes, durch Propheten und Weisheitslehrer sprach der Heilige Geist. Das Volk wurde vorbereitet auf ganz neue Erkenntnisse, wie beispielsweise die Auferstehung der Toten. Immer deutlicher wurde auch, dass die Erwählung Israels dem Heil der ganzen Welt dienen sollte, das auserwählte Volk als der Gottesknecht und das Licht für die Völker.
In diesem Volk wollte Gott selbst Mensch werden. Dazu brauchte er einen Menschen, der in ganz besonderer Weise bereit war, seinen Willen zu erfüllen. Dieser Mensch sollte in vollkommener Freiheit ja sagen zu Gottes Willen und sich nicht wie Adam und Eva von der Verführung des Teufels vom Gehorsam gegenüber Gott abbringen lassen. Es mussten aber gleiche Voraussetzungen gelten, wie bei Adam und Eva. Ein Mensch, der im Netz der Sünde gefangen war, konnte unmöglich ganz Ja zu Gott sagen. Dieses Netz der Sünde ist zwar eine Folge der freien Fehlentscheidung von Menschen, aber keine Folge einer persönlichen Entscheidung jedes einzelnen Menschen. Daher bedeutete es keinen Eingriff in die Freiheit des Menschen, dass Gott Maria von Anfang an von diesem Netz der Sünde, von der Erbsünde, befreit hat. Genau wie Eva stand Maria nun vor Gott, ein Mensch, wie Gott ihn in der Schöpfung gewollt hat, wunderschön und frei von Sünde. Wird Maria ihrer Berufung treu sein, oder wie Eva in Sünde fallen? Gott wollte es mit dem Menschen noch einmal ganz neu versuchen, wird das gelingen?

Maria ist Gott treu geblieben. Das zeichnet Maria vor allen anderen Menschen aus. Wir können sagen, Gott hat sie ja auch von der Erbsünde befreit. Aber das allein macht noch keinen Heiligen. Eva stand auch in direktem Kontakt zu Gott und hat gesündigt. Jeder Christ wird in der Taufe von der Erbsünde und jeder anderen Sünde befreit, steht nach der Taufe wie Maria ohne Sünde vor Gott. Doch wer von all diesen Menschen bleibt dem Willen Gottes sein Leben lang treu? Verstehen wir nun, was die Heiligkeit Marias bedeutet? Ihr Ja zu Gott hat den "zweiten Versuch" Gottes mit den Menschen gelingen lassen. In Maria hat Gott einen Menschen gefunden, der ganz nach seinem Willen gelebt hat. Ihr konnte er seinen Sohn anvertrauen. Somit ist Maria die neue Eva. Was Eva durch ihren Ungehorsam zusammen mit dem Ungehorsam ihres Mannes Adam für alle Menschen verloren hat, das hat Maria durch ihren Gehorsam wieder möglich gemacht. Gott konnte wieder direkt mit den Menschen in Beziehung treten. Durch ihren Glauben ist uns Maria zum Vorbild geworden. Sicher, es gibt viele Vorbilder im Glauben, Menschen, die sich ganz auf Gott verlassen haben. Abraham hatte den Mut seine Heimat zu verlassen und in das verheißene Land zu ziehen. Er ist zum Stammvater aller Glaubenden geworden. Der Glaube gab den Heiligen zu allen Zeiten den Mut, in allen Verfolgungen stand zu halten und selbst ihr Leben für Gott hinzugeben. Doch Maria überragt Abraham und alle Heiligen. Gott hat ihr noch viel mehr Gnaden gewährt als diesen allen. Sie durfte Gottes Sohn im Leib tragen und zur Welt bringen. Welch unergründliches Geheimnis. Durch ihr Ja zu den Worten des Engels gab sie ihr ganzes Leben Gott hin, wollte in allem seinen Willen tun.
Weil Maria ganz ihren Weg mit Gott gegangen ist, kann sie auch uns Wegführerin sein auf dem Weg mit Gott. Durch ihren Glaubensgehorsam ist Maria Vorbild für uns alle. Dieser Weg ist oft nicht leicht für uns. So viele Verführungen gibt es in der Welt und es bleibt nicht aus, dass wir ihnen immer wieder erliegen. In all unseren Versuchungen dürfen wir aber vertrauensvoll auf Maria blicken. Sie hatte die Kraft, dem Bösen zu widersagen. Sie will auch uns helfen, wenn Versuchungen über uns kommen. Sie kann uns helfen, weil sie eine so innige Beziehung zu ihrem Sohn hat. Sie ist auch die Herrin über die Engel und kann uns Legionen von Engeln zu unserem Schutz schicken, wenn der Feind mit Arglist heranstürmt.

O Maria!
Mutter Gottes, neue Eva!
Du von Gott erwählte,
Frau voll der Gnade,
dem Willen Gottes
ganz gehorsam.
Hilf uns, dass auch wir
dem Willen Gottes gehorsam sind.
Hilf uns in allen Anfechtungen
und gib uns die Kraft,
den Verführungen des Bösen
zu widersagen.
Heilige Maria,
Mutter Gottes,
bitte für uns Sünder,
jetzt und in der
Stunde unseres Todes.

Maria ist von Gott vom ersten Augenblick ihres Daseins an von der Erbsünde bewahrt geblieben. Das feiern wir auch im Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria am 8. Dezember.

Heilige Maria,
inmitten der Tage deiner Heiligkeit
vergiss nicht die Betrübnisse der Erde!
Schau voll Güte auf alle, die Leid tragen,
auf alle, die mit Schwerem zu kämpfen haben,
auf alle, die ohne Unterlass die Bitterkeit
des Lebens verkosten müssen.
Habe Mitleid mit denen, die sich lieben
und die getrennt sind,
habe Mitleid mit der Einsamkeit des Herzens,
habe Mitleid mit der Schwäche unseres Glaubens,
habe Mitleid mit denen, die wir lieben,
habe Mitleid mit allen, die weinen,
mit denen, die flehen, mit denen, die zittern.
Gib ihnen Hoffnung und Frieden! Amen.
(Papst Pius XII.)