Advent Lesejahr A

1. Adventssonntag

Erste Lesung

Jes 2,1-5

Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, in einer Vision über Juda und Jerusalem gehört hat.
Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Völker. Viele Nationen machen sich auf den Weg.
Sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort. Er spricht Recht im Streit der Völker, er weist viele Nationen zurecht.
Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg.
Ihr vom Haus Jakob, kommt, wir wollen unsere Wege gehen im Licht des Herrn.

Zweite Lesung

Röm 13,11-14a

Bedenkt die gegenwärtige Zeit: Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf. Denn jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe.
Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts. Lasst uns ehrenhaft leben wie am Tag, ohne maßloses Essen und Trinken, ohne Unzucht und Ausschweifung, ohne Streit und Eifersucht. Legt (als neues Gewand) den Herrn Jesus Christus an.

Evangelium

Mt 24,37-44

Wie es in den Tagen des Noach war, so wird es bei der Ankunft des Menschensohnes sein. Wie die Menschen in den Tagen vor der Flut aßen und tranken und heirateten, bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging, und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte, so wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein.
Dann wird von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, einer mitgenommen und einer zurückgelassen. Und von zwei Frauen, die mit derselben Mühle mahlen, wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen.
Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt.
Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, zu welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht.
Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.
Advent

Seid wachsam! (Mt 24)

In den letzten Tagen vor seinem Tod bereitet Jesus seine Jünger auf die Zeit vor, wenn er nicht mehr bei ihnen sein wird. In Jerusalem unterweist er sie in einer langen Rede drüber, was nach seinem Tod geschehen wird, und wie die Jünger leben sollen, um seine Zeugen in der Welt zu sein. Vor allem sollen sie sich seiner Wiederkunft bewusst sein. An jedem Tag wird das Zeichen des Menschensohnes sichtbar der ganzen Welt erscheinen:

Man wird den Menschensohn auf den Wolken des Himmels kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit. (Mt 24,30)

Dies soll eine tröstliche Gewissheit sein angesichts der Nöte der Zeit, in der die Jünger leben. Den frühen Christen stand die baldige Wiederkunft des Herrn deutlich vor Augen, heute aber sind bereits fast 2000 Jahre seit Jesu Tod vergangen, ohne dass der Herr gekommen ist.
Waren Jesu Worte eine falsche Verheißung? Lohnt es sich überhaupt noch, an Jesus zu glauben? Sind das nicht alles Märchen aus fernen Zeiten? Jesus hat bewusst keine Aussage über die Zeit seines Kommens gemacht. Er ruft dazu auf, wachsam zu bleiben und nicht die Geduld zu verlieren. Die Worte Jesu sind keine falsche Prophetie, auch wenn sich seine Wiederkunft erst nach vielen weiteren Jahrhunderten ereignen würde.

Denn wie es in den Tagen des Noach war, so wird es bei der Ankunft des Menschensohnes sein. Wie die Menschen in den Tagen vor der Flut aßen und tranken und heirateten, bis zu dem Tag, an dem Noach in die Arche ging, und nichts ahnten, bis die Flut hereinbrach und alle wegraffte, so wird es auch bei der Ankunft des Menschensohnes sein. (Mt 24,37-39)

Die Gewissheit der Wiederkunft des Herrn mahnt uns, so zu leben, als würde Jesus jeden Augenblick wiederkommen. Sie mahnt uns dazu, nicht aus Sorglosigkeit unsere täglichen Pflichten zu vernachlässigen, wie Jesus uns in den Gleichnissen vom klugen Knecht, den zehn Jungfrauen und den Talenten deutlich macht. Jede Stunde ist wertvoll und kann über unser Leben entscheiden. Ein Beispiel dafür ist auch die Erzählung von Noach. Er allein baute die Arche, während alle anderen sorglos weiterlebten. Nur er und seine Familie wurden gerettet.
Der Advent ist die besondere Zeit im Jahr, um uns die Bedeutung der Wiederkunft des Herrn für unser Leben neu bewusst zu machen. Daher hat die Kirche auch für den ersten Adventssonntag des Lesejahres A, des Matthäusjahres, diese Verse als Evangelium gewählt. Mit dem Ersten Advent beginnt ein neues Kirchenjahr. Der Kreislauf der Jahre ist nicht eine Wiederholung des ewig Gleichen, sondern mit dem Kreislauf der Jahre kommen wir wie auf einer Spirale dem Ziel immer näher.
So will uns die Kirche darauf hinweisen, was es bedeutet, Christ zu sein: Wir leben in dieser Welt, sind aber nicht von dieser Welt. Unsere Heimat ist bei Christus im Himmel. Wir stehen als Christen von Anfang an in der Erwartung der Wiederkunft unseres Herrn. Wir sind dazu berufen, das Licht unseres Glaubens am Leuchten zu halten, wie eine Kerze, die immer in Gefahr ist, dass ein Windstoß sie auslöscht. Dieses unser Licht soll vor den Menschen leuchten und Zeugnis geben für den Herrn, der bei seiner Wiederkunft der ganzen Welt erscheinen wird.

Mystische Mühle
Dann wird von zwei Männern, die auf dem Feld arbeiten, einer mitgenommen und einer zurückgelassen. Und von zwei Frauen, die mit derselben Mühle mahlen, wird eine mitgenommen und eine zurückgelassen. Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt. (Mt 24,40-42)

Seid wachsam! Diese Aufforderung gibt uns den Schlüssel zur Deutung der beiden vorangehenden Bilder von den zwei Männern auf dem Feld den zwei Frauen an der Mühle. Die Männer arbeiten auf dem gleichen Feld, die Frauen mahlen mit derselben Mühle. Feld und Mühle sind ein Bild für diese Welt. Wir alle haben mit den Aufgaben zu ringen, die diese Welt an uns stellt, im Beruf, im Alltag, in Freude und Leiden. Wir sagen ja auch bisweilen, dass wir von den Mühen dieser Welt zermahlen werden.
Der Mann und die Frau, die zurückgelassen werden, stehen für die Menschen, die nur das Irdische sehen. Erfolg im Beruf, Reichtum, Gesundheit, Ansehen, das allein sind ihre Ziele. Sie suchen ihr Heil allein in dieser Welt, doch sie werden vom Getriebe dieser Welt aufgerieben und können das wahre Glück nicht finden. Vielleicht stehen sie auf den ersten Blick besser da als ihre Kolleginnen und Kollegen, haben mehr Erfolg, mehr Geld. Doch am entscheidenden Tag ihres Lebens bleiben sie zurück und verpassen das, wozu sie geschaffen wurden.
Der Mann und die Frau aber, die mitgenommen werden, stehen für die Menschen, für die diese Welt nicht alles ist. Sie erkennen in der Welt ihren Schöpfer und wollen nicht der Welt gefallen, sondern Gott allein. Im Alltag blicken sie auf zu Christus. Sie versuchen, nach der Weisung Jesu zu leben, auch wenn ihnen das auf Erden Nachteile bringt. Am entscheidenden Tag aber werden sie getragen zur Erfüllung ihres Lebens.
Das ewige Heil ist nichts, das wir selbst machen können. Es ereignet sich an uns. Es ist ganz Gottes Tun. Aber wir sind dazu berufen, uns dafür bereit zu machen. Es ist nicht egal, wie wir leben. Jede unserer Taten bringt uns entweder näher ans Ziel oder führt uns davon weg. Das Gute daran ist, dass wir auch jeden Augenblick neu anfangen können. Jeder Moment unseres Lebens gibt uns die Möglichkeit, unser Denken zu ändern und eine gute Tat zu vollbringen.

Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, zu welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht. Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet. (Mt 24,43-44)

Solange noch kein Dieb ins Haus eingestiegen ist, können wir uns immer wieder neue Möglichkeiten ausdenken, wie wir das Haus noch besser bewachen können. Wenn wir aber zur falschen Stunde unachtsam waren, kann das unser ganzes Leben verändern. Solange dies in der irdischen Zeit geschieht, gibt es immer wieder die Möglichkeit, umzukehren. Unrecht kann verziehen, Fehler wieder gutgemacht werden. Doch sollten wird das nicht auf die lange Bank schieben. Wir wissen nicht, wann die Zeit vorbei ist, die uns die Möglichkeit dazu lässt.

Es wacht, wer die Augen offen hält für den Anblick des wahren Lichtes. Es wacht, wer dient indem er ausführt, was er glaubt. Es wacht, wer die Finsternis der Trägheit und Nachlässigkeit von sich weist. (Gregor der Große)

Wachsamkeit und Umkehr geschehen nicht, wenn ich sie nur bei anderen oder von der Gesellschaft erwarte, sondern ich muss zuerst bei mir selbst damit anfangen. Jeder einzelne, der wachsam Gottes Gerechtigkeit und Frieden sucht und danach lebt, entzündet ein Licht in der Finsternis. Gemeinsam werden diese Menschen strahlen und die Blicke aller auf sich ziehen. Nur so kann die Sehnsucht nach Gott in unserer Welt wieder lebendig werden.

Jesaja

Frieden vom Zion (Jes 2)

Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, über Juda und Jerusalem geschaut hat. Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg des Hauses des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. Zu ihm strömen alle Nationen. Viele Völker gehen und sagen: Auf, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er unterweise uns in seinen Wegen, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn vom Zion zieht Weisung aus und das Wort des Herrn von Jerusalem. (Jes 2,1-3)

Der Berg Zion, auf dem der Tempel errichtet wurde, ist zwar mit 765 Metern Höhe kein sehr hoher Berg, auch wenn er eine markante Anhöhe ist. Ähnlich wie die sieben Hügel Roms hat er wohl eher eine symbolische Bedeutung. Er wird aber einmal alle anderen Berge überragen, vielleicht nicht in seiner tatsächlich messbaren Höhe, wohl aber mit seiner spirituellen Bedeutung.
Im Altertum wurden Kultstätten oft auf Bergen errichtet und in Israel war zur Zeit des Jesaja die Erinnerung an die Kulthöhen für Baal und andere Götter noch sehr lebendig. Auch der Gott Israels wurde nicht immer nur auf dem Zion verehrt, sondern es gab mehrere Heiligtümer, von denen das der Samaritaner auf dem Berg Garizim, der immerhin 881 Meter hoch ist, dasjenige war, das neben Jerusalem am längsten Bestand hatte.
In Israel hat sich aber spätestens im 7. Jahrhundert v. Chr. die Überzeugung durchgesetzt, dass der EINE Gott nur an EINEM Ort, nämlich dem Tempel auf dem Berg Zion, verehrt werden darf. Hier konzentriert sich alle Weisheit der Heiligen Schriften und hier werden die Gebote des einen Gottes bewahrt und gelehrt. Diese Weisung Gottes, die auf dem Berg Zion von den Priestern des Tempels gelebt und gelehrt wird, ist nicht nur das Licht für das Volk Israel, sondern für die ganze Welt. Darum werden alle Völker dorthin kommen, um Gottes Weisung zu lernen.

Er wird Recht schaffen zwischen den Nationen und viele Völker zurechtweisen. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg. (Jes 2,4)

Gottes Weisung lehrt vor allem den Frieden. Von diesem Frieden war das Volk Israel zur Zeit des Jesaja weit entfernt. Immer wieder muss der Prophet die inneren Missstände im Volk anprangern und zeigt auf, dass die Diener Gottes seine Weisung nicht treu bewahren. Damit verhindern sie, dass Gottes Friedensreich Wirklichkeit werden kann und bringen mit ihrer Gier nach Macht und Besitz Krieg und Unfrieden über das Land.
Die Vision eines Friedensreiches, die Jesaja hier schildert, findet sich mit nahezu identischen Worten auch beim Propheten Micha (Mi 4,1-5). Besonders das Wort von den Schwertern, die zu Pflugscharen geschmiedet werden, hat dabei eine große Wirkungsgeschichte entfaltet und wurde für viele zum Symbol eines gewaltfreien Widerstandes. Wir erleben immer wieder Zeiten, in denen dieser Friede lebendig zu werden scheint, aber er ist stets bedroht von Gewalt, die an vielen Orten der Welt herrscht. Werden die Menschen lernen, ihr Streben nach Macht und Besitz zurückzustellen mit Rücksicht auf eine Weltordnung, in der alle Menschen in Frieden und Freiheit leben können?
Welche Rolle wird Gott in einer solchen Weltordnung spielen? Wird der Glaube an einen Gott weiterhin Motivation zu Kriegen gegen vermeintliche Ungläubige sein? Oder werden die Anhänger der verschiedenen Religionen einen Weg finden, in Frieden miteinander zu leben? Wird der Glaube an den einen Gott weiterhin ein Garant für Weisheit sein, und die Suche nach diesen Gott auch für Ungläubige attraktiv bleiben? Was tun wir als Gläubige, um Gottes Weisheit lebendig zu verkünden?
Schauen wir noch einmal auf Jerusalem und den Zionsberg. Den Juden ist vom einst so stolzen Tempel nur die Klagemauer geblieben, den Berg krönt eine Moschee. Die Christen verehren nicht weit vom Zion entfernt den Ort, an dem Jesus Christus nach seinem Tod am Kreuz auferstanden ist. Jerusalem ist wirklich zu einer Pilgerstätte für Menschen aus der ganzen Welt geworden. Doch der Friede scheint heute von dieser Stadt weiter entfernt als eh und je. Beten wir für diesen Frieden mit dem Friedensgebet der Benediktiner der Abtei Dormitio in Jerusalem:

Schenke, o Gott, deiner heiligen Stadt Jerusalem und der ganzen Welt deinen Frieden! Verankere ihn in den Herzen aller Menschen, denn dein göttlicher Friede ist der Friede, den die Welt nicht geben kann. Dein Frieden befreit alle, die in den Netzen der körperlichen oder psychischen Gewalt als Täter oder Opfer gefangen sind.
Hilflos sehen wir die vielen Formen der Gewalt und des Unrechts - von der großen Politik bis hin zum alltäglichen Miteinander. Schaffe, o Gott, unseren großen und kleinen Grenzen Frieden! Erfülle die Mächtigen mit deinem Geist der Liebe! Hilf auch uns, an deinem Reich des Friedens mitzuwirken, indem wir erkennen und tun, was in unserer Umgebung den Menschen und der Schöpfung zum Frieden und Wohlergehen dient! Darum bitten wir dich, du Gott der Liebe und Treue! Wir loben dich und danken dir in Ewigkeit.
Amen.
Advent
Haus Jakob, auf, wir wollen gehen im Licht des Herrn. (Jes 2,5)

Wie kann für uns heute ein Weg des Friedens im Licht des Herrn aussehen? Wir sind alle unterwegs auf dem Weg des Lebens, sind alle unterwegs zu einem Ziel - oder irren manchmal einfach nur ziellos umher. Es gibt viele Straßen, auf denen die Menschen gehen. Breite Straßen wie die Einkaufsmeilen unserer Städte, voller Lichter und Reklamen, voll mit Menschen. Wo führen sie hin? Haben sie ein Ziel? Oder halten sie die Menschen, die auf ihnen gehen, nur davon ab, vorwärtszukommen, weil sie feststecken im Gedränge, von einem Geschäft zum nächsten gehen, aber ohne Richtung und Ziel sind?
Dann gibt es dunkle Gassen, in die niemand gehen möchte. Sie sind oft gleich hinter den hell erleuchteten Einkaufsmeilen, aber niemand will sie sehen. Dort ducken sich Menschen nieder, die gezeichnet sind vom Leben und die nicht hineinpassen in diese Welt des Glitzers und des Konsums. Einsam stehen sie da, eingehüllt in dicke Mäntel, die sie etwas vor der Kälte des Winters schützen, aber nicht vor der Kälte der Herzen, die ihnen entgegenschlägt. Biegen wir manchmal ab in diese dunklen Gassen, um dort ein kleines Licht anzuzünden?
Es gibt auch kleine, verborgene Wege, die man so leicht nicht findet. Man muss etwas die Augen zusammenkneifen, um nicht zu sehr geblendet zu werden vom Licht der hellen Schaufenster an den breiten Straßen. Dann entdeckt man zwischen all den Glitzerfassaden vielleicht einen kleinen unscheinbaren Durchlass. Und dann tut sich ein geheimnisvoller Weg auf, an dem es Vieles zu entdecken gibt. Hier können uns Menschen begegnen, die nicht in Hetze sind, sondern Zeit haben für ein Gespräch. Hier gibt es einen Ort der Stille, an dem wir zu uns selbst finden können, einen Ort, an dem wir unsere Gedanken ordnen können, um neu die Richtung für unser Leben zu bestimmen. Und dann werden wir merken, dass auch wir den Menschen ganz anders begegnen, die wir auf diesem Weg antreffen. Unser Herz wird weit. Wir merken, dass wir selbst ein Licht sind, das immer heller leuchtet.
Und dann entdecken wir am Ende dieser Straße ein schwaches Leuchten, und wenn wir näher kommen und genauer hinsehen, dann erkennen wir den Stall von Betlehem und das Kind in der Krippe. Dann erleben wir Gottes Nähe in dieser Welt ganz neu. Wir erfahren, dass Weihnachten nicht ein Geschehen ist, das längst vergangen ist und um uns herum geschieht, sondern dass wir mitten drin sind in diesem Fest des Lebens, wenn ein Mensch zum Licht wird und Gottes Licht in die Welt trägt.

Advent

Der Tag ist nahe (Röm 13)

Und das tut im Wissen um die gegenwärtige Zeit: Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf. Denn jetzt ist das Heil uns näher als zu der Zeit, da wir gläubig wurden. (Röm 13,11)

In den vorangegangenen Sätzen hat Paulus davon gesprochen, dass die Liebe die Erfüllung des Gesetzes ist und dass wir einander immer die Liebe schulden. Die Liebe muss das Maß all unseres Denkens und Handels sein. Nicht Macht und Reichtum, sondern allein die Liebe zählt. Das ist ganz besonders wichtig im Hinblick auf das nahe Kommen des Herrn.
Paulus ging noch davon aus, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis der Herr wiederkommt. Vielleicht hat ihn das dazu angetrieben, durch das halbe Römische Reich zu reisen und von Jesus Christus zu verkünden. Möglichst viele Menschen sollten von Jesus Christus erfahren, an ihn glauben, umkehren und sich taufen lassen, damit sie gerettet werden, wenn Jesus Christus wiederkommt.
Nur so können wir auch diesen Satz verstehen. Jetzt ist das Heil näher. Das Heil kommt jeden Tag näher, da wir jeden Tag ein Stück näher herankommen an die Wiederkunft des Herrn, oder anders betrachtet, der Tag des Herrn kommt immer näher auf uns zu. Ein wahrhaft adventlicher Gedanke.br /> Aber hätte Paulus das auch so geschrieben, wenn er gewusst hätte, dass wir nach fast Zweitausend Jahren diese Worte lesen und der Tag des Herrn immer noch nicht gekommen ist? Hätte er sich so beeilt mit seinen Missionsreisen, wenn er gewusst hätte, dass noch so viel Zeit bleibt und noch so viele Menschen das Evangelium verkünden werden?
Aber was wäre gewesen, wenn Paulus nicht so überzeugt gewesen wäre? Wenn er sich gesagt hätte, es reicht ja, wenn ich nach Antiochia gehe und dort predige, andere können dann weiterziehen? Ein anderer wird es schon tun, das denken wir oft und dann passiert lange nichts. Klar, unsere Möglichkeiten sind begrenzt, aber Hand aufs Herz, sind wir nicht oft auch etwas träge und könnten mehr tun?
Ich bewundere den Mut und den Tatendrang des Paulus. Auch wenn sich seine Überzeugung vom baldigen Kommen des Herrn nicht bewahrheitet hat, so ist er doch nicht umsonst gelaufen. Er hat vielen Menschen das Heil gebracht, seine Briefe sind Weltliteratur geworden. Seine Worte haben auch nach fast Zweitausend Jahren nichts von ihrer Bedeutung verloren. Und Jesus sagt uns ja selbst, dass wir stets wachsam sein sollen, weil wir nicht wissen, wann er wiederkommt.
Jesus kommt sicher und darauf müssen wir stets vorbereitet sein, indem wir so leben, wie er es uns gezeigt hat. Wir glauben an sein Kommen, sei es heute noch, morgen, nächste Woche oder erst in mehreren Tausend Jahren.

Advent
Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. (Röm 13,12a)

Ein schönes Bild, das Paulus hier gebraucht. Die Zeit zwischen dem Ende der Nacht und dem Anbruch des Morgens ist für viele eine der schönsten Zeiten des Tages. In den letzten Stunden der Nacht ist die Welt um uns herum endlich zur Ruhe gekommen. Es ist still, die Luft ist rein. Die Abgase unserer hektischen Betriebsamkeit sind verflogen. Wenn es dann auch noch ein wolkenloser Morgen ist, können wir beobachten, wie das Licht der Sonne das Dunkel der Nacht zunächst langsam und dann immer schneller vertreibt und dabei den Himmel und die ganze Welt in den schönsten Farben erstrahlen lässt.
Morgenmuffel werden selten diese Stunde erleben, manche erleben sie unfreiwillig, weil ihr Beruf sie dazu zwingt, früh aufzustehen, manche stehen bewusst früh auf, um den Zauber dieser Stunde des Morgens zu erleben und vielleicht auch betend zu verbringen. Das aufgehende Licht wurde schon früh zum Symbol für Jesus Christus, insbesondere für seine Auferstehung, die wir am Ostermorgen feiern.
Die Nacht hat immer etwas Unsicheres und Gefahrvolles an sich. Heute können wir die Dunkelheit mit einem Klick auf den Lichtschalter leicht vertreiben und die bewohnten Gegenden werden die ganze Nacht mit Straßenlampen erleuchtet. Aber doch merken wir besonders in den langen und kalten Nächten im November und Dezember, dass das Leben weniger pulsiert als in den kurzen und warmen Sommernächten.
Der Glaube an Jesus Christus ist wie ein heller Morgen nach einer langen Winternacht. Er vertreibt Ängste der Dunkelheit. Das Licht dieses Morgens gibt uns Kraft und Mut zu neuem Leben. Es hilft uns auch, das zu überwinden, wozu wir vielleicht im Verborgenen der Nacht verführt worden sind. Christliches Leben soll tagestauglich sein, es soll nichts an sich haben, was man lieber vor anderen versteckt hält und von dem man fürchtet, dass es ans Licht kommen könnte. Nehmen wir uns die Stunde des Morgens zum Vorbild für unser Leben, jenen Morgen, der immer wieder alles Neu und Schön im Glanz der aufgehenden Sonne erstrahlen lässt.

Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts! Lasst uns ehrenhaft leben wie am Tag, ohne maßloses Essen und Trinken, ohne Unzucht und Ausschweifung, ohne Streit und Eifersucht! Vielmehr zieht den Herrn Jesus Christus an und sorgt nicht so für euren Leib, dass die Begierden erwachen. (Röm 13,12b-14)
Nachdem der Apostel, was notwendig war, anbefohlen hat, drängt er seine Zuhörer zur Ausführung des Guten durch den Hinweis, dass es höchste Zeit dazu sei. Vor der Tür, will er sagen, steht der Augenblick des Gerichts. ... Nahe ist die Auferstehung, nahe das schreckliche Gericht, nahe der Tag, der da glühend ist wie ein Feuerofen. Wir müssen uns darum in Zukunft freimachen von der Lässigkeit.
Siehst du, wie er seinen Zuhörern die Auferstehung als nahe bevorstehend darstellt? Die Zeit vergeht, will er sagen, das gegenwärtige Leben rinnt dahin, die Ewigkeit rückt näher. Bist du darauf vorbereitet, hast du alles getan, was dir geboten war, dann bedeutet für dich dieser Tag Heil; wenn aber das Gegenteil der Fall ist, dann nicht. Bisher bedient sich der Apostel zur Ermahnung nicht des Hinweises auf Leidvolles, sondern auf Tröstliches, um seine Zuhörer von der Anhänglichkeit an das Diesseits loszulösen.
Weil zu erwarten war, dass diese am Anfang in der ersten Zeit, so lange in ihnen die Liebe noch wirksam war, recht eifrig sein würden, im Laufe der Zeit aber ihr ganzer Eifer erkalten würde, so sagt der Apostel, dass sie das Gegenteil tun sollten, dass sie mit der fortschreitenden Zeit nicht nachlassen, sondern umso eifriger werden sollten.
Wenn die Nacht zu Ende geht, dann ist der Tag nahe. Lasset uns darum Werke des Tages vollbringen, nicht solche der Nacht! Das geschieht ja auch so im täglichen Leben. Wenn wir sehen, dass die Nacht ins Morgengrauen übergeht und wenn wir das Zwitschern der Schwalbe vernehmen, dann wecken wir ein jeder seinen Nachbar auf, obgleich es eigentlich noch Nacht ist. Wenn diese aber vollends geschwunden ist, dann sprechen wir zueinander, indem wir zur Arbeit drängen: "Es ist Tag geworden." Wir tun dann alles, was der Tag verlangt: wir kleiden uns an, verscheuchen die Traumbilder, reiben uns den Schlaf aus den Augen, damit uns der Tag zur Arbeit bereitfinde und wir nicht erst aufstehen und mit der Arbeit beginnen, wenn die Sonne schon hoch am Himmel steht. Was wir da leiblicher Weise tun, das wollen wir nun geistiger Weise vollbringen. Wir wollen die falschen Vorstellungen aufgeben, die Traumbilder des gegenwärtigen Lebens verscheuchen, den tiefen Schlaf abbrechen und das Kleid der Tugend anlegen. (Johannes Chrysostomus)