Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel
Maria ist aufgenommen in den Himmel!
Die Engel freuen sich und lobpreisen den Herrn!
So singt die Kirche freudig am Fest Mariä Himmelfahrt. Der heutige Festtag ist von dieser Fröhlichkeit ganz durchströmt. In unseren Breiten liegt das Fest zudem mitten im Sommer, was ihm zusätzlich einen hellen, lichtdurchströmten Charakter verleiht.
Doch dass wir den heutigen Festtag feiern, ist nicht selbstverständlich. In der Heiligen Schrift wird die Gottesmutter zuletzt in Verbindung mit dem Gebet der Apostel vor dem Pfingstfest erwähnt. Über ihr weiteres Leben, ihren Tod und eine mögliche Aufnahme in den Himmel schweigt die Heilige Schrift. Diese Lücke wird durch verschiedene apokryphe Schriften gefüllt, die aber nicht den Anspruch erheben dürfen, von Gott geoffenbartes Wort zu sein.
Woher wissen wir dann von der Himmelfahrt Mariens und was gibt Papst Pius XII. das Recht, im Jahr 1950 per Dogma zu verkünden:
Es ist eine von Gott geoffenbarte Glaubenswahrheit, dass die unbefleckte, immer jungfräuliche Gottesmutter Maria nach Vollendung ihres irdischen Lebenslaufes mit Leib und Seele zur himmlischen Herrlichkeit aufgenommen worden ist. (DH 3903)
Die frühen Theologen waren sich darüber im Klaren, dass Maria das gleiche Schicksal erleiden musste wie alle Menschen. Sie musste sterben. Aber doch konnten sie sich nicht vorstellen, dass Jesus Christus seine Mutter im Grab zurückzulassen vermochte. Zudem war man sich bereits in frühen Zeiten sicher, dass Maria bei ihrem Sohn besondere Fürsprache für uns Menschen einlegte. Maria musste also nach ihrem Tod ihrem Sohn ganz nahe gekommen sein.
Die in Fürbitten unermüdliche Gottesmutter
und in der Hilfe unerschütterliche Hoffnung
konnten Tod und Grab nicht halten,
denn als Mutter des Lebens
hat sie zum Leben geführt
er, der einst ihren jungfräulichen Schoß
zur Wohnung genommen.
Die Ostkirche feiert seit dem 6. Jahrhundert das Fest der Entschlafung der Gottesmutter. Sie gedenkt damit nicht nur des Todes der Gottesmutter, sondern auch ihrer Neugeburt für den Himmel. Bereits im 7. und 8. Jahrhundert wird das Fest im Westen verbunden mit dem Gedenken an die Unverwestheit ihres Leides und ihre Aufnehme in den Himmel. Von hier ist es nur noch ein kurzer Schritt hin zu dem Glauben, dass nicht nur die Seele Mariens in den Himmel aufgenommen wurde, sondern auch ihr Leib.
Ein Gebet der Ostkirche zu diesem Fest bringt dies zum Ausdruck:
Der hochwürdige Chor der weisen Apostel wurde auf wunderbare Weise versammelt, um ruhmvoll deinen allreinen Leib zu beerdigen, hochgepriesene Gottesgebärerin.
Auch die Scharen der Engel lobsangen mit ihnen, um deinen Hinübergang voll Ehrfurcht zu verherrlichen, den wir im Glauben feiern.
Unbefleckt war bei der Empfängnis deine Mutterschaft, ohne Verwesung war der Zustand des Todes bei deiner Entschlafung. Beide Wunder fließen in eins, o Gottesgebärerin.
Wie konnte diejenige, die keinen Mann erkannte, zur Nährerin eines Kindes werden und dabei jungfräulich bleiben?
Wie konnte die Mutter Gottes einer Toten gleich einbalsamiert werden? Deshalb rufen wir dir mit dem Engel zu:
"Gegrüßt seist du, Gnadenreiche!"
In einem uns besser vertrauten Lied zum heutigen Fest singen wir:
Maria aufgenommen ist, zu ihrem Sohne Jesus Christ, Halleluja!
Ihr Sohn der Tod und Grab besiegt, er lässt im Tod die Mutter nicht, Halleluja! (GL 522)
Maria kommt in der Heilsgeschichte, in der Geschichte Gottes mit uns Menschen, eine bedeutende Rolle zu. Davon erfahren wir schon in den Evangelien. Die Kindheitserzählungen über Jesus zeigen uns, wie durch das "Ja" Mariens Gottes Wort Mensch werden konnte und sie geben Zeugnis vom tiefen Glauben Mariens.
Während der Jahre des öffentlichen Wirkens Jesu tritt Maria etwas in den Hintergrund, doch dann sehen wir sie wieder unter dem Kreuz und nach der Auferstehung Jesu im Kreis der Apostel beim Gebet um das Kommen des Heiligen Geistes.
Nach Pfingsten trennen sich die Wege der Apostel und die Heilige Schrift berichtet uns nichts mehr von Maria. Der Legende nach soll sie nach Jesu Tod noch 24 (nach einer anderen Legende 12) Jahre gelebt haben. Der Tradition nach gilt zum einen das Haus neben dem Abendmahlssaal auf dem Zionsberg in Jerusalem als Ort der Entschlafung Mariens, nach anderen Quellen soll Maria in der Stadt Ephesus gestorben sein.
Johannes von Damaskus beschreibt nach einem alten Bericht die Entschlafung der Gottesmutter:
In der Heiligen und von Gott inspirierten Schrift ist zwar das den Heimgang der heiligen Gottgebärerin Maria Betreffende nicht dargelegt, doch aus alter und zuverlässigster Überlieferung haben wir empfangen, dass zur Zeit ihrer glorreichen Entschlafung alle heiligen Apostel, die zur Rettung der Nationen den ganzen Erdkreis durchzogen, in einem einzigen Augenblick allesamt durch die Lüfte nach Jerusalem getragen wurden, und als sie bei ihr ankamen, göttlichen Hymnengesang der höheren Mächte vernahmen. Hierauf übergab sie in göttlichem und überhimmlischem Lichtglanz auf unaussprechliche Weise ihre heilige Seele in Gottes Hände. Ihr Leib aber, der Gott empfangen hatte, wurde unter dem Hymnengesang der Engel und der Apostel weggetragen und in einem Sarg in Getsemani niedergelegt, wo die Wache und der Hymnengesang der Engel drei Tage lang unaufhörlich weiterging.
Als nach dem dritten Tag der Engelgesang aufhörte, in der Gegenwart der Apostel, kam einer von ihnen, der abwesend gewesen war, nämlich Thomas, und wünschte den Leib, der Gott empfangen hatte, zu verehren, und so öffneten sie den Sarg. Doch ihren allbesungenen Leib vermochten sie darin nicht zu finden, sondern nur die Grabgewänder fanden sie darin liegen, von denen ein unaussprechlicher Wohlgeruch ausging und sie erfüllte. Danach schlossen sie den Sarg wieder. Überrascht von diesem wunderbaren Mysterium, gab es für sie nur einen einzigen Gedanken - dass derjenige, dem es gefallen hatte, in seiner eigenen Person in der Jungfrau Fleisch anzunehmen und Mensch zu werden und aus ihr geboren zu werden als inkarnierter Logos Gottes und Herr der Herrlichkeit, indem er ihre Jungfräulichkeit auch nach der Geburt unversehrt bewahrte, dass es demjenigen nach ihrem Hingang auch gefiel, ihren unbefleckten und makellosen Leib noch vor der allgemeinen und universellen Auferstehung mit der Unverweslichkeit zu ehren und zu entrücken.
Im Tagesgebet des heutigen Hochfestes beten wir:
Allmächtiger, ewiger Gott, du hast die selige Jungfrau Maria, die uns Christus geboren hat, vor aller Sünde bewahrt und sie mit Leib und Seele zur Herrlichkeit des Himmels erhoben. Gib, dass wir auf dieses Zeichen der Hoffnung und des Trostes schauen und auf dem Weg bleiben, der uns hinführt zu deiner Herrlichkeit.
Die eindrucksvollste Darstellung der Himmelfahrt Mariens zeigt uns der Hochaltar der Klosterkirche in Rohr (Niederbayern). Egid Quirin Asam hat hier die Himmelfahrt Mariens plastisch dargestellt. Um den Sarkophag herum stehen die Apostel. Jeder drückt sein Erstaunen über das Geschehen auf seine eigene Weise aus. Einer von ihnen findet eine Rose. Das lässt ihn nach oben blicken, wo Maria von Engeln getragen gen Himmel fährt. Sie wird erwartet von Gott Vater und Sohn, die sie mit einer Königskrone empfangen. Der Sohn streckt ihr das Zepter entgegen und der Heilige Geist kommt als Taube mit einem Brautring herab. Darüber finden wir die Inschrift:
Una columba veni cape trina insignia namque unius es filia sponsa parens. Komm, du Taube, du einzige, empfange die drei Ehrenzeichen, denn du bist des Dreieinen Tochter, Braut und Mutter.
Die Anrede "Taube" für Maria spielt an die Liebessymbolik des Hohenliedes aus dem Alten Testament an, auf das auch viele andere Texte der Marienfrömmigkeit zurückgreifen. Die drei Ehrenzeichen sind Krone, Zepter und Ring. Krone und Zepter weisen Maria als Himmelskönigin aus, der Ring zeigt Maria als Braut des Heiligen Geistes. Wenn Maria als Taube angeredet wird, der Heilige Geist aber als Taube dargestellt wird, so kommt dadurch das bräutliche Verhältnis zwischen Maria und dem Heiligen Geist deutlich zum Ausdruck.
Das Dogma
Eine gesunde Marienverehrung orientiert sich an der Heiligen Schrift und der Lehre und Tradition der Kirche. Der Glaube an die Aufnahme Mariens mit Leib und Seele in den Himmel ist schon sehr früh im Christentum verwurzelt. Papst Pius XII. greift somit auf ältestes Glaubensgut zurück, wenn er am 1. November 1950 mit der apostolischen Konstitution "Munificentissimus Deus" die von Gott geoffenbarte Glaubenswahrheit dogmatisiert, dass die unbefleckte, immer jungfräuliche Gottesmutter Maria nach Vollendung ihres irdischen Lebenslaufes mit Leib und Seele zur himmlischen Herrlichkeit aufgenommen worden ist.
Deshalb hat es die erhabene Mutter Gottes ... schließlich als höchste Krone ihrer Vorrechte erlangt, dass sie von der Verwesung des Grabes unversehrt bewahrt wurde und dass sie, wie schon ihr Sohn, nach dem völligen Sieg über den Tod mit Leib und Seele zur erhabenen Herrlichkeit des Himmels emporgehoben wurde, wo sie zur Rechten eben dieses ihres Sohnes, des unsterblichen Königs der Zeiten, als Königin erstrahlen sollte.
Wir bekennen im Credo die Auferstehung Jesu Christi und die Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Maria, die ganz Begnadete, erhält Anteil an der Auferstehung Jesu und wird so zur Erfüllung unser aller Hoffnung. Und diese Hoffnung geht den ganzen Menschen an; mit Leib und Seele ist sie ganz bei Gott in seiner Herrlichkeit. In Maria wird deutlich, dass diese Hoffnung für uns alle fruchtbar wird und dass sie die Vollendung des ganzen Menschen einschließt. So ist Maria Urbild für die Hoffnung der Christen, "felix porta coeli", "die glückselige Pforte des Himmels".
Johannes von Damaskus schreibt über das Festgeheimnis des heutigen Tages:
Wir verehren die Jungfrau als Mutter Gottes und feiern ihre Entschlafung, nicht indem wir sie als Göttin erklären, denn wir verkünden ja ihren Tod, sondern indem wir sie als Mutter des Mensch gewordenen Gottes bekennen. Sie also lasst uns heute mit heiligen Gesängen feiern. Sie, die wahrhaft Reine und nach Gott Reinste von allen, lasst uns erfreuen mit der Reinheit der Seele und des Leibes, denn es ist natürlich, dass Gleiches sich an Gleichem freut. Ihr lasst uns zum Wohlgefallen sein mit Barmherzigkeit und Mitgefühl gegen die Bedürftigen, denn wenn nichts Gott so wohlgefällig ist wie die Barmherzigkeit, wer wird nicht beistimmen, dass sie auch seiner Mutter im gleichen Maß gefällt? Denn sie ist es, die uns den grenzenlosen Ozean von Gottes Liebe zu uns kundgetan hat.
Mit Miriam der Prophetin, o ihr jungfräulichen Seelen, lasst uns tanzen mit Paukenschlag, mit geistigem Kriegsgeschrei lasst uns rufen vor der Arche des Herrn unseres Gottes, und die Mauern von Jericho, ich meine die Festungswälle der bösen Mächte, werden einstürzen. Mit David lasst uns hüpfen im Geiste, denn heute wird die Arche des Herrn zur Ruhe gelegt. Mit Gabriel, dem Engelfürsten, lasst uns rufen:
"Freue dich, du Gnadenreiche, der Herr ist mit dir!"
Freue dich, du unerschöpflicher Ozean der Freude.
Freue dich, die du allein die Trauer zum Verschwinden bringst.
Freue dich, Arznei zur Linderung des Schmerzes jeden Herzens.
Freue dich, durch die der Tod vertrieben wird und das Leben Einzug hält.
Zeichen der Hoffnung und des Trostes
Maria ist die in besonderer Weise vom Herrn erwählte. Sie allein hat Gott zur Mutter seines Sohnes berufen, eine ehrenvolle, aber auch sehr schwere Aufgabe. Das bedeutet vor allem auch, dass Maria ihrer Berufung treu geblieben ist, ein Leben zu führen, das Gottes würdig ist, ein Leben als ein Mensch, so wie Gott ihn haben will, ein reiner Mensch, der ganz nach dem Willen Gottes lebt, so wie es Gott in seiner Schöpfung geplant hat. Ein Mensch, der sich nicht verführen lässt von den Verlockungen des Bösen.
Als Vollendung ihres Lebens hat es Maria als erster Mensch erlangt, mit Leib und Seele in den Himmel zu gelangen. Gott hat den Menschen mit Seele und Leib geschaffen. Gott wollte den Menschen nicht als reines Geistwesen wie den Engel. Daher hat auch der Leib für Gott seine Bedeutung. Auch den Leib will Gott in der Herrlichkeit des Himmels zur Vollendung führen.
Was Maria erlangt hat, ist auch unser Ziel. Maria ist den Weg vorausgegangen, der für uns alle bestimmt ist. So ist das Fest heute ein Zeichen der Hoffnung für das, was uns erwartet. Wir sind dazu berufen, dem Beispiel Marias zu folgen und hier auf Erden ein Leben nach dem Willen Gottes zu führen. Kein abgehobenes, rein vergeistigtes Leben, sondern ein Leben als Menschen mit Leib und Seele, kein Leben der Flucht aus dieser Welt, sondern ein Leben in dieser Welt, ein Leben, das all das Gute sieht und sich an all dem Guten freut, das Gott in seine schöne Schöpfung gelegt hat.
Ein Zeichen für diese Freude der gesamten Schöpfung über das Leben ist die Segnung der Kräuter am heutigen Festtag. Kräuter sind ein Geschenk der Natur. Ihre Kräfte schenken Linderung und Heilung. Bei der Kräutersegnung wird die Schöpfung Gottes spürbar, erlebbar und sogar essbar. Zur Segnung der Kräuter beten wir:
Herr, unser Gott, du hast Maria über alle Geschöpfe erhoben und sie in den Himmel aufgenommen. An ihrem Fest danken wir dir für alle Wunder deiner Schöpfung. Durch die Heilkräuter und Blumen schenkst du uns Gesundheit und Freude. Segne diese Kräuter und Blumen. Sie erinnern uns an deine Herrlichkeit und an den Reichtum deines Lebens. Schenke uns auf die Fürsprache Mariens dein Heil. Lass uns zur ewigen Gemeinschaft mir dir gelangen und dereinst einstimmen in das Lob der ganzen Schöpfung, die dich preist durch deinen Sohn Jesus Christus in alle Ewigkeit.