Die Heiligen

23.10. Boethius

Boethius

Boethius
um 480-524
Philosoph

Boethius ist zwar mehr als Philosoph und Staatsmann und weniger als christlicher Heiliger bekannt, seine Schriften atmen mehr den Geist antiker Philosophen, allen voran Platon, aber trotz allem war er Christ und wurde bereits im Mittelalter als Heiliger verehrt und 1883 von Papst Johannes I. offiziell heiliggesprochen.
Warum er hier nicht fehlen darf, betrifft nicht so sehr seine christlichen Tugenden, sondern seine Gelehrsamkeit. Er gilt als letzter Römer und wird in einigen Werken auch als letzter der lateinischen Kirchenväter angeführt. Mit Boethius ging eine Epoche zu Ende. Man kann mit Recht sagen, dass er der letzte Gelehrte war, der noch den alten Geist antiker Bildung in sich aufgenommen und eigenständig weiterentwickelt hat. Die Gelehrten nach ihm können nicht mehr aus diesem großen Schatz schöpfen. Über Jahrhunderte hinweg werden nur einzelne Reste dieses Wissens in wenigen Kompendien bewahrt und erst im Hochmittelalter wird das philosophische Denken wieder eine Eigenständigkeit entwickeln, die mit der Antike vergleichbar ist.
Das Leben des Boethius fällt mitten in die Wirren der Völkerwanderung. Im Jahr 476 war Rom gefallen. Aber vor allem in Italien und Südgallien bestanden die alten Strukturen in den Städten fort. Die Oberschicht konnte sich bei Kooperation mit den neuen Herrschern eine gewisse Eigenständigkeit erhalten. Auch im kirchlichen Bereich gab es eine gewisse Kontinuität und Päpste und Bischöfe haben viele Funktionen der früheren römischen Herrschaft übernommen.
Anicius Manlius Torquatus Severinus Boethius entstammte dem römischen Adel. Er erhielt in seiner Jugend noch die klassische Ausbildung, wie sie in Rom einst üblich war, und schlug die politische Laufbahn ein. Die politischen Verhältnisse waren unsicher, aber Teile des alten Verwaltungsapparates waren immer noch intakt. Als Theoderich der Große im Jahr 493 in Italien das Reich der Ostgoten errichtete, kam es zu einer gewissen Stabilisierung der Verhältnisse. Boethius erlangte unter Theoderich hohe politische Ämter in dessen Hauptstadt Ravenna.
In der nach der Eroberung Roms weiterhin intakten und mächtigen östlichen Reichshälfte mit der Hauptstadt Konstantinopel/Byzanz gab es immer wieder Bestrebungen, Teile des ehemaligen weströmischen Reiches zurückzuerobern. Theoderich lebte in ständiger Furcht vor aus Ostrom gesteuerten Intrigen, die seine Herrschaft untergraben konnten. So geriet auch Boethius zu Unrecht unter den Verdacht des Hochverrats, wurde inhaftiert und schließlich am 23. Oktober 524 hingerichtet. Im Kerker schrieb Boethius sein bekanntestes Werk "De Consolatione Philosophiae" - vom Trost der Philosophie.
Ursprünglich hatte Boethius die Absicht, sämtliche Werke von Platon und Aristoteles in lateinischer Übersetzung zugänglich zu machen und zu kommentieren. Dieses Vorhaben konnte er wegen seines frühen Todes nicht verwirklichen. Darüber hinaus schrieb er eigenständige Werke zu Arithmetik, Musik und Logik und verfasste auch theologische Schriften. Durch sein Werk wurde er zum wichtigsten Vermittler griechischer Logik, Mathematik und Musiktheorie an die lateinisch sprachige Welt des Mittelalters bis ins 12. Jahrhundert.