Österliche Bußzeit

Fastenmeditation 1

Kreuz

Das Fasten ist mehr

Rufer

Im dritten Teil des Jesajabuches, das die Kapitel 56 bis 66 umfasst, sind unter dem Namen des Propheten Jesaja Sprüche verschiedener Propheten aus der Zeit nach dem Babylonischen Exil gesammelt. Das Volk Israel lebt wieder im gelobten Land. Gott hat sich nach der Katastrophe der Eroberung Jerusalems seinem Volk wieder zugewandt, wie es Jesaja verheißen hat. Nun ist es die Aufgabe der Propheten, das Volk zu einem Leben gemäß dem Willen Gottes aufzurufen, damit sich Gottes Heilswirken vollenden kann.
Für uns ist die Österliche Bußzeit immer wieder eine solche Zeit, in der wir uns an Gottes Willen ausrichten, neu orientieren, wieder auf den Kompass unseres Lebens schauen und eine nötige Kurskorrektur vornehmen können. Habe ich seit der letzten Fastenzeit mehr zu Gott gefunden? Wie bin ich seither meinen Mitmenschen begegnet? Bin ich selbst noch in meiner Mitte, lebe ich ehrlich und authentisch?
Das Kapitel 58 des Jesajabuches kann uns bei einer solchen Orientierung helfen:

So spricht Gott, der Herr: Rufe aus voller Kehle, halte dich nicht zurück! Lass deine Stimme ertönen wie eine Posaune! Halt meinem Volk seine Vergehen vor und dem Haus Jakob seine Sünden! Sie suchen mich Tag für Tag; denn sie wollen meine Wege erkennen. Wie ein Volk, das Gerechtigkeit übt und das vom Recht seines Gottes nicht ablässt, so fordern sie von mir ein gerechtes Urteil und möchten, dass Gott ihnen nah ist. Warum fasten wir, und du siehst es nicht? Warum tun wir Buße, und du merkst es nicht? Seht, an euren Fasttagen macht ihr Geschäfte und treibt alle eure Arbeiter zur Arbeit an.
Obwohl ihr fastet, gibt es Streit und Zank, und ihr schlagt zu mit roher Gewalt. So wie ihr jetzt fastet, verschafft ihr eurer Stimme droben kein Gehör. Ist das ein Fasten, wie ich es liebe, ein Tag, an dem man sich der Buße unterzieht: wenn man den Kopf hängen lässt, so wie eine Binse sich neigt, wenn man sich mit Sack und Asche bedeckt? Nennst du das ein Fasten und einen Tag, der dem Herrn gefällt?
Nein, das ist ein Fasten, wie ich es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen, an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen.
Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Wunden werden schnell vernarben. Deine Gerechtigkeit geht dir voran, die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach. Wenn du dann rufst, wird der Herr dir Antwort geben, und wenn du um Hilfe schreist, wird er sagen: Hier bin ich. (Jes 58,1-9a)

Am Aschermittwoch haben wir mit der Auflegung des Aschenkreuzes die Fastenzeit, die Österliche Bußzeit begonnen. Die Asche will uns hin weisen auf die Vergänglichkeit unseres Lebens. Die Kirche will uns deutlich machen, dass es nicht egal ist, wie wir die Jahre unseres Lebens verbringen. Das Fasten ist ein Mittel, um uns in die Haltung der Besinnung und Umkehrbereitschaft zu versetzen. Der Prophet Jesaja wirft den Menschen vor, dass sie nicht in rechter Weise fasten. Was machen sie falsch? Wie können wir in rechter Weise Fasten?
Mit dem Wort Fasten verbinden wir zunächst den materiellen Verzicht. Viele nehmen sich vor, in der Fastenzeit auf gutes Essen, Naschereien, Alkohol und dergleichen zu verzichten. Das ist gut so, denn wir brauchen für das Fasten einen äußeren Rahmen, wenn es etwas Besonderes sein soll. Dazu sind die Zeiteinteilung der Kirche und der persönliche Vorsatz wichtig. Dass dies allein aber noch nicht genügt, ist meines Erachtens die Aussage des Propheten Jesaja. Es genügt nicht, ein rein äußerliches Fastenpensum zu erfüllen, um zu meinen, man sei ein besonders frommer Mensch.

Fasten ist mehr.

Wenn wir vom Fasten reden, müssen wir auch vom Essen reden. Hunger ist ein erzwungener Verzicht auf Nahrung. Fasten hingegen ist ein bewusster Verzicht, der einem höheren Zweck dient. Dieser ist meist entweder gesundheitlicher oder spiritueller Natur. In einer ganzheitlichen Sicht des Menschen sind diese beiden Pole nicht getrennt zu betrachten. Zwar gab es immer wieder Asketen, auch Heilige, die durch das Fasten ihre Gesundheit ruiniert haben, aber das muss nicht Vorbild unseres Fastens sein.
Wir leben in einer Gesellschaft der Verschwendung. Alles gibt es praktisch immer und überall. Aber zu welchem Preis? Unsere Lebensmittel werden immer synthetischer. Eine Vielfalt an unterschiedlichen Obst- und Gemüsesorten wird billigen Einheitsprodukten geopfert. Der größte Teil unseres Fleisches kommt vom Einheitsvieh der Tierfabriken.
Auch wenn die globale Entwicklung durch den Einzelnen nicht zu stoppen ist, gibt es doch viele Möglichkeiten der Einflussnahme. Wenn ich bewusst einkaufe und bereit bin, etwas mehr zu zahlen, bekomme ich Produkte aus nachhaltiger Landwirtschaft. Es ist nicht viel aufwändiger, gesund zu kochen, anstatt auf Industrieprodukte zurückzugreifen.
Fasten ist ein bewusster Umgang mit Nahrung, aber auch anderen Konsumgütern oder Medien. In einer Welt, in der uns alles in Fülle zur Verfügung steht, müssen wir lernen, dies alles in rechter Weise zu gebrauchen. Vor allem kommt es darauf an, der Verschwendung entgegen zu steuern, dort nicht mitzumachen, wo billiger Konsum offensichtlich auf Kosten anderer geht.
In unserer Gesellschaft greift immer mehr die Haltung um sich, sich einfach zu bedienen. Warum soll ich verzichten, wenn sich dann ein anderer das nimmt, worauf ich verzichtet habe? Dann lange ich doch besser gleich mit beiden Händen zu, bevor ich als einziger mit leeren Händen dastehe. Unsere Gesellschaft ist auf den Konsum aufgebaut. Unsere Wirtschaft funktioniert nur, wenn wir das mühsam erworbene Geld wieder ausgeben. Versuchen wir, gegen diesen Strom des Konsumismus zu schwimmen.
Ich will mich in dieser Fastenzeit bewusst ernähren. Weniger ist mehr. Ich esse bewusst weniger Fleisch und mehr Gemüse und achte bei meinen Einkäufen darauf, welche Produkte in den Einkaufskorb kommen.

Fasten ist mehr.

Fasten ist immer auch geben. Ich gebe etwas von meinem Überfluss, vielleicht sogar einen empfindlichen Teil davon, für andere. Doch zugegeben, es ist nicht leicht, heute großherzig den Mitmenschen gegenüber zu leben. Uns geht es gut, aber die globale Not ist groß. Was kann ich tun? An jeder Ecke steht ein Bettler - gehört er zu einer kriminellen Bande oder ist er wirklich bedürftig? Zigtausende Flüchtlinge strömen in unser Land. Eine Bedrohung für unsere Gesellschaft oder eine Herausforderung, unsere Großherzigkeit zu zeigen?
Jeder Reichtum geht auf Kosten anderer. Unser Wohlstand ist nur durch die Armut in anderen Ländern möglich. Oft sind es Großkonzerne und korrupte Politiker, die Geld in die eigene Tasche stecken und eine gerechte Verteilung verhindern. Was kann ich da tun?
Ich kann versuchen, differenziert zu denken, mir umfassende Informationen holen. Ich kann versuchen, Hintergründe zu verstehen, anstatt mich mit billigen Parolen zufrieden zu geben. Unser freies Denken ist heute wieder mehr und mehr bedroht. Das liegt aber auch daran, dass sich immer weniger Menschen die Mühe machen, wirklich nachzudenken. Seien wir kritisch, mit dem, was uns von allen Seiten entgegenschallt. Hören wir auf die leisen Töne, die leicht überhört werden. Haben wir den Mut, uns einzusetzen und unsere Stimme zu erheben, dort wo es nötig ist.
Die folgenden Worte von Mutter Teresa können uns dabei eine Hilfe sein:

Die Leute sind unvernünftig, unlogisch und selbstbezogen - liebe sie trotzdem.
Wenn du Gutes tust, werden sie dir egoistische Motive und Hintergedanken vorwerfen - tue trotzdem Gutes.
Wenn du erfolgreich bist, gewinnst du falsche Freunde und echte Feinde - sei trotzdem erfolgreich.
Das Gute, das du tust, wird morgen vergessen sein - tue trotzdem Gutes.
Ehrlichkeit und Offenheit machen dich verwundbar - sei trotzdem ehrlich und offen.
Was du in jahrelanger Arbeit aufgebaut hast, kann über Nacht zerstört werden - baue trotzdem.
Deine Hilfe wird wirklich gebraucht, aber die Leute greifen dich vielleicht an, wenn du ihnen hilfst - hilf ihnen trotzdem.
Gib der Welt dein Bestes, und sie schlagen dir die Zähne aus - gib der Welt trotzdem dein Bestes.
Mutter Teresa
Jesaja
Jesaja sagt: Das ist ein Fasten, wie ich es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen, an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen in dein Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen.

Das ist eine lange Liste. Was kann ich davon tun? Damals waren doch ganz andere Verhältnisse. Da hatte man selbst vielleicht einen Sklaven, den man freilassen konnte, da kam ab und zu mal ein Vagabund vorbei, dem man etwas geben konnte. Aber heute... Wir haben die Fürsorge an verschiedene Institutionen delegiert. Der Staat hat für das Wohlergehen seiner Bürger zu sorgen. Ich spende ab und zu etwas und zahle meine Steuern. Es ist doch alles geregelt. Also, was soll ich heute mit dieser Liste.
Sicher ist die Hilfe durch Spenden sehr wichtig und gehört zum Fasten. Aber doch können wir uns mit Spenden nicht loskaufen von der eigentlichen Verantwortung, in der wir stehen.

Fasten ist mehr.

Das Teilen mit den anderen kann auch vor meiner Haustüre geschehen, indem ich einem Menschen, den ich in Not sehe, etwas abgebe. Dann kommt es beim Teilen auch zu einer persönlichen Begegnung und darin kann ich schon etwas erfahren von dem, was Fasten wirklich ist. Fasten bedeutet, dass ich mein Herz öffne für die Menschen um mich herum. Was kann ich mit ihnen teilen? Nicht nur Materielles, auch Zeit und vor allem Freundlichkeit. Es gibt sicher in meinem Umfeld Menschen, denen gegenüber ich eine gewisse Abneigung habe, seien es mir nahestehende Menschen, mit denen ich im Streit bin, seien es mir fernstehende, die sich über ein gutes Wort von mir freuen würden, das ich ihnen aber nie sage.

Fasten ist mehr.

Äußeren Verzicht können wir aufrechnen, Spenden können wir zählen, was aber geschieht, wenn wir auf einen anderen Menschen zugehen, das ist nicht vorhersehbar. Wir könnten Ablehnung erfahren. Was denkt der andere? Will er das überhaupt? Ich bin doch nicht schuld, dass er sonst niemand hat. Es gibt so vieles, was eine wirkliche Begegnung schwer erscheinen lässt. Aber doch sollten wir es einmal versuchen. Vielleicht gelingt die Begegnung und wir machen die Erfahrung, dass die Verheißung des Jesaja sich wirklich erfüllt, dass dann unser Licht hervorbricht wie die Morgenröte. Das Licht, das wir anderen bringen, strahlt auch auf uns zurück.

Fasten ist mehr.

Wenn wir mit einer solchen Haltung unseren Mitmenschen begegnen, dann werden wir auch offen für eine ganz neue Begegnung mit Gott. Die Begegnung mit Gott spielt sich nicht nur im stillen Kämmerlein ab, sondern auch auf der Straße. Unser Gebet soll nach außen hin Früchte tragen und diese Früchte werden dann auch wieder Nahrung sein für unser Gebet. Fasten ist ohne Gebet nicht möglich, Fasten hat in Gott seinen Ursprung und sein Ziel. Die Begegnung mit Gott ist das Ziel unseres Lebens.
Der Prophet Jesaja verheißt, dass Gott den Menschen nahe ist, die so fasten, wie er es liebt. Er sagt: Wenn du dann rufst, wird der Herr dir Antwort geben, er wird sagen: Hier bin ich. Ich wünsche Ihnen allen, dass sie diese Nähe Gottes in Ihrem Leben erfahren dürfen.

Das Fasten ist die Speise der Seele.
Wie die körperliche Speise stärkt,
so macht das Fasten die Seele kräftiger
und verschafft ihr bewegliche Flügel,
hebt sie empor und lässt sie
über himmlische Dinge nachdenken.
Johannes Chrysostomus
Frühling

Wecke mich auf, Herr!

Wecke mich auf, Herr!
Wecke auf, was du in mir angelegt hast,
was in mir verborgen schlummert,
was mich der Alltag hat vergessen lassen,
was wie zu Eis gefroren und erstarrt ist!
Wecke mich auf, Herr,
wie der Frühling, alles hell und grün macht,
die Blumen blühen und die Vögel singen lässt!
Wecke mich auf, Herr!
Hole aus der Tiefe herauf, was zum Licht drängt,
was von Angst und Scham zurückgehalten
und vom trägen Herzen behindert wird!
Wecke mich auf, Herr!
Rufe, dränge, locke ganz leise und sacht.
Wärme mit deiner Liebe,
was schwach und zart in meinem Innersten geborgen ist,
was ich selber noch nicht vernehme und nicht zu glauben wage!
Spiel du in mir die Melodie des Lebens,
die jedem vernehmbar wird, alle ergreift und beglückt!
Spiel das Lied, das Liebe heißt und selber Leben weckt!